PDF-Download - Newsletter Urbane Transformationen
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Fallstudien<br />
195<br />
motivierten Okkupation von Sachthemen<br />
(Quester 25.8.2009) – all dies hätte zu erheblichen<br />
Verwerfungen führen können.<br />
Ein weiterer Grund, warum dies nicht geschehen<br />
ist, mag darin liegen, dass wesentliche<br />
Entscheidungen keine städtischen,<br />
sondern solche des Freistaates und der<br />
Universität waren (Heymann 26.8.2009)<br />
und dass andererseits in der Stadt wichtige<br />
Bündnisse wie das zwischen Universitäts-<br />
und Verwaltungsspitze eher gestärkt<br />
wurden. Zu den persönlichen Verlierern<br />
zählten sicher der zurückgetretene Universitätsrektor<br />
Bigl (Häuser 10.9.2009) und<br />
die aus der Jury unter Protest ausgeschiedenen<br />
Architekten (Quester 25.8.2009),<br />
aber auch diejenigen Rekonstruktionsbefürworter,<br />
die entweder eine stärkere<br />
Nähe zum Original für erforderlich gehalten<br />
haben oder denen eine kirchliche Nutzung<br />
wesentlich war.<br />
Besonders bedeutsam ist das Ergebnis für<br />
die Arbeit des Paulinervereins. Durch die<br />
geringe Anerkennung der Arbeit sind das<br />
Engagement nach 17 Jahren zurückgegangen<br />
und viele Engagierte ermüdet. Stötzner<br />
(28.8.2009) bedauert, dass hier die<br />
Verwirklichung des Vorhabens nicht zu Eigenengagement<br />
und Identifikation geführt<br />
habe. Dafür fehlten der bewusste Durchbruch<br />
und der Aufruf zum gemeinsamen<br />
Anpacken. Trotz der Zustimmung zum<br />
Egeraat-Entwurf und obwohl er im Prinzip<br />
das Ziel des Vereins verwirklicht, habe<br />
dieser seitdem weiterhin in der Opposition<br />
bleiben müssen. Dies habe auch dazu geführt,<br />
dass auf der letzten Mitgliederversammlung<br />
vor zwei Jahren die Frage nach<br />
der Sinnfälligkeit der Vereinsarbeit gestellt<br />
wurde. Bereits als es 2005 zu den für den<br />
Verein nicht tragbaren Veränderungen des<br />
Egeraat-Entwurfs kam, wurde die Forderung<br />
nach Auflösung erhoben, dann allerdings<br />
mit deutlicher Mehrheit abgewendet.<br />
Allerdings ergebe sich für den Verein eine<br />
Notsituation, die auch zu Austritten führe.<br />
Allerdings ist das Engagement nicht vollkommen<br />
erloschen und kam auch aus dem<br />
Paulinervorstand heraus die Initiative für<br />
die Gründung der Stiftung als mögliche<br />
dauerhafte Nachfolge des Vereins, der als<br />
Aktionsform für eine begrenzte Zeit konzipiert<br />
war.<br />
Schaden hat sicherlich auch das Wettbewerbswesen<br />
in der Architektur genommen,<br />
weil zum einen der erste Realisierungswettbewerb,<br />
der ohnehin ohne ersten<br />
Preis endete, nicht zu einer entsprechenden<br />
Realisierung führte und somit die hier<br />
getroffene Entscheidung aufgebrochen<br />
wurde (vgl. Quester 25.8.2009). Stattdessen<br />
wurde für die – zumindest in der öffentlichen<br />
Wahrnehmung (für die gengesätzliche<br />
Auffassung der Universität vgl. Häuser<br />
10.9.2009) – wichtigsten Teile ein „Qualifizierungsverfahren“<br />
durchgeführt, das<br />
letztlich als eigenständiger Wettbewerb<br />
anzusehen ist. Zum anderen aber insbesondere<br />
auch, weil innerhalb dieses zweiten<br />
Wettbewerbs die Richtlinien für Architekturwettbewerbe<br />
deutlich missachtet<br />
wurden, ohne dass das zu einer entsprechenden<br />
Reaktion seitens des Auslobers<br />
– also des Freistaats – geführt hätte, sondern<br />
sogar zum Teil davon ausgegangen<br />
wird, dass dieser von der Regelverletzung,<br />
wenn er sie nicht bewusst herbeigeführt<br />
oder wissentlich in Kauf genommen, so<br />
doch zumindest profitiert hat (vgl. Stötzner<br />
28.8.2009, Gormsen 10.9.2009, Häuser<br />
10.9.2009).<br />
Lokale Identifikation<br />
Engmann (2008: 5) geht davon aus, dass<br />
die DDR-Architektur des Universitätscampus’<br />
in der Bevölkerung niemals die verlorenen<br />
Gebäude habe ersetzen können,<br />
spricht von der „Wunde der Sprengung“,<br />
die „nie verheilt“ sei. Allerdings ist er auch<br />
bereit, dem Henselmann-Hochhaus einen<br />
gewissen Identifikationswert zuzuschreiben,<br />
da es einerseits die Siluette der Stadt<br />
präge und dadurch zum Wahrzeichen geworden<br />
sei und andererseits von den Leipzigern<br />
die Spitznamen „Weisheitszahn“<br />
und „Uni-Riese“ bekommen habe. Während<br />
diese Frage wenig Beachtung findet,<br />
sind die Einschätzungen über den architektonisch<br />
markanten Neubau kontrovers.<br />
Die Einschätzung, dass dies letztlich erst<br />
nach Baufertigstellung beurteilt werden<br />
kann (Quester 25.8.2009), ist sicher zum<br />
Teil richtig ist. An dieser Stelle soll allerdings<br />
die Auffassung vertreten werden,<br />
dass gerade die Kontroverse, der lange<br />
Konflikt und die – trotz unterschiedlicher<br />
Bewertung hinsichtlich Geschmack, Wirkung,<br />
entwurflicher Qualitäten etc. – Einzigartigkeit<br />
der gefunden Lösung ein erhebliches<br />
Identifikationspotenzial bietet.<br />
Bestärkt wird diese Einschätzung durch