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Landessynode 2010 - Evangelische Kirche von Westfalen

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Vierte Sitzung, Dienstag, 16. November <strong>2010</strong>, vormittags<br />

b) Damit ging auch der Zusammenhang <strong>von</strong> Taufe und <strong>Kirche</strong>njahr und damit so eine<br />

wichtige Struktur kirchlichen Lebens verloren. Bis ins 4. Jahrhundert fanden Taufen<br />

nur an wenigen, besonders geeigneten Festtagen statt: an Ostern, an Epiphanias und<br />

an Pfingsten. Angesichts der groûen Säuglingssterblichkeit wollten aber viele Menschen<br />

bei der Taufe ihrer Säuglinge und Kinder nicht so lange warten. Die Geburt<br />

wurde jetzt zum neuen Bezugstermin der Taufe ± eine Tendenz, die bis ins 20. Jahrhundert<br />

hineinreicht.<br />

c) Schon <strong>von</strong> Beginn an wurde die Taufe als ein Ritual des Geistempfangs verstanden.<br />

Ausdruck dafür war die Handauflegung nach der Wasserhandlung, begleitet <strong>von</strong><br />

einem entsprechenden Gebet. Diese Handlung der Geistverleihung war dem Bischof<br />

vorbehalten. Bei Anwachsen der Gemeinden und damit auch der Bischofsbezirke<br />

war es den Bischöfen aber nicht mehr möglich, gleich nach der Geburt jedes Kindes<br />

die Taufe mit Handauflegung zu vollziehen. Deshalb wurden die Priester zur Taufe<br />

bevollmächtigt. Der Bischof vollzog die Handauflegung, die er sich weiter vorbehielt,<br />

dann, wenn er vor Ort war. So entstand die Firmung als ein Ableger der<br />

Taufe. Dieses Ritual erschien bald den Menschen wichtiger als die Taufe selbst, denn<br />

taufen konnte jeder Priester, Handauflegen nur der Bischof.<br />

d) Im 12. Jahrhundert vollzog sich in den westlichen <strong>Kirche</strong>n eine weitere schwerwiegende<br />

Entleerung der Taufe. Bis dahin war es ± wie bis heute in den Ostkirchen<br />

immer noch ± selbstverständlich, dass jedem Menschen, auch jedem Säugling, bei seiner<br />

Taufe das Abendmahl gereicht wurde.<br />

Im Zuge der kognitiven Erfassung christlichen Glaubens in der Scholastik erschien<br />

dies problematisch. Man stellte die Kinder vom Abendmahl bis zu einem Zeitpunkt<br />

zurück, an dem man ein verstandesmäûiges Erfassen des christlichen Glaubens vermutete.<br />

Die Taufe wurde damit vom Abendmahl als einer Grundlage christlicher<br />

Gemeinschaft abgetrennt.<br />

Leider verfügten die Reformatoren nicht über unsere heutigen kirchengeschichtlichen<br />

Kenntnisse. So fanden sie eine Taufe vor, die ihres pädagogischen Kontextes entkleidet<br />

war, die den Zusammenhang mit <strong>Kirche</strong>njahr und Abendmahl verloren hatte und die<br />

durch die Abspaltung der Firmung inhaltlich entleert worden war. Allein dieser letzte<br />

Punkt wurde kritisch gesehen. Ansonsten setzten die Reformatoren diese verkümmerte<br />

Taufpraxis als ,normal` voraus. Im Weiteren kam es dann noch zu zwei weiteren Schwächungen<br />

in der Taufe:<br />

e) Taufe wurde zu einem Instrument der religiösen und moralischen Disziplinierung.<br />

Die traurige Geschichte der Judentaufen ist hier wenigstens kurz zu nennen. Dazu<br />

wurden Taufen <strong>von</strong> unehelich geborenen Kindern bis ins 20. Jahrhundert hinein<br />

deutlich <strong>von</strong> den Taufen sog. ehrbarer Kinder unterschieden. Ich glaube, das ist ein<br />

wesentlicher Grund, Frau Kasparick, warum da so wenig die Taufe begehrt wird.<br />

Das Gedächtnis der Menschen ist lang und Demütigungen gehen tief ins Herz <strong>von</strong><br />

Menschen. Bis heute wird für unehelich geborene Kinder seltener die Taufe begehrt<br />

als für ehelich geborene.<br />

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