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PDF-Download - Newsletter Urbane Transformationen

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Gesellschaftliche Rahmenbedingungen und Hintergründe<br />

65<br />

sen werden, einige Indizien weisen jedoch<br />

darauf hin. Für die Studie „Lebenswelt<br />

und bürgerschaftliches Engagement“ des<br />

Sozialwissenschaftlichen Instituts für Gegenwartsfragen<br />

in Mannheim wurden 21<br />

verschiedene Engagementbereiche identifiziert.<br />

Zwar wird der Einsatz für Wiederaufbauvorhaben<br />

dort nicht explizit benannt,<br />

diese könnten jedoch zum Beispiel<br />

in den Bereichen „Fördervereine für Kunst,<br />

Kultur, Museen bzw. Stiftungen“ oder<br />

auch „Bürgerinitiative/Stadt-, Stadtteilinitiative,<br />

Bürgerbüro“ mit eingeschlossen<br />

sein. Die Mitglieder des etablierten<br />

Milieus engagieren sich idealtypisch nahezu<br />

selbstverständlich in fast allen Bereichen<br />

und sind in beiden gerade genannten<br />

überdurchschnittlich häufig aktiv. Das<br />

moderne bürgerliche Milieu ist im Bereich<br />

der Bürgerinitiativen leicht überdurchschnittlich<br />

engagiert und tut sich zudem<br />

bei im Bereich Kunst und Kultur deutlich<br />

hervor. Das aufstiegsorientierte Milieu<br />

hingegen scheint sich für keinen Engagementbereich<br />

begeistern zu können und<br />

ist überall unterdurchschnittlich vertreten.<br />

In beiden aufgeführten Bereichen ist<br />

allerdings ein großes Interesse von Seiten<br />

des Intellektuellen Milieus (charakterisiert<br />

durch ein breites Altersspektrum, postmaterialistische<br />

Überzeugungen, Pflege von<br />

Solidar- und Gemeinschaftswerten, Ausübung<br />

sinnstiftender Tätigkeit in Beruf<br />

und Freizeit) zu verzeichnen (vgl. SIGMA<br />

2000: 55–57). Auch hier müssten allerdings<br />

eventuelle Zusammenhänge tiefer gehend<br />

untersucht werden, bevor aussagekräftige<br />

Äußerungen gemacht werden können.<br />

Seit der Mitte des 20. Jahrhunderts ist die<br />

Individualisierung noch einmal radikaler<br />

geworden, vollzieht sich gemeinsam mit<br />

der (heutigen) Globalisierung, in erhöhter<br />

Geschwindigkeit und wird bereits als<br />

selbstverständlich angesehen. Beck nennt<br />

die sie gar einen neuen „Modus der Vergesellschaftung“<br />

(1986: 205), in der das Individuum<br />

gleichzeitig auf sich gestellt und<br />

gesellschaftlich determiniert ist. Es trägt<br />

alleine die Verantwortung für die Entscheidungen,<br />

die es trifft, um den eigenen<br />

Lebenslauf zu inszenieren sowie für die<br />

Folgen, die aus dem eigenen Handeln entstehen;<br />

es trägt ein gewisses Risiko. Auch<br />

bei Beck steht somit die Entscheidung<br />

über einen bestimmten Lebensstil im Mittelpunkt<br />

des Individualisierungsprozesses.<br />

Der Bau historisch anmutender Gebäude<br />

scheint mithin – zumindest in den Fällen,<br />

in denen eine moderne Bebauung eine tatsächliche<br />

Alternative gewesen wäre – auch<br />

ein Versuch der Risikominimierung zu<br />

sein, die Entscheidung für etwas Vertrautes<br />

und Bewährtes. Bei den neuen alten<br />

Gebäuden „weiß man, was man hat“ und<br />

muss sich nicht auf eine ungewohnte Ästhetik<br />

einlassen, an die man sich vielleicht<br />

erst nach Jahren oder nie gewöhnt. Bezogen<br />

auf die Pluralisierung der Lebensstile<br />

scheint sie eine Art Oppositionsreaktion<br />

gegen die einhergehende Pluralisierung<br />

der Stadtgestaltung durch Anknüpfen an<br />

frühere, heute als homogen wahrgenommene<br />

Stadtbilder zu sein.<br />

Im Gegensatz zu dieser Vermutung steht<br />

die in Kapitel 6 ausgeführte These von Joachim<br />

Fischer. Dieser konstatiert, dass gerade<br />

die Wiederentdeckung der Städte und<br />

die daraus resultierende finanzielle und<br />

politische Übernahme von Verantwortung<br />

für Wiederaufbauten ein Eingehen<br />

von Risiken und ein Wahrnehmen individueller<br />

Freiheiten darstellt. Er sieht diese<br />

Entwicklung im Zusammenhang mit der<br />

mittelosteuropäischen Bürgerbewegung<br />

von 1989, die sich in den Städten formiert<br />

und die Risikobereitschaft der Bürgerinnen<br />

und Bürger geweckt habe.<br />

Beide Erklärungsansätze, so widersprüchlich<br />

sie klingen mögen, haben durchaus<br />

ihre Berechtigung: Wie bereits zu Beginn<br />

des Kapitels angemerkt, sind die Motive<br />

der Rekonstruktionsbefürworter höchst<br />

divers und nicht nur in eine Richtung zu<br />

interpretieren – mit den Lebensstilen pluralisieren<br />

sich auch die Gründe für gesellschaftspolitisches<br />

Engagement.<br />

3.44 Sehnsucht nach Heimat<br />

Die Bedeutung des Heimatbegriffs hat<br />

sich seit seiner Entstehung mehrfach gewandelt.<br />

Er wird heute stark mit einer Gegenbewegung<br />

zum Prozess der Individualisierung<br />

und der Suche nach Identität in<br />

Verbindung gebracht. Positive Assoziationen<br />

sind das Gefühl von Sicherheit und<br />

Geborgenheit, zivilgesellschaftliches Engagement<br />

für Wohnumfeld und Naturschutz;<br />

auf der negativen Seite finden sich<br />

Anhaftungen von Rückwärtsgewandtheit,<br />

Enge und nostalgischer Spießigkeit (vgl.<br />

Korfkamp 2006, Tögel 2006: 46).

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