PDF-Download - Newsletter Urbane Transformationen
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Fallstudien<br />
223<br />
Schwierigkeiten bei der komplizierten Berechnung<br />
der Statik der nach innen gestülpten<br />
Stahl-Glas-Konstruktion der Außenfassade<br />
des Einkaufscenters an der<br />
Zeil führten zu einer Verschiebung des Eröffnungstermins<br />
auf Februar 2009. Der<br />
wenige Wochen später präsentierte Name<br />
„My Zeil“ wurde in den Frankfurter Medien<br />
und in der Öffentlichkeit heftig diskutiert.<br />
Ende Februar 2009 wurde das neue<br />
Einkaufscenter mit seiner spektakulären<br />
Architektur im Rahmen einer öffentlichen<br />
Inszenierung von Oberbürgermeisterin<br />
Petra Roth unter großer Anteilnahme<br />
der Frankfurter Bevölkerung und der lokalen<br />
Medien eröffnet, in denen das Gebäude<br />
erneut kontrovers diskutiert wurde (vgl.<br />
etwa Bartetzko 2009, Thomas 2009, Michels<br />
2009, Arning 2009). Bereits am ersten<br />
Eröffnungstag strömten etwa 70 000 Besucher<br />
in das Gebäude mit 100 neuen Geschäften<br />
(vgl. Schulze 2009). Anlässlich der<br />
Eröffnung nahm Roth noch einmal Bezug<br />
auf die Planungsgeschichte des Projekts<br />
und sagte: „Ich gehörte nicht zu denen, die<br />
Hochhäuser neben dem Palais und eine<br />
solche Verdichtung an diesem Ort haben<br />
wollten.“ Das Konzept des Bauherrn für<br />
das Palais Quartier betrachte sie jedoch<br />
heute als „abgerundet“. In diesem Zusammenhang<br />
dankte der Investor für die exzellente<br />
Zusammenarbeit mit der Stadt<br />
(ebd.).<br />
Nach der Errichtung des Gebäudes steht<br />
die Ausgestaltung der Innenräume für das<br />
rekonstruierte barocke Stadtschloss noch<br />
aus. Sie wurde von MAB zunächst zurückgestellt,<br />
bis sich Nutzer finden, die den Innenausbau<br />
finanziell mittragen (vgl. hierzu<br />
Aussage Schwarz in: Stadt Frankfurt<br />
am Main 2009: Wortprotokoll über die 32.<br />
Plenarsitzung, Lüpke 22.09.2009). Im Januar<br />
2009 wies der Sprecher des Investorenkonsortiums,<br />
Roland Strunk, die Kritik an<br />
dem verkleinerten und nicht originalgetreu<br />
rekonstruierten Nachbau des Palais<br />
entschieden zurück. Struck berichtete von<br />
einer „unglaublichen Recherche zur Geschichte<br />
des Ortes“. Eine Rekonstruk tion<br />
„Stein um Stein“ hätte man angesichts der<br />
hohen Baukosten von etwa einer Milliarde<br />
Euro nicht finanzieren können (vgl. Michels<br />
2009: Auch vom Alten was Neues).<br />
Der Eröffnungstermin ist für Ende 2009<br />
vorgesehen.<br />
Rolle der Bevölkerung, Einordnung in<br />
die Frankfurter Rekonstruktionsdebatte(n)<br />
Der geplante Wiederaufbau des barocken<br />
Palais fand, wie bereits in den vorherigen<br />
Abschnitten verdeutlicht wurde, vor allem<br />
innerhalb der Stadtpolitik breite Unterstützung.<br />
Im Gegensatz dazu hat innerhalb<br />
der Frankfurter Bevölkerung keine<br />
ernstzunehmende Diskussion stattgefunden.<br />
Der Anstoß zur Rekonstruktion des<br />
Gebäudes führte auch nicht zur Bildung<br />
von Wiederaufbauinitiativen, die diesen<br />
propagiert hätten. Es ist festzustellen,<br />
dass das Schicksal des Bauwerks während<br />
des gesamten Wiederaufbauprozesses die<br />
Frankfurter Bevölkerung nicht zu interessieren<br />
schien. Im nachfolgenden Abschnitt<br />
werden deshalb die Hinweise zu den Ursachen<br />
dieses Desinteresses aus der spezifischen<br />
Sicht verschiedener Akteure dargelegt,<br />
mit denen Interviews geführt wurden.<br />
In den Einschätzungen wurde als Hauptursache<br />
für einen geringen Identifikationsund<br />
Emotionalisierungsgrad eine aus der<br />
Vorgeschichte des Gebäudes resultierende<br />
geringe Verankerung des Gebäudes im Geschichtsbewusstsein<br />
der Bevölkerung genannt.<br />
Einerseits ist diese auf die Vornutzung<br />
als repräsentatives herrschaftliches<br />
Palais in einer „stolzen“ Bürgerstadt und<br />
als (halb)öffentlich zugängliches Postgebäude<br />
nach dem Wiederaufbau aus den<br />
1950er Jahren zurückzuführen. Die aus<br />
den vorgenannten Nutzungsepochen entspringende<br />
und in der Wahrnehmung der<br />
Frankfurter Bevölkerung verankerte Symbolik,<br />
die das Gebäude bisher innehatte,<br />
die dem Gebäude entgegengebrachten<br />
Empfindungen („Antipathie“, „geringe<br />
Wertschätzung“), und die Tatsache, dass<br />
das Gebäude heute nicht mit dem Bild der<br />
im Zweiten Weltkrieg zerstörten Altstadt<br />
assoziiert wird („geringe Popularität“), hat<br />
nicht zur emotionalen Aneignung geführt.<br />
Andererseits wurden von den Interviewpartnern<br />
stadträumlich-städtebauliche<br />
(„Stadtschloss hat sich hinter den Tormauern<br />
versteckt und keine dominierende Rolle<br />
gespielt“) und prozessbedingte Gründe<br />
als Ursache für das mangelnde Interesse<br />
abgeleitet. Als ein weiteres wesentliches<br />
Moment werden die Initiatoren genannt,<br />
von denen der Anstoß zum Wiederaufbauvorhaben<br />
ausging. In den Interviews wurde<br />
darüber hinaus möglichen bestehenden<br />
Verbindungen von Akteuren sowie