PDF-Download - Newsletter Urbane Transformationen
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Fallstudien<br />
159<br />
bündnis „Neue Universitätskirche St. Pauli“<br />
gebildet, das sich gegen den Bau einer<br />
Glaswand zwischen Aula und Chorraum<br />
aussprach und dem auch verschiedene<br />
Kirchengemeinden angehören, sowie eine<br />
Stiftung „Universitätskirche St. Pauli zu<br />
Leipzig“ gegründet, die Ausstattung und<br />
Nutzung des Neubaus etwa durch Restaurierung<br />
der Barockkanzel und Übernahme<br />
von Betriebskosten fördern will, sich<br />
gleichzeitig aber auch gegen die Glaswand<br />
positionierte. In diesem Zusammenhang<br />
formierten sich außerdem die „Studentischen<br />
Mitglieder der Universitätsmusik“<br />
sowie das Bacharchiv Leipzig als zukünftige<br />
konzertante Nutzer und eine Bürgerinitiative<br />
„Für eine weltoffene, weltliche und<br />
autonome Universität Leipzig“, die die Position<br />
der Universität unterstützt und sich<br />
„gegen die Umdeutung und Umnutzung<br />
des Paulinums zu einer Kirche“ ausspricht.<br />
Obwohl die Rekonstruktionsbefürworter<br />
nie als eine breite Bürgerbewegung anzusehen<br />
waren (Wolff 10.9.2009) und sich<br />
– zumindest mittlerweile – auch selber als<br />
Minderheit betrachten (Stötzner 28.8.2009),<br />
fehlte lange Zeit eine bürgerschaftliche Gegenposition.<br />
Sporadisch gab es Äußerungen<br />
von Einzelpersonen und im Moment<br />
des Rücktritts des Universitätsrektors auch<br />
eine weitgehend aus der Hochschule heraus<br />
entstandene Initiativgruppe, doch zur<br />
Bildung einer Bürgerinitiative kam es erst,<br />
als innerhalb des Streits um die Glaswand<br />
der Ton schärfer wurde und Prof. Zöllner<br />
(Kunstgeschichte) um eine entsprechende<br />
Stimme aus der Leipziger Bevölkerung<br />
bat. Es fand sich spontan eine Gruppe zusammen,<br />
die sich als Bürgerinitiative „Für<br />
eine weltoffene, weltliche und autonome<br />
Universität Leipzig“ seitdem im Wesentlichen<br />
gegen einen wachsenden klerikalen<br />
Einfluss auf die Universität wehrt (vgl.<br />
Schroth/Tesch 26.8.2009).<br />
Verlauf<br />
1990 kam es mehr zufällig zur Gründung<br />
einer Bürgerinitiative durch den Lehrer<br />
Joachim Busse aus Osterode am Harz,<br />
der zur Paulinerkirche veröffentlicht hatte,<br />
und eine Leipzigerin. Die Vereinsgründung<br />
erfolgte wenig später am 15. Januar<br />
1992 durch ein knappes Dutzend Personen,<br />
denen es zu diesem Zeitpunkt insbesondere<br />
um die Wiedererrichtung der<br />
Front zum Augustusplatz ging, bestehend<br />
aus Paulinerkirche und Augusteum. Entsprechend<br />
lautet der Name des Vereins bis<br />
heute „Paulinerverein – Bürgerinitiative<br />
zum Wiederaufbau von Universitätskirche<br />
und Augusteum in Leipzig e.V.“. (Stötzner<br />
28.8.2009) Bis heute unverändert nennt<br />
die Vereinssatzung drei Ziele (www.paulinerverein.de;<br />
vgl. Stötzner 28.8.2009):<br />
• Erinnerung an die Zerstörung der Bauwerke<br />
und deren Umstände<br />
• Unterstützung der Restauration erhaltener<br />
Teile der Innenausstattung<br />
• Wiederaufbau von Paulinerkirche und<br />
Augusteum „als Fernziel“<br />
Darin deutet sich an, dass die Vereinsmitglieder<br />
zu diesem Zeitpunkt nicht mit einer<br />
baldigen Realisierung ihres Rekonstruktionswunsches<br />
rechneten. Stötzner<br />
(28.8.2009) geht zudem davon aus, dass<br />
sie sich nicht als „Kirchenbauverein“ sahen<br />
und den Wiederaufbau vielmehr als<br />
eine architektonisch-gestalterische Aufgabe<br />
ansahen.<br />
Neben eigener Publikationstätigkeit und<br />
Veranstaltungen etwa zum 25. Jahrestag<br />
der Sprengung konnte der Verein sein Anliegen<br />
insbesondere dadurch öffentlich<br />
vertreten, dass innerhalb der Diskussion<br />
um die Leipziger (Innen-)Stadtentwicklung,<br />
die sich nach der politischen Wende<br />
aufgrund des erheblichen Modernisierungs-<br />
und Anpassungsbedarfs stellte,<br />
auch das städtebauliche Umfeld der beiden<br />
Gebäude ins Blickfeld rückte. Ein wesentlicher<br />
Punkt war ein von Stadt, Land<br />
und Verein 1994 veranstalteter Ideenwettbewerb<br />
zur Neugestaltung des Augustusplatzes,<br />
bei dem die Teilnehmer auch<br />
aufgefordert waren, Vorschläge zur städtebaulichen<br />
Weiterentwicklung der Platzkanten<br />
einschließlich des Innenstadtcampus<br />
zu erarbeiten. Wenngleich eine<br />
Möglichkeit zur Präsentation des Anliegens<br />
und mitfinanziert, war ein originalgetreuer<br />
Wiederaufbau durch die Auslobung<br />
ausgeschlossen und wurde auch nur<br />
von wenigen teilnehmenden Architekten<br />
vorgeschlagen. In ihrer Schilderung<br />
des Diskussionsverlaufs bezeichnen Dietrich<br />
und Eckhard Koch (2006: 9) die Auseinandersetzung<br />
ab Mitte der 1990er Jahre<br />
als einen „Kulturkampf“. In den folgenden<br />
Jahren und insbesondere im Umfeld