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Gesellschaftliche Rahmenbedingungen und Hintergründe<br />

29<br />

Es wird angenommen, dass hinreichend<br />

exakte Rekonstruktionen mit einigem<br />

zeitlichen Abstand wenigstens für den Laien<br />

nicht mehr als solche erkenntlich sind,<br />

sondern als Originale wahrgenommen<br />

werden (so beispielsweise das Frankfurter<br />

Goethehaus; vgl. etwa Peters 1980), sofern<br />

die Architektur die Rekonstruktion nicht<br />

als solche deutlich macht. Für Denkmalpfleger<br />

ist zwar in aller Regel der Denkmalwert<br />

mit dem Objekt zerstört, da dieser<br />

per Definition eben „nicht allein in den<br />

künstlerischen Ideen […] sondern wesentlich<br />

in ihrer zeitbedingten, materiellen<br />

baulichen und künstlerischen Gestalt mit<br />

allen Schicksalsspuren“ (Vereinigung der<br />

Landesdenkmalpfleger 199, zit. in Kruft<br />

1993: 522, vgl. auch Traeger 1994: 352) liegt,<br />

viele Laien hingegen scheinen dies anders<br />

zu empfinden. Im Folgenden soll diesem<br />

Aspekt auf den Grund gegangen werden.<br />

Bei der Beschäftigung mit dem Verhältnis<br />

von Original und Fälschung in der Kunst<br />

lässt sich das Thema Kitsch nicht ausklammern.<br />

In der Literatur stehen zwar<br />

Betrachtungen von Malerei und Literatur<br />

im Vordergrund, an vielen Stellen wird<br />

aber auch die Architektur explizit oder implizit<br />

einbezogen. Es soll deshalb weiteren<br />

– das schriftliche Wort. Dies kann u. a.<br />

darauf zurückgeführt werden, dass die<br />

UNESCO als Teil der Vereinten Nationen<br />

(UN) verschiedene Kultur- und Traditionskreise<br />

repräsentiert und von ihnen beeinflusst<br />

wird. Dort können allerdings ganz<br />

unterschiedliche Ansätze des Authentizitätsbegriffs<br />

vorgefunden werden. „Dieser<br />

sehr zeittypische und sehr europäische<br />

Standpunkt erklärt sich zwar aus dem [...]<br />

Zeitgeist, erscheint heute aber nicht mehr<br />

vertretbar, denn nichteuropäische Kulturen<br />

haben andere Ansprüche an einen für<br />

sie tauglichen Authentizitätsbegriff. Spiritualität,<br />

Kult, Gebrauchskontext, Einbindung<br />

in die Landschaft, Identifikationspotential<br />

und symbolische Bedeutung<br />

können ebenso wichtig und manchmal sogar<br />

wichtiger sein als die tatsächliche historische<br />

Materialität des Objekts (Podbrecky<br />

2004).“<br />

Neben den konstituierenden Debatten<br />

und Statements vom Übergang des 19. in<br />

das 20. Jahrhundert sind auch diese Dokumente<br />

der 1960er und 1970er Jahre in<br />

die gegenwärtige Kritik einbezogen. So<br />

sieht etwa Clemens Kieser in seinem Beitrag<br />

zum fünften Symposium „Nachdenken<br />

über Denkmalpflege“ einen Konflikt<br />

zwischen Theorie und Praxis der Denkmalpflege,<br />

insbesondere hinsichtlich der<br />

Wissenschaftlichkeit. Dabei macht er<br />

deutlich, dass die Praxis eine wertende<br />

Haltung der Denkmalpflege erfordere und<br />

dass diese Wertungen stets ästhetische<br />

seien. Entsprechend plädiert Kieser für<br />

eine Sanierung des aus den 1970er Jahren<br />

stammenden theoretischen Überbaus. Zuvor<br />

hatte bereits im zweiten Teil des Symposiums<br />

Eckart Rüsch deutlich gemacht,<br />

dass es vermessen sei anzunehmen, dass<br />

der durch die Grundsatzdiskussion um<br />

1900 und die Charta von Venedig von 1964<br />

gefestigte geschichtswissenschaftlich orientierte<br />

Denkmalbegriff der „Höhe- und<br />

Schlusspunkt aller Entwicklungen in der<br />

Denkmalpflege“ oder gar „naturgegeben“<br />

seien. Entsprechend sei zu hinterfragen,<br />

ob notwendigerweise die Originalsubstanz<br />

erhalten werden müsse und ob nur<br />

von ihr eine Aura ausgehen könne. Für ihn<br />

seien die Symbolik und Bildhaftigkeit eines<br />

Denkmals als immaterielle Kategorien<br />

viel bedeutender. In einem zweiten Beitrag<br />

forderte er daher die Einführung von drei<br />

Denkmalkategorien, die zunächst unab­<br />

hängig zu bewerten, zu schützen und mit<br />

Erhaltungsmaßnahmen zu belegen seien:<br />

„symbolische Bedeutung“, „Bildhaftigkeit“<br />

und „Originalsubstanz“. Damit könne die<br />

undifferenzierte Hochachtung vor der materiellen<br />

Substanz beendet werden, was einem<br />

„Befreiungsschlag“ gleichkomme und<br />

dazu führe, dass teilweise nur immaterielle<br />

Denkmaleigenschaften zu pflegen und<br />

zu tradieren wären.<br />

Dieser Vorgriff auf die aktuelle Debatte<br />

macht deutlich, wie stark die Entwicklungen<br />

der „Nachmoderne“ seit 1975 sich –<br />

wenn auch erst mit zeitlicher Verzögerung<br />

– auf die Denkmalpflege ausgewirkt haben<br />

und wie stark die Prinzipien der Charta<br />

von Venedig dem Zeitalter der architektonisch-städtebaulichen<br />

Moderne zuzuordnen<br />

sind.<br />

3.3 Gesellschaftliche<br />

Disposition<br />

3.31 Das Verhältnis von Original und<br />

Fälschung: Rekonstruktion als<br />

Kitschphänomen

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