PDF-Download - Newsletter Urbane Transformationen
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268 Positionen zum Wiederaufbau verlorener Bauten und Räume Forschungen Heft 143<br />
Uwe Altrock kann bei seinen Ausführungen<br />
auf die Erkenntnisse des Forschungsvorhabens<br />
zurückgreifen. So geht er den<br />
Fragen nach, woher die aktuelle Rekonstruktionswelle<br />
komme und was die Möglichkeiten<br />
der Architekten sowie Planer<br />
innerhalb dieser Situation sein könnten.<br />
Dabei verweist er allerdings zunächst darauf,<br />
dass die Welle mit knapp einhundert<br />
geplanten und realisierten Vorhaben<br />
seit 1975 eine kleine sei und nur einen geringen<br />
Teil des Baugeschehens darstelle.<br />
Dennoch seien Rekonstruktionen aber<br />
nicht selten Alltagsnormalität und könnten<br />
sich grundsätzlich überall und zu jeder<br />
Zeit ereignen. Dass es dennoch keinen<br />
umfassenden Rekonstruktionstrend gibt,<br />
liegt Altrock zufolge daran, dass Wiederdieser<br />
Polarisierung keine Fundamentalkritik<br />
entgegensetzen wollte. Gleichzeitig<br />
beanstandet er allerdings die Bebauung<br />
des Dresdner Neumarkts, die für ihn<br />
einen „Hauch von Playmobil und Lego“ erzeuge,<br />
und kritisiert Stellas Schloss-Entwurf<br />
als dem historischen Ort nicht angemessen.<br />
Hingegen preist er – ohne, dass es<br />
wirklich vergleichbar wäre – Chipperfields<br />
mittlerweile fertig gestelltes Neues Museum<br />
in Berlin: Insbesondere der Treppenaufgang<br />
sei atemberaubend schön und erzähle<br />
die Bauwerksgeschichte. Ans Ende<br />
allerdings stellt er dann doch ein klares<br />
Bekenntnis, präsentiert als Rodin-Zitat:<br />
„Eine Kunst, die Leben in sich hat, restauriert<br />
die Werke der Vergangenheit nicht,<br />
sondern setzt sie fort.“<br />
Landeskonservator Christoph Mohr stellt<br />
die zentrale Bedeutung von Authentizität<br />
bei der Bewertung von Baudenkmalen heraus.<br />
Dabei geht es ihm um die Ursprünglichkeit<br />
all dessen, was sich an einen Baudenkmal<br />
ausdrückt, etwa die Umstände,<br />
unter denen ein Objekt entstanden ist, die<br />
bautechnischen Voraussetzungen, die Materialien,<br />
aber auch die Benutzung der<br />
Räume und Raumfluchten. Ein durchaus<br />
erweiterter Denkmalbegriff also, der<br />
nicht nur die materielle Substanz berücksichtigt.<br />
Obwohl er zudem auch das Engagement<br />
für die Denkmal erhaltung in<br />
Gefahr sieht, wenn diese beliebig rekonstruierbar<br />
erscheinen, formuliert auch Mohr<br />
zwei beispielhafte Fälle, in denen ihr eine<br />
Berechtigung zukomme: der – sehr verkürzt<br />
wiedergegebene – Fall der geraubten<br />
Identität Warschaus und die historische<br />
Aura des Frankfurter Goethehauses, dessen<br />
Einrichtung zudem erhalten geblieben<br />
war. Leider bleibt eine Begründung für<br />
diese Wahl weitgehend aus und fehlt vor<br />
allem die Abgrenzung zu aus seiner Sicht<br />
nicht legitimen Wiederherstellungen. Und<br />
wenngleich er seine eigene Disziplin der<br />
Denkmalpfleger als die „Taliban der Rekonstruktion“<br />
bezeichnet, so stellt er doch<br />
auch in Aussicht, dass in einigen Generationen<br />
auch wiederaufgebaute Gebäude<br />
unter ihrem Schutz stehen könnten – freilich<br />
als Ausdruck einer Zeitströmung zu<br />
Beginn des 21. Jahrhunderts.<br />
Da sie ihre eigene Aufgabe als Architekturkritikerin<br />
und Journalistin innerhalb der<br />
Debatte in der Versachlichung sieht, räumt<br />
Ursula Baus zunächst mit zwei Verallgemeinerungen<br />
auf. Zum einen weist sie auf<br />
die erhöhte Pluralität innerhalb der Architektenschaft<br />
hin, zum anderen darauf,<br />
dass es in den Diskussionen um Rekonstruktion<br />
nur klare Befürworter und Gegner<br />
gebe. Jedes Rekonstruktionsvorhaben unterscheide<br />
sich von bisherigen und müsse<br />
einzeln analysiert und bewertet werden.<br />
Gleichzeitig aber müssten sowohl die<br />
Denkmalpfleger ihre frühere Macht als<br />
„Bestandsapostel“ zurückerobern als auch<br />
die Architekten und Stadtplaner Stärke<br />
zeigen, damit Rekonstruktionen in der<br />
Öffentlichkeit nicht die Bedeutung zukommen<br />
könne, die ihr heute eingeräumt<br />
werde. Außerdem spricht sie sich für eine<br />
Analyse des Baugeschehens aus, die über<br />
die Bildlichkeit hinausgeht. Ein neues, in<br />
historischen Formen errichtetes Outlet<br />
Center wie in Wustermark bei Berlin etwa<br />
bringe zunächst vor allem Suburbanisierungsprobleme<br />
mit sich. Eine Übertragung<br />
auf die Rekonstruktionsproblematik<br />
wäre hier sicherlich – nicht nur im Fall des<br />
Braunschweiger Schlosses – wünschenswert,<br />
wird allerdings auch an dieser Stelle<br />
nicht unternommen. Wesentliche Probleme,<br />
die viele der diskutierten Bauvorhaben<br />
in stadtstruktureller, finanzieller, gesellschaftlicher<br />
und sozialer Hinsicht hervorrufen,<br />
werden innerhalb der lokalen Debatten<br />
ausgeblendet und weitgehend auf<br />
eine Auseinandersetzung um die bildlichen<br />
Anteile der Architektur und ihre Wirkung<br />
reduziert (vgl. René Seyfarths Beitrag<br />
zur Tagung „Rekonstruktion Dekonstruktion<br />
Konstruktion“).