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18 Positionen zum Wiederaufbau verlorener Bauten und Räume Forschungen Heft 143<br />

Obwohl in der Auseinandersetzung zwischen<br />

Viollet-le-Duc und Ruskin sich<br />

schließlich der letztere angesichts der Kritik<br />

an Verfälschungen durchsetzt, die<br />

dem romantischen Geist entsprungen<br />

sind, zeigt sich doch, dass zwei sehr unterschiedliche,<br />

aber in sich bis zu einem gewissen<br />

Grad konsistente Haltungen zur<br />

Denkmalpflege diese beinahe von Anbeginn<br />

prägten. Für die heutige Rekonstruktionsdebatte<br />

ist dabei weniger ausschlaggebend,<br />

dass im 19. Jahrhundert<br />

bestimmte Akteure für Restaurierungen<br />

eintraten. Das könnte noch als vorwissenschaftliches<br />

Verständnis der Denkmalpflege<br />

abgetan werden. Interessanter<br />

ist die Tatsache, dass Viollet-le-Duc einen<br />

konsequenten Konstruktivismus vertritt,<br />

der einen Vorläufer heutiger Positionen<br />

darstellt, die einen hochkarätigen Entwurf<br />

auch dem Entstehungskontext entrissen<br />

für „baubar“ halten, weil sich in ihm<br />

die Genialität des Entwerfers bzw. dessen<br />

großes Verständnis für konstruktive Herausforderungen<br />

spiegele. Ein solches Verständnis<br />

ist sogar unter Architekten vorzufinden,<br />

etwa wenn sie sich heute für den<br />

Wiederaufbau der Schinkelschen Bauakademie<br />

wegen deren wegweisenden Entwurfs<br />

einsetzen. Die Haltung widerspricht<br />

nicht unbedingt der Forderung nach einer<br />

unverfälschten Pflege der Substanz, wenn<br />

der Wiederaufbau lediglich dann zur Ausführung<br />

kommt, wenn der Ursprungsbau<br />

völlig verschwunden ist. In der Auseinandersetzung<br />

darüber, wie genau tatsächlich<br />

die historischen Techniken ausgeführt<br />

werden können, entscheidet sich, wie stark<br />

„verfälschend“ die zweite Ausführung<br />

dann ist. Versteht man allerdings architektonische<br />

Entwürfe als eigenständige Werke<br />

abgelöst von ihrem Kontext, dann lassen<br />

sie sich wie ein Musikstück von einer<br />

geschriebenen Partitur mehrfach spielen<br />

(und sogar unterschiedlich interpretieren).<br />

Diese Dekontextualisierung lässt sich allerdings<br />

in der Architektur nicht völlig folgenlos<br />

durchführen. Dennoch erscheint es<br />

einer kulturell-intersubjektiven Verständigung<br />

zugänglich, wie ein solcher Vorgang<br />

zu bewerten ist.<br />

Letztlich war es aber ausgerechnet die<br />

Debatte über eine mögliche Rekonstruktion<br />

des Heidelberger Schlosses, die die<br />

genannte Kontroverse um die Denkmalpflege<br />

in Deutschland im ausgehenden 19.<br />

Jahrhundert eskalieren ließ und schließlich<br />

eine Entscheidung brachte, die für die<br />

schöpferische Denkmalpflege eine empfindliche<br />

Niederlage und den Beginn einer<br />

allmählichen Ablösung durch das Primat<br />

der Pflege der historischen Substanz bedeutete.<br />

Das während der kurpfälzischen<br />

Erbfolgekriege in den Jahren 1688 und<br />

1693 zerstörte Heidelberger Schloss war<br />

fast zweihundert Jahre später, ab 1868, Gegenstand<br />

der bis heute zentralen denkmalpflegerischen<br />

Diskussion um den Wiederaufbau<br />

zerstörter Kulturgüter. In Form des<br />

berühmten Gebots „Konservieren, nicht<br />

restaurieren“ von John Ruskin und Hermann<br />

Grotefend sowie später Georg Dehio<br />

findet die wissenschaftliche Denkmalpflege<br />

ihre bis heute gültige, wenngleich vermehrt<br />

kritisierte professionsethische Fundierung.<br />

Allerdings ist die Auseinandersetzung<br />

nicht auf eine so kurze Zeitspanne begrenzt,<br />

wie dies anhand der wesentlichen<br />

Vorhaben (Schloss Heidelberg, Dresdner<br />

Kreuzkirche, St. Michaeliskirche in Hamburg)<br />

den Anschein hat. Vielmehr bestehen<br />

Verbindungen nicht nur zur denkmalpflegerischen<br />

Auseinandersetzung<br />

mit dem Historismus, sondern auch zu<br />

mit ihm sicherlich in Beziehung stehenden<br />

Wiederaufbauten, die im Laufe des<br />

19. Jahrhunderts innerhalb des Deutschen<br />

Reiches entstanden. Dazu gehört insbesondere<br />

eine Reihe Nachbauten mittelalterlicher<br />

Herrschaftssitze, etwa die Burgen<br />

Rheineck (ab 1832; vgl. Rausch 1955) und<br />

Sooneck (1843 bis 1861; Fuhr 2002) im Mittelrheintal,<br />

die beide im Pfälzischen Erbfolgekrieg<br />

und damit rund 150 Jahre vor<br />

ihrer Wiedererrichtung zerstört worden<br />

waren. Die Geschichte der Burg Dankwarderode<br />

(Wex 1992) in Braunschweig mutet<br />

hingegen fast zeitgenössisch an. Nach einem<br />

Brand im Jahr 1873 sollte ihre Ruine<br />

zunächst dem Straßenbau weichen, doch<br />

führten Bürgerproteste zu einem Wiederaufbau<br />

zwischen 1887 und 1906, der allerdings<br />

nicht wie der letzte Zustand im Stil<br />

der Renaissance, sondern neoromanisch<br />

unter Rekonstruktion des mittelalterlichen<br />

Grundrisses und Verwendung historistischer<br />

Neuprägungen erfolgte. Nach<br />

einer teilweisen Zerstörung im Zweiten<br />

Weltkrieg orientierte sich der schrittweise<br />

erfolgte und erst mit der Rekonstrukdes<br />

Rittersaals 1991 beendete Wiederaufbau

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