PDF-Download - Newsletter Urbane Transformationen
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Fallstudien<br />
171<br />
ne Aula noch mit einem Spitzdach, womit<br />
er auf dem zweiten Platz landete. Bei dem<br />
schließlich viertplatzierten Merz war hingegen<br />
weiterhin eine Betonung eigenständiger<br />
Architektur erkennbar, indem er den<br />
Giebel asymmetrisch verzerrte. Nur Behet<br />
und Bondzio blieben bei einer kubischen<br />
Form, sahen für das Innere allerdings eine<br />
Negativ-Form der Außenhülle der zerstörten<br />
Kirche vor, die im Dunkeln durch die<br />
Glasfassade scheinen sollte.<br />
Innerhalb von Tagespresse und (politischen)<br />
Stellungnahmen wurde das Wettbewerbsergebnis<br />
durchaus positiv beschrieben,<br />
wenngleich die Bewertungen<br />
im Detail recht breit gefächert sind und<br />
etwa von „genialer Wurf“ bis „verträglicher<br />
Kompromiss“ reichen (vgl. Friedrich 2004).<br />
Für einen Großteil der Wiederaufbaubefürworter<br />
tragfähig wird der Entwurf van<br />
Egeraats durch die geschickte und vielfältige<br />
Zitation des Vorgängers, die auch unterschiedliche<br />
Bedürfnisse nach geschichtlicher<br />
Referenz befriedigt. „Wer eine Kirche<br />
sehen will, sieht eine Kirche, wer eine Aula<br />
sehen will, sieht eine Aula“ (van Egeraat;<br />
zit. in Kowa 2009: 8). So wird einerseits die<br />
äußere Kubatur des Vorbilds wiederhergesellt.<br />
Die Überhöhung ist dabei eine offenbar<br />
konsensfähige Antwort auf funktionale<br />
Vorgaben der Universität. Wesentlich<br />
schwieriger gestaltete sich hingegen die<br />
entwurfliche Aushandlung eines Kompromisses<br />
für den Innenraum: Der Architekt<br />
war hier in seinem Wettbewerbsbeitrag<br />
den Forderungen nach Wiederherstellung<br />
soweit gefolgt, dass der Konflikt zwischen<br />
– im Wesentlichen – Universitätsleitung<br />
und Paulinerverein um die vorangetriebene<br />
Abschwächung die Kontroverse um den<br />
Wiederaufbau in bekannter Schärfe verlängerte.<br />
Von der Universität vorgegebene<br />
finanzielle, vor allem aber funktionale Erwägungen<br />
wurden dabei sogar in Abrede<br />
gestellt und vor allem ein weiterer Affront<br />
gegen einen sakralen Duktus hinein interpretiert.<br />
Zwar wurde aus Stein modernes<br />
Baumaterial, doch „Maßwerkfenster, Bündelpfeiler<br />
und Netzgewölbe lassen St. Pauli<br />
mit allem gotischen Vokabular aufleben“,<br />
so dass Kowa (2009: 8) selbst in der abgeschwächten<br />
Variante wenn nicht eine Rekonstruktion<br />
„so doch ein Abbild“ sieht.<br />
Wohl auch durch die Verknüpfung mit der<br />
Diskussion um die Trennung von Chorraum<br />
und Aula wurden die für die Raum<br />
wirkung wenig bedeutsamen Änderungen<br />
in Materialität und die Reduzierung<br />
auf drei vollständige Säulenpaare (die übrigen<br />
drei werden von der Decke bis fünf<br />
Meter über dem Boden hängen) von den<br />
verbliebenen Akteuren des Paulinervereins<br />
nicht akzeptiert, obwohl gleichzeitig<br />
der zunächst erweiterte Raum auf seine<br />
ursprüngliche Umgrenzung reduziert<br />
wurde. Interessanterweise war die Aufweitung<br />
sogar begrüßt worden. In der Fachpresse<br />
wurden sowohl der Siegerentwurf<br />
als auch die Alternativen unterschiedlich<br />
bewertet. Friedrich sieht in van Egeraats<br />
„pseudo-expressionistische[m] Komplex“<br />
neben Opern- und Gewandhaus<br />
eine „weitere architektonische Skurrilität“<br />
für den Augustusplatz, bei der der Architekt<br />
für die Innenraumgestaltung „richtig<br />
in die Baugeschichtskiste gegriffen“<br />
habe, um darüber fünf weitere Geschosse<br />
„zu stapeln“. Gerade letztere Lösung wird<br />
sehr positiv bewertet (Mende 2004). Unter<br />
den übrigen Beiträgen sieht Friedrich<br />
(2004) „keine zwingende Alternative“, zumal<br />
er davon ausgeht, dass die Teilnehmerinnen<br />
und Teilnehmer zur Lösung der<br />
unlösbaren Aufgabe, einen säkularen Bau,<br />
„dem etwas Sakrales anhaftet und der an<br />
die sinnlose Zerstörung des Vorgängerbaus<br />
erinnert, ohne diesen jedoch zu imitieren“,<br />
ihre eigenständigen Entwürfe der<br />
ersten Phase zu sehr überarbeitetet hätten.<br />
Kowa (2009: 7) kann zumindest der neuen<br />
Fassung des Siegerentwurfs aus dem Jahr<br />
2002 positives abgewinnen und bescheinigt<br />
der Lösung eines „Negativ-Abdruck[s]<br />
des Kirchenraums mitsamt seinem Spitzdach“<br />
eine „durchaus poetische Kraft“.<br />
(Angeführte) Argumente für einen<br />
Wiederaufbau<br />
Die Wiederaufbaubefürworter verfügen<br />
insgesamt betrachtet über keine stringente<br />
bzw. einheitliche Argumentation. So<br />
wurden von unterschiedlichen Personen<br />
aus dem Paulinerverein und seinem Umkreis<br />
verschiedene, zum Teil sogar widersprüchliche<br />
Punkte vorgetragen – wobei<br />
die Widersprüchlichkeit eher erst in dem<br />
Moment einsetzt, in dem eine vollständige<br />
Rekonstruktion als nicht mehr erreichbar<br />
eingeschätzt wird und die Umsetzung<br />
verschiedener Teilaspekte als besonders<br />
wichtig angesehen wird. Die Vielfalt der<br />
Argumente bedeutete aber schon in der