PDF-Download - Newsletter Urbane Transformationen
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Wiederaufbauprozesse: Zentrale Einflussfaktoren<br />
93<br />
zudem von der Notwendigkeit der Parteien,<br />
innerhalb des politischen Wettbewerbs<br />
durch symbolische Handlungen oder Personalisierung<br />
der Politik Handlungsfähigkeit<br />
zu suggerieren und Aufmerksamkeit<br />
sowie Sympathie zu erlangen. Eine vergleichbare<br />
Situation wird auch in der Kommunalpolitik<br />
immer wieder konstatiert<br />
und vor allem von den hier agierenden<br />
Entscheidungsträgern empfunden. Gerade<br />
eine Strategie symbolischen Handelns<br />
kann sich auch der Wiederaufbauvorhaben<br />
bedienen. Sind etwa aufgrund mangelnder<br />
Ressourcen oder Durchsetzungskraft politische<br />
Probleme nicht zu bewältigen, können<br />
symbolische Handlungen zur Profilierung<br />
im Parteienwettbewerb genutzt<br />
werden. (vgl. Edelman 2005) Im Falle von<br />
Wiederaufbauvorhaben ist die symbolische<br />
Handlung der Rekonstruktion eines<br />
Einzelgebäudes ggf. Ensembles darüber<br />
hinaus geeignet, als stellvertretend<br />
für die Bewältigung der umfassenden Modernisierungsfehler<br />
innerhalb des Städtebaus<br />
wahrgenommen zu werden bzw. den<br />
Wunsch nach einer weitgehenden Wiederherstellung<br />
eines mittlerweile häufig verklärten<br />
früheren Zustandes – ggf. auch der<br />
„guten alten Zeit“ insgesamt – symbolisch<br />
zu befriedigen.<br />
Schließlich sei auch darauf verwiesen,<br />
dass populistische Tendenzen offenbar<br />
nicht auf die Politik im engeren Sinne begrenzt<br />
sind, sondern auch in Fachkreisen<br />
und Fachdebatten erkennbar werden.<br />
In diesem Zusammenhang sei hier auf<br />
die Debatten innerhalb der Denkmalpflege<br />
verwiesen, die innerhalb des Kapitels<br />
3.2 anhand der Symposienreihe „Nachdenken<br />
über Denkmalpflege“ wiedergegeben<br />
werden. Dabei scheint ein wesentliches<br />
Argument in den Diskussionen über<br />
die Bemessung des Denkmalwerts und<br />
die Ästhetisierung der Denkmale ein populistisches:<br />
Die Idee eines unveränderten,<br />
konservierten Denkmals aus materieller<br />
Substanz sei eine Expertenvorstellung<br />
und der Öffentlichkeit weitgehend unbekannt<br />
– ja, von dieser nicht nachvollziehbar.<br />
Kerkhoff (2007) stellt hierzu fest, dass<br />
das eigentliche Objekt der Denkmalpflege,<br />
„das authentische, das alte, auch das hässliche<br />
Denkmal“, von Politik und Gesellschaft<br />
nicht verlangt werde, während „das<br />
Schöne, Hübsche der totsanierten Bauten<br />
[…] heute eigentlich niemanden wirk<br />
lich“ störe. Entsprechend sieht er drei allesamt<br />
„menschliche“ Funktionsprinzipien<br />
der Rekonstruktion: Reparaturreflex, Freude<br />
und Intention. Ein fachlicher – letztlich<br />
also elitärer – Widerspruch gegen Wiederaufbauvorhaben<br />
gerate dahingegen notwendigerweise<br />
in Argumentationsnot. Die<br />
Denkmalpflege könne es sich nicht länger<br />
leisten, sich auf Vorstellungen und Gesetze<br />
der 1970er Jahre zu berufen. Denn: Eine<br />
Denkmalpflege, die ihren eigenen Idealen<br />
verfallen sei und nicht der Gesellschaft<br />
nach deren Wünschen diene, laufe Gefahr,<br />
nicht länger akzeptiert zu werden (vgl.<br />
Rüsch 2001, Brandt 2002).<br />
Populistisch-plebiszitäres<br />
Demokratiekonzept auf der lokalen Ebene<br />
und Rekonstruktion<br />
Auf nationalstaatlicher Ebene kann bislang<br />
trotz aller populistischen Tendenzen<br />
von einem Fortbestand des repräsentativparlamentarischen<br />
Demokratiekonzepts<br />
ausgegangen werden. Auf lokaler Ebene<br />
kann es allerdings zu einer deutlicheren<br />
Verlagerung hin zu einem (stärker) populistisch-plebiszitären<br />
Demokratiekonzept<br />
kommen. Zum einen sind dort plebiszitäre<br />
Elemente stärker verankert und wurden<br />
in den vergangenen Jahrzehnten in<br />
verschiedenen Bundesländern noch weiter<br />
gestärkt. Zum anderen besteht aber<br />
auch prinzipiell eine größere „Volksnähe“<br />
der Entscheidungsträger durch persönliche<br />
Kontakte, eine geringere Bedeutung<br />
der Parteien und einen geringeren<br />
Professionalisierungsgrad der lokalen Politik.<br />
Eine populistische Romantisierung<br />
„einer gewachsenen und überschaubaren<br />
Gemeinschaft“ (Decker 2006: 12) fällt vor<br />
diesem Hintergrund offenbar auf der lokalen<br />
Ebene noch auf fruchtbareren Boden<br />
als auf der staatlichen Ebene. Diese größere<br />
Volksnähe bietet in Verbindung mit dem<br />
Aufkommen neuer Governance-Modelle,<br />
die insbesondere innerhalb städtischer<br />
Strukturen von Bedeutung sind und die<br />
Demokratie zu einer „Volksherrschaft“ mit<br />
tendenziell populistischen Zügen weiterzuentwickeln<br />
scheinen (Priester 2007), mit<br />
den vielfältigen neuen Formen von Bürgerund<br />
Akteursbeteiligung Arenen, innerhalb<br />
derer Rekonstruktionsbefürworter jenseits<br />
eines repräsentativen Parlaments ihre Vorhaben<br />
zwar nicht durchsetzen, wohl aber