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Gesellschaftliche Rahmenbedingungen und Hintergründe<br />

39<br />

dungskraft, die auf spielerische Weise die<br />

Welt neu erfindet. Eine, politisch gesehen,<br />

lediglich geistige Welt. […] Die Romantik<br />

war Handlungsersatz.“ (Greiner 2007) Diese<br />

Passivität und Reduktion – für Müller<br />

(2007) Verkürzung – auf das Innenleben<br />

bzw. auf „theoretische und ästhetische Inneneinrichtung<br />

des romantischen Menschen“<br />

liegt auch in den gesellschaftlichen<br />

Verhältnissen der Entstehungszeit begründet<br />

und kann als Argument für eine Besonderheit<br />

der deutschen Romantik angesehen<br />

werden: „Wenn es an einer äußeren<br />

großen Welt mangelt, so erzeugt man sie<br />

sich lieber selber aus Bordmitteln.“ (Safranski<br />

2007, zit in. Greiner 2007)<br />

Dieser Beschreibung des auf die Realität<br />

bezogen passiven, auf das Geistige beschränkten<br />

Kerns der Romantik erscheint<br />

dem Grundgedanken der Rekonstruktion,<br />

als der aktiven Erzeugung einer materiellen<br />

Gegenwart, um einen gefühlten Mangel<br />

zu beseitigen, direkt entgegen zu stehen,<br />

solange man nicht die Architektur<br />

darauf beschränkt, ähnlich einem Roman<br />

ein Medium für den Ausdruck einer geistigen<br />

Haltung zu sein. Allerdings gibt es<br />

begründete Zweifel ob dieser Begrenzung,<br />

auch wenn sie lediglich für die Hochphase<br />

angeführt wird. So betont Lützeler (2007)<br />

die von Safranski durchaus erwähnte Unterstützung<br />

nationalistischer und auch antijüdischer<br />

Positionen durch mehrere Vertreter<br />

der Romantik – also eine politische<br />

Aktivität, die durchaus Veränderungen im<br />

Hier und Jetzt zu bewirken sucht. Schwärmereien<br />

und Tagträumertum mag innerhalb<br />

des gesellschaftlichen Kontexts wiederum<br />

auch als bewusste Verweigerung<br />

zur bürgerlichen Leitkultur der Zeit, die<br />

offene Opposition zudem nicht duldete,<br />

angesehen werden. Die Frage allerdings,<br />

ob die Romantik des 19. Jahrhunderts in<br />

Verbindung mit einem primär zeitgenössischen<br />

Phänomen stehe, erscheint letztlich<br />

aufgrund des stets beachtlichen Kontexts<br />

ohnehin müßig. Insofern bleibt im<br />

Folgenden ohnehin nur die Klärung, inwieweit<br />

der aus dieser Epoche verbliebene,<br />

seitdem aber beständig gewandelte Sinn<br />

für „das Romantische“ mit der Rekonstruktionswelle<br />

in Zusammenhang zu bringen<br />

ist.<br />

Das Romantische als „eine allgemeine Einstellung,<br />

einen Lebensstil, eine Ideologie<br />

[… und] Weltanschauung“ (Lützeler 2007)<br />

hingegen ist für Safranski (2007: 13) noch<br />

immer am besten durch Novalis (1798)<br />

umrissen: „Indem ich dem Gemeinen einen<br />

hohen Sinn, dem Gewöhnlichen ein<br />

geheimnisvolles Ansehen, dem Bekannten<br />

die Würde des Unbekannten, dem Endlichen<br />

einen unendlichen Schein gebe, so<br />

romantisiere ich es.“ Ein solches Romantisieren<br />

lässt sich in Vielem entdecken, auch<br />

wenn dies im Einzelnen durchaus widersprüchlich<br />

erscheint: unpolitische Weltfremdheit,<br />

Irrationalismus, Mystik und<br />

Mythos, Introvertiertheit und Liebestod,<br />

aber auch Abenteuerlust, Weltgewandtheit,<br />

Naturalismus und Quietismus oder eben<br />

Massenwahn und die Bewährung im Krieg<br />

(vgl. Lützeler 2007). Gerade diese letztere<br />

„Mutation ins Politische“ (Greiner 2007)<br />

führt dazu, dass „das Romantische“ ausgehend<br />

von der Romantik in nahezu allen<br />

nachfolgenden Epochen identifizierbar<br />

wird: Angefangen bei Heine, Marx, Wagner<br />

und Nietzsche, über die Jugendbewegung,<br />

im Wilhelminismus und der „Idee<br />

von 1914“, bei Ernst Jünger, Heidegger, Hitler<br />

oder Thomas Mann (vgl. Lützeler 2007).<br />

Diese Breite führt zu erheblichen Problemen<br />

bei der Abgrenzung bis hin zu Widersprüchen<br />

gegenüber der Epoche der Romantik.<br />

So weist Lützeler (2007) darauf<br />

hin, dass Safranski zwar die „romantische<br />

Geisteshaltung“ Hitlers anführe, gleichzeitig<br />

aber den Bezug des Nationalsozialismus<br />

zu Aufklärung, technischer Rationalisierung<br />

und Disziplinierung – letztlich<br />

also Modernisierung – verkenne, die etwa<br />

den von den Romantikern des Jenaer Kreises<br />

konstruierten „modernitätskritischen<br />

Theorien“ (Koch 2007) deutlich zuwiderlaufen.<br />

Während die ursprüngliche Romantik<br />

aus der Kritik am modernistischen<br />

– wenngleich in Deutschland noch vor-industriellen<br />

– Zeitgeist einen Rückgriff auf<br />

die Vergangenheit vornahm bzw. historische<br />

Formen idealisierte, wurde der „romantische“<br />

Rückgriff nachfolgend parallel<br />

zur Modernisierung verwendet, um<br />

deren negative Auswirkungen bzw. ihre<br />

Wahrnehmung zu begrenzen. Dabei ging<br />

es zum einen weiterhin um die individuelle<br />

Flucht aus der unzulänglichen, nicht<br />

erträglichen, aber nicht offen kritisierten<br />

Gegenwart im Sinne eines „Balsams<br />

für die Seele“ (vgl. oben zu Kitsch) bzw. eines<br />

ersatzreligiösen (vgl. unten) „Opiums

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