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Gesellschaftliche Rahmenbedingungen und Hintergründe<br />

53<br />

sung des frühen Mittelalters, aber auch in<br />

den späteren Wallfahrten zeigt sich, dass<br />

diese Kräfte an einen „heiligen Ort“ gebunden<br />

sind und dass dieser Ort darüber<br />

hinaus häufig mit einem Gebäude<br />

markiert wird. Diese Kirche oder Kapelle<br />

wurde entsprechend der Glaubensauffassungen<br />

zunächst zu Ehren des Heiligen<br />

errichtet. Zudem kann man annehmen,<br />

dass sie entsprechend der von Nipperdey<br />

(1968: 537–538) für die Nationaldenkmale<br />

formulierten Wirkung auch dazu diente,<br />

die Gläubigen in eine „andächtige“ Stimmung<br />

zu bringen und zugleich durch seinen<br />

Verweischarakter zumindest die Taten<br />

des Heiligen, wohl aber auch seine<br />

Größe und Bedeutung zu vermitteln und<br />

so den Glauben zu stärken. Insofern wirken<br />

diese Sakralbauten auch wie Reliquiare,<br />

wenngleich das eigentliche Reliquiar in<br />

der Regel erst in ihnen steht. In ähnlicher<br />

Weise können andere Gebäude, Profanbauten<br />

oder die ihn nahe stehenden evangelischen<br />

Kirchen ebenfalls als Verweise<br />

auf Ideen, Werte und Geschichten einer<br />

„Ersatzreligion“ dienen und Orte zu einem<br />

entsprechenden Verknüpfungspunkt werden.<br />

Letzteres erklärt dann auch, warum<br />

das Originalbauwerk nicht unbedingt bedeutend<br />

ist und auch ein anderes Gebäude<br />

diese Funktion erfüllen kann, gleichwohl<br />

ein zumindest im Erscheinungsbild ähnlicher<br />

Bau sicher geeignet ist, den transzendenten<br />

Verweischarakter zu betonen und<br />

eine größere Eindeutigkeit des Verweises<br />

zu erreichen.<br />

Schließlich zeigt sich die Aufladung von<br />

Dingen mit einer über den bloßen Nutzwert<br />

hinausgehenden ideellen Bedeutung<br />

auch in der verschiedentlich erörterten<br />

(Ecker et al. 2001, Blom 2002, Theewen<br />

1994, für Bezüge zur Architektur vgl. Nerdinger<br />

et al. 2008) Sammelleidenschaft,<br />

die zuweilen auch als säkularisierte Form<br />

des Reliquienkults – bzw. des dort zum<br />

Ausdruck kommenden Sammelns – verstanden<br />

wird. Dabei wird etwa in der Kritik<br />

Nietzsches an der historistischen Sammelleidenschaft<br />

als einer Kompensation<br />

eines Mangels an Lebenskraft (vgl. Safranski<br />

2007: 284) auch deutlich, dass dem<br />

Sammeln durchaus auch gesellschaftliche<br />

Relevanz zugeschrieben wird und es auch<br />

in einer hier nicht weiter zu vertiefenden<br />

Verbindung zu den oben angeführten Formen<br />

der „Ersatzreligion“ steht. Schließlich<br />

bestehen aber auch Interpretationen, die<br />

die Sammelleidenschaft nicht auf Museen<br />

und private Sammlungen beschränkt<br />

sehen wollen, sondern etwa auf die Ausstellung<br />

von Denkmalen, Bauwerken und<br />

Architekturen (Nerdinger 2008: 9–11) innerhalb<br />

des Stadtraums und Möglichkeiten<br />

ihrer musealen Inszenierung verweisen.<br />

Innerhalb eines solchen Verständnisses,<br />

das quasi die Stadt als „Setzkasten“ betrachtet,<br />

wären Rekonstruk tionen die verlorenen<br />

Sammlerstücke, die der Sammlung<br />

zur Ergänzung hinzugefügt werden,<br />

ebenso wie Stararchitekturen als Neuerwerbungen<br />

hinzukommen. So wie sich<br />

etwa die Renaissancefürsten Anregungen<br />

in anderen Hochkulturen und Regionen<br />

zur baulichen Ergänzung ihrer Städte<br />

und Parks holten, werden dem Stadtraum<br />

nun besondere „Schmuckstücke“ (von Saldern/Wagner-Kyora<br />

2005) hinzugefügt. Da<br />

die Originale als Unikate unwiederbringlich<br />

verloren sind, muss sich der bürgerliche<br />

Sammler ebenso mit einem Imitat<br />

begnügen, wie der Monarch zumeist lediglich<br />

eine Kopie oder ein Zitat erhielt.<br />

3.34 Erinnerungskultur und<br />

Geschichtsbilder im Wandel<br />

Vielfach ist Rekonstruktionsbefürwortern<br />

vorgeworfen worden, mit ihren Bemühungen<br />

eine „Korrektur der Geschichte“ anzustreben.<br />

Gerade in Verbindung mit während<br />

des Zweiten Weltkriegs zerstörten<br />

Gebäuden und Denkmälern – wozu die<br />

meisten (geplanten) Wiederaufbauten in<br />

Deutschland zählen – wird schnell von einer<br />

versuchten Relativierung der Zerstörungswahrnehmung<br />

und der damit verbundenen<br />

Schuldzuschreibungen mittels<br />

baulicher Gestaltung gesprochen. Wo rekonstruiert<br />

würde, seien geschichtsrevisionistische<br />

Tendenzen, ob bewusst gewollt<br />

oder nur unbewusst in Kauf genommen,<br />

und damit eine Verfälschung des nationalen<br />

Gedächtnisses nicht weit (vgl. z. B Hillmann<br />

2008: 5). Trimborn (1995, 2001) stößt<br />

sich zumal am Wiederaufbau preußischer<br />

Herrscherdenkmäler, die seines Erachtens<br />

„für bestimmte (rückwärtsgewandte) Geisteshaltungen<br />

stehen“ (1995: 176) und deshalb<br />

als „steingewordener Ausdruck einer<br />

Idee“ (1995: 178) keinen Platz mehr in einer<br />

demokratischen Gesellschaft haben sollten<br />

und auf deren Aufbau nach 1945 im<br />

Sinne der Demokratie zunächst verzichtet

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