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Wiederaufbauprozesse: Zentrale Einflussfaktoren<br />

89<br />

Hierin deutet sich das wesentliche Argument<br />

Lootsmas (2008) bereits an, dass<br />

Postmoderne und populistische Rhetorik<br />

verschmelzen. Der Populismus profitiere<br />

teilweise von der (architektonischen)<br />

Postmoderne, und seine Ergebnisse könnten<br />

daher sowohl postmodern – und damit<br />

zeitgenössisch – oder historisierend sein.<br />

So erkennt er auch die moderne Großwohnsiedlung<br />

als „gemeinsames Feindbild“<br />

beider Strömungen, die sich beide<br />

gegen die Moderne richteten: entweder als<br />

Architektur in entfremdetster Form oder<br />

als Zeichen staatlichen Bauens. Entsprechend<br />

seiner weitgehenden Gleichsetzung<br />

von Populismus und Liberalisierung ist<br />

seine Bewertung dieser Entwicklung weit<br />

negativer als die de Bruyns (2003). Dieser<br />

sieht im „Pop […] die Demokratisierung<br />

des Konsums: Der Käufer soll Mitspracherecht<br />

erhalten in der Gestaltung einer Lebenswelt,<br />

die im Ganzen Warencharakter<br />

annimmt. Er amputiert bloß den pädagogischen<br />

Zeigefinger der Lebensreformer,<br />

der im expandierenden Reich des Konsums<br />

nichts mehr zu melden hat.“ Dahingegen<br />

spricht Lootsma (2008) von einem<br />

Marktpopulismus, der letztlich einer kleinen<br />

Finanzelite diene und auch von ihr erund<br />

Stadtplanung Lieblingsthemen populistischer<br />

Politiker seien. Während Populismusvorwürfe<br />

in der Architektur zumeist<br />

darauf abzielen, ein Architektin appelliere<br />

an das vermeintliche Schönheitsgefühl der<br />

Menschen (vgl. die Einleitung zu de Bruyn<br />

2003), geht Lootsma (2008) allerdings davon<br />

aus, dass es dabei weniger um Architekturstile<br />

als um die Freiheiten des Bauherren<br />

gehe. Populistische Politik spreche<br />

im Kern davon, dem Bauherrn das Recht<br />

einzuräumen zu bauen, was er wolle, um<br />

sein Eigentum frei gestalten zu können.<br />

Damit werden zumindest zwei mögliche<br />

dezidierte Verbindungen von Architektur<br />

– im Weiteren aber auch von Städtebau<br />

und räumlicher Entwicklung – und populistischen<br />

Tendenzen der Gesellschaft beschrieben:<br />

einerseits die Orientierung des<br />

Baugeschehens am (ästhetischen) Massengeschmack<br />

im Sinne einer Populärkultur,<br />

andererseits eine stärker der Populismusauffassung<br />

Priesters (2007) entsprechende<br />

Verschränkung von postmoderner, zum<br />

Teil historisierender Architektur und anti-modernen<br />

Haltungen des Liberalismus.<br />

Schließlich sind Architektur und Städtebau<br />

durch öffentliches Bauwesen und (lokal-)<br />

staatliche Planung in erheblichem Maße<br />

von politischen Entscheidungen abhängig,<br />

die den beschriebenen populistischen<br />

Tendenzen unterliegen. Daraus folgt, dass<br />

sie sowohl bauliche Symbole und damit<br />

Medien eines populistischen Politikstils<br />

sein können und als symbolische Handlung<br />

dienen können, wie sie auch zum Inhalt<br />

populistischer Politik werden, die für<br />

oder gegen ein bestimmtes Bauwerk, eine<br />

Planung oder Gestaltung agitiert. Dies betrifft<br />

zunächst öffentliche Bauten, dann<br />

aber durch Planungshoheit und Genehmigungstätigkeit<br />

auch privatfinanziertes<br />

Bauen. Von besonderer Bedeutung für die<br />

Rekonstruktionsdebatte sind Fälle, in den<br />

„das Volk“ im Sinne einer zivilgesellschaftlichen<br />

Organisation und Spendenfinanzierung<br />

zum Bauherrn wird. Allerdings soll<br />

auf diesen Komplex ausführlich erst im<br />

Zusammenhang mit den Wiederaufbauvorhaben<br />

erläutert werden.<br />

Anders als viele andere Architekturtheoretiker<br />

kritisiert de Bruyn (2003) die zunehmende<br />

Popularisierung der Architektur<br />

nicht, sondern erhofft sich darin eine<br />

„frische, modernen Lebensformen entspringende<br />

Quelle der ästhetischen Vor­<br />

stellungskraft“. Allerdings verweist er darauf,<br />

dass die Architekten der Moderne sich<br />

entschieden gegen eine populistische Orientierung<br />

am Volkswillen ausgesprochen<br />

hätten und stattdessen im krassen Kontrast<br />

gar auf die Erschaffung eines „neuen<br />

Menschen“ als Bewohner und Nutzer ihrer<br />

Gebäude gesetzt hätten. Dabei habe schon<br />

Otto Wagner 1896 auf die Diskrepanz zwischen<br />

Experten- und Massengeschmack<br />

als dem gesellschaftlichen Konflikt zwischen<br />

Stil und Mode verwiesen und anstelle<br />

einer Erziehung der Allgemeinheit<br />

eine Orientierung an deren „Feingefühl“<br />

für Mode gefordert. Den damaligen Jugendstil<br />

wertet er als Vorboten des Pop<br />

und gewissermaßen populistischen Rekurs<br />

auf die Volkstümlichkeit. De Bruyn<br />

sieht dies als Vorgriff auf die Partizipationsdebatte<br />

der 1970er Jahre. Die damals<br />

aufkommende Forderung nach Partizipation<br />

und „Entmachtung des Expertengeschmacks<br />

zugunsten der ästhetischen<br />

‚Vorlieben wirtschaftlich eingeschränkter<br />

Gruppen‘“ (Denise Scott Brown 1971) habe<br />

gegen moderne Architekten durchgesetzt<br />

werden müssen.

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