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68 Positionen zum Wiederaufbau verlorener Bauten und Räume Forschungen Heft 143<br />

neues Phänomen, schreitet in einer Geschwindigkeit<br />

voran, die viele Menschen<br />

ratlos und orientierungslos macht. Wachsender<br />

Mobilitätsdruck schürt die Angst<br />

vor Gemeinschaftsverlust und trägt zur<br />

Auflösung von Herkunftsbindungen bei.<br />

Bekannte Orientierungsmuster (z. B. Geschlechterrollen,<br />

Vorhersehbarkeit von<br />

Biographien, Erwünschtheit von Lebensstilen)<br />

lösen sich auf und lassen die Gesellschaft<br />

bei einer „kollektiven Sinnsuche“<br />

(Korfkamp 2006) zurück. Vor allem in<br />

Ostdeutschland haben zudem die „Wende“<br />

und die damit zusammenhängenden<br />

radikalen Veränderungen in so gut wie allen<br />

Lebensbereichen große Verunsicherung<br />

und ein Gefühl des Verlusts ausgelöst.<br />

Dennoch sind in den neuen Bundesländern<br />

seit den 1990er Jahren nur einige „Hot<br />

Spots“ (im Wesentlichen Dresden, Berlin<br />

und Potsdam) entstanden, in denen die im<br />

Sozialismus zerstörten oder verfallenen<br />

Gebäude teilweise wieder hergestellt werden<br />

(vgl. Bossle 1990, Hüppauf 2007, Lipp<br />

1990, Piepmeier 1990, Wendland 2002: 183).<br />

Sehnsucht nach Heimat kann somit als<br />

Kompensation von Unsicherheit, als die<br />

auf die Zukunft gerichtete Erschaffung einer<br />

„Besänftigungslandschaft“ (Bausinger<br />

1990: 76) interpretiert werden, in der<br />

das Verlorene inszeniert wird. Damit wird<br />

Heimat einerseits zur Utopie, andererseits<br />

aber auch kommerziell sehr gut verwertbar<br />

– und zwar als Bestandteil der<br />

Kulturindustrie, in der Heimatlieder und<br />

die Darstellung alten Brauchtums einen<br />

ähnlichen Zweck wie die rekonstruierten<br />

„Fachwerkhäuschen […] vom Fließband“<br />

(Bausinger 1990: 84) erfüllen (wenn auch<br />

für unterschiedliche Zielgruppen).<br />

Es sei allerdings darauf verwiesen, dass<br />

Heimat als sozialwissenschaftlicher<br />

Schlüsselbegriff, wie er seit einigen Jahren<br />

gebraucht wird, pluralistischer geworden<br />

ist und nicht mehr zwingend als antimodern<br />

verstanden werden muss. Heimatverbundenheit<br />

stellt auch zumeist keine<br />

Gegenstrategie zur Globalisierung dar,<br />

sondern vielmehr eine Komplexität reduzierende<br />

Ergänzung – teilweise erzwingt<br />

gerade der globale Wettbewerb Hinwendungen<br />

zu lokalen Besonderheiten und<br />

Heimatverbundenheit als Distinktionsmittel<br />

(Stichwort Glokalisierung). Bossle<br />

nennt die Heimat eine „Grundbefindlich­<br />

keit im Herzen der Menschen“ (1990: 133),<br />

wobei sie sich aber längst nicht mehr nur<br />

auf einen Ort und schon gar nicht allein<br />

auf den Herkunftsort beziehen muss. Auch<br />

ortspolygame Menschen können eine oder<br />

mehrere Heimaten haben, die nebeneinander<br />

stehen oder nacheinander an verschiedenen<br />

Punkten der Biographie als solche<br />

anerkannt werden. Zu der Hinwendung<br />

zur Tradition und dem Bezug auf die Vergangenheit<br />

kommt eine aktive Mitarbeit<br />

an der zukünftigen Gestalt der heimatlichen<br />

Umgebung hinzu. Dabei ist Heimat<br />

nur noch eines von mehreren identitätsstiftenden<br />

Elementen des postmodernen<br />

Menschen und als solches weniger exklusiv<br />

geworden (vgl. Korfkamp 2006, Neumeyer<br />

1992).<br />

3.45 Konservativismus und<br />

Leitkultur (aus Phase 1)<br />

Die gesellschaftliche Globalisierung führt<br />

zum verstärkten Import kulturwirtschaftlicher<br />

Güter. Dieser wird umso deutlicher,<br />

je mehr ein erweiterter Kulturbegriff auch<br />

Konsumgegenstände und „Lebensweisen“<br />

mit einschließt, bei dem Kritiker von einer<br />

(De-)Formation des lokalen und regionalen<br />

kulturellen Ausdrucks ausgehen.<br />

Kulturpolitik hat sich damit auseinanderzusetzen.<br />

Die traditionellen Institutionen<br />

der Kulturpolitik und zivilgesellschaftliche<br />

Organisationen beachten jedoch in<br />

der Regel nicht mit der Überprägung von<br />

„Lebensweise“ und Konsum auseinander,<br />

sondern setzen sich vor allem mit den ökonomischen<br />

Auswirkungen von drohenden<br />

Mittelkürzungen sowie mit den Chancen<br />

der Kulturproduktion auseinander. Entsprechend<br />

wird hier die „Bedrohung“ einer<br />

globalen Homogenisierung und Standardisierung<br />

weit weniger wahrgenommen<br />

und stattdessen häufig von einer Neuentdeckung<br />

des Lokalen in der „Glokalisierung“<br />

ausgegangen (Fuchs 2003).<br />

In der Architektur als Kulturprodukt mit<br />

Nutzwert sind die internatonalen und interlokalen<br />

Angleichungstendenzen weit<br />

stärker zu spüren als in anderen Kunstrichtungen,<br />

in denen das Internationale<br />

eher als Einfluss oder Ergänzung angesehen<br />

werden kann. Der Weltmarkt der<br />

Star-Architekturen ist hingegen von einer<br />

kleinen Zahl international agierender Architekturbüros<br />

geprägt, die abgesehen von

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