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Taanach verschwand. Schahabarim streckte seine Arme<br />

gen Himmel und hub an:<br />

»Ehe es noch Götter gab, herrschte Finsternis, und<br />

es wehte ein Hauch, schwül und trüb wie das Bewußtsein der<br />

Menschen im Traume. Der Hauch verdichtete sich und erzeugte<br />

Gewölk und die Sehnsucht. Und aus der Sehnsucht und den Wolken<br />

entsprang der Urstoff. Das war ein tiefer, schwarzer, eisiger Sumpf.<br />

In ihm keimten fühllose Ungeheuer, zusammenhangslose Elemente<br />

der werdenden Wesen, wie sie auf den Wänden der Tempel<br />

abgebildet sind.<br />

»Dann verdichtete sich der Urstoff. Er ward zum Ei.<br />

Das zerbarst. Die eine Hälfte wurde zur Erde, die andere zum<br />

Himmelsgewölbe. Sonne, Mond, Winde und Wolken erschienen,<br />

und unter Donner und Blitz die denkenden Wesen. Eschmun<br />

kam in der Sternenwelt auf, Khamon erstrahlte in der Sonne,<br />

Melkarth trieb ihn mit starkem Arm bis hinter Gades zurück. Die<br />

Erdgeister stiegen hinunter in die Vulkane, und Rabbetna neigte<br />

sich gleich einer Amme über die Welt, und spendete ihr Licht wie<br />

einen Milchstrom, und deckte sie mit der Nacht zu wie mit einem<br />

Mantel....«<br />

»Und dann?« fragte Salambo.<br />

Er hatte ihr das Geheimnis der Schöpfung erzählt, um<br />

sie durch weite Ausblicke abzulenken. Aber an seinen letzten<br />

Worten entzündete sich das Begehren der Jungfrau von neuem, und<br />

Schahabarim fuhr in halbem Nachgeben fort:<br />

»Sie weckt und lenkt die Liebe im Menschen....«<br />

»Die Liebe im Menschen ...« wiederholte Salambo<br />

versonnen.<br />

Der Hohepriester redete weiter:<br />

»Sie ist Karthagos Seele. Obgleich sie überall webt und<br />

lebt, ist ihre Heimat hier bei uns unter dem heiligen Mantel.«<br />

»O Vater!« rief Salambo. »Ich werde sie schauen, nicht<br />

wahr? Du wirst mich zu ihr führen! Lange hab ich gezaudert. Das<br />

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