PDF-Download - Newsletter Urbane Transformationen
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Die aktuelle Fachdebatte – Tendenzen eines inter- und transdisziplinären Diskurses<br />
267<br />
unblutig, so hätten sich in dieser Revolution<br />
Mitglieder sozialistischer Sicherheitsgesellschaften<br />
Schritt für Schritt in riskierende<br />
Bürger verwandelt. An die Stelle<br />
staatlicher Risikominimierung sei dabei<br />
eine civil society getreten, die insbesondere<br />
im Privateigentum die Möglichkeit<br />
zum Bankrott wage, aber auch in der politischen<br />
Organisation tendenziell instabiler<br />
werde. Mit dieser Definition von Risikogesellschaft<br />
steht Fischer damit auch im bewussten<br />
Gegensatz zu Becks These einer<br />
durch die Produktion von Risiken reflexiv<br />
gewordenen Moderne.<br />
Zentral für die Verknüpfung dieser Revolution<br />
mit der Rekonstruktion zerstörter<br />
Bauwerke ist, dass die mittelosteuropäische<br />
Bürgerbewegung sich in den Städten<br />
formiert habe und damit zu einer Wiederentdeckung<br />
der europäischen Städten<br />
im Sinne der „okzidentalen Stadt“ Webers<br />
einschließlich einer Wiederbelebung<br />
der Stadtkerne durch privatwirtschaftliche<br />
wie kulturpolitische Investition geführt<br />
habe. Die bürgerliche Gesellschaft<br />
finde so nach ihrer Kontingenzerfahrung<br />
(bzw. Zerstörungserfahrung) zurück – und<br />
dies geschehe in den Städten und mit einem<br />
Bezug zu deren nun umso bewusster<br />
wahrgenommenen Zerstörung (bzw. Anpassung<br />
der vormals bürgerlichen Städte<br />
an die Erfordernisse der Sicherheitsgesellschaft).<br />
Hier knüpft er auch an entsprechende<br />
Beschreibungen Ralph Richters<br />
zur Leipziger Paulinerkirche an. Dieser hat<br />
ausgeführt, wie stark das SED-Regime die<br />
gesellschaftliche Funktion von Architektur<br />
genutzt habe, wenn ein ranghoher Vertreter<br />
den Leipziger Universitätsbau etwa als<br />
„größte Leistung der DDR“ betitelt habe.<br />
Dass die Bevölkerung den Abriss der kaum<br />
versehrten, genutzten Kirchen größtenteils<br />
mitgetragen hatte und sich der zeitgenössische<br />
Widerstand weniger gegen das<br />
tatsächliche Bauvorhaben, sondern gegen<br />
die darin ausgedrückte staatliche Willkür<br />
richtete, ist für Fischer kein Widerspruch:<br />
Die Zerstörung der Kirche sei innerhalb<br />
des Herrschaftsmodells der DDR konsequent<br />
gewesen, die Sicherheitsgesellschaft,<br />
wie auch Richter sie beschreibt, weitgehend<br />
in die Vorstellung eines Neuanfangs<br />
eingebunden.<br />
Die bereits seit 1945 verbürgerlichten Gesellschaften<br />
in nicht ehemals sozialisti<br />
schen Staaten wiederum hätten durch die<br />
gesellschaftliche Revolution in den vormaligen<br />
Sicherheitsgesellschaften die eigene,<br />
teilweise ebenfalls durch Risikominimierung<br />
eingeschränkten Prinzipien<br />
„gespiegelt“ bekommen. So seien sie in die<br />
Lage versetzt worden, ihre Selbstbeschreibung<br />
ebenfalls neu zu fassen und die eigenen<br />
Grundlagen und Prinzipien der Vergesellschaftung<br />
zu reflektieren. Gleichzeitig<br />
habe 1989 hier auch das „Scheitern der Alternative“<br />
bedeutet. Dass, wie Jan Stefan<br />
Becker es ausdrückte, auf die mittelosteuropäische<br />
Revolution schnell eine westeuropäische<br />
Okkupation folgte, kann in der<br />
Veranstaltung nicht mehr ausreichend diskutiert<br />
werden.<br />
6.33 „Rekonstruktivismus – was tun“ –<br />
Kasseler Architektur Zentrum<br />
(KAZimKuba), 3. Juni 2009<br />
Fernab der regionalen Schwerpunkte der<br />
Rekonstruktionsdebatte wird die Thematik<br />
Anfang Juni 2009 auch in Kassel diskutiert.<br />
Die Veranstaltung des Fachbereichs<br />
Architektur, Stadtplanung, Landschaftsplanung<br />
der dortigen Universität und des<br />
Bundes deutscher Architekten (BDA) soll<br />
unter dem Titel „Rekonstruktionismus –<br />
was tun“ vor allem die Reaktion der mit<br />
der Produktion von Stadt und Raum betrauten<br />
Professionen beleuchten und hat<br />
ein entsprechend fachlich besetztes und<br />
in weiten Teilen recht homogenes Podium.<br />
So wird vieles deutlich entspannter als andernorts<br />
diskutiert.<br />
Die wohl deutlichste Positionierung steht<br />
zu Beginn der Veranstaltung – und wird<br />
vom Moderator Manuel Cuadra vorgenommen.<br />
Als Architekt leide man unter Situationen,<br />
in denen von Medien, Bürgerinitiativen<br />
oder Politikern Rekonstruktionen<br />
gefordert werden, „weil man das als Architekt<br />
eben so sieht“.<br />
Architekt und BDA-Präsident Michael Frielinghaus<br />
macht in seinem Eingangsstatement<br />
deutlich, dass die bisherige Diskussion<br />
an der Polarisierung zwischen<br />
„hässlicher moderner Architektur“ und einem<br />
idealisierten Geschichtsbild kranke.<br />
Dadurch, dass er Wolfgang Pehnts fünf<br />
Kriterien für Rekonstruktionen wiederholte<br />
und zudem die Frauenkirche als beispielhaften<br />
und berechtigten Wiederaufbau<br />
darstellt, machte er deutlich, dass er