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40 Positionen zum Wiederaufbau verlorener Bauten und Räume Forschungen Heft 143<br />

des Volkes“, wie dies für den Biedermeier<br />

zu konstatieren ist. Anzumerken bleibt,<br />

dass das „fliehende“ Volk selber – zumindest<br />

innerhalb des Bürgertums – etwa bei<br />

der Stadtproduktion einen erheblichen eigenen<br />

Anteil an der Modernisierung hatte<br />

und letztlich zu großen Teilen davon profitierte.<br />

Zum anderen wurde die „romantische<br />

Idee“ durch die wesentlichen Treiber<br />

der Modernisierung – quasi im Sinne<br />

von „Opium für das Volk“ – genutzt, um<br />

von den damit verbunden Unsicherheiten<br />

und Ängsten sowie ihren negativen Folgen<br />

abzulenken, oder sogar (politisch) instrumentalisiert,<br />

um Modernisierung durchzusetzen<br />

(etwa die Romantisierung des<br />

Heldentums als Kriegstreiber, das Fernweh<br />

zum Ausbau der Verkehrsinfrastruktur<br />

oder der Traum von der romantischen<br />

Natur als Argument für Verstädterung).<br />

Bei aller Kritik an seinem notwendig knappen<br />

Abriss und didaktischer (vgl. Koch<br />

2007) Verkürzung eines wesentlichen Bestandteils<br />

der europäischen Geistesgeschichte<br />

ist Safranskis Darstellung des<br />

„Romantischen“ doch geeignet, ein wesentliches<br />

Moment der Debatte um Rekonstruktion<br />

zu reflektieren: Während der<br />

ursprünglich romantische Geist auf eine<br />

Vollkommenheit im Inneren abzielt und<br />

die Ästhetik insofern auf eine abstrakte<br />

Ebene zu heben vermag, ist es möglich,<br />

diesen romantischen Sinn so zu verfremden,<br />

zu verallgemeinern und letztlich auch<br />

zu pervertieren, dass er eine Übersetzung<br />

innerer ästhetischer Werte und Phantasien<br />

in die Realität verlangt – anstelle sehnsüchtig<br />

von der Vergangenheit zu träumen,<br />

wird diese aus Holz, Stein und teilweise<br />

auch Beton produziert und damit zum<br />

Teil der gegenwärtigen Wirklichkeit. So hat<br />

die Geschichte des Romantischen gezeigt,<br />

dass es möglich ist, die romantische Verklärung<br />

des Alten, Erhabenen, auch Religiösen<br />

oder Nationalen aktiv zu wenden und<br />

für Tradition, Heimat und Vaterland mit<br />

den Mitteln der Politik wie auch des Bauwesens<br />

(vgl. Historismus und Heimatstil)<br />

einzusetzen. Eine solche aktive Wendung<br />

stellt auch die insofern pragmatische Forderung<br />

(vgl. Seyfarth 2009) nach Wiederherstellung<br />

dar. Im Sinne des Biedermeier<br />

kann dies aus einer kritischen Haltung zur<br />

Modernisierung und einem „romantisch“<br />

verklärenden und sich zum Teil selbst belügenden<br />

Festhalten an traditionellen Wer­<br />

ten und Geschmacksmustern erfolgen. Es<br />

kann aber auch der Verschleierung eigener<br />

Modernisierungsabsichten mit „romantischen“<br />

Mitteln dienen. Dann spätestens<br />

stände die „romantische“ Idee der Rekonstruktion<br />

der häufig gefährlichen Verkehrung<br />

des romantischen Gedankens ins Politische<br />

näher als der letztlich fruchtlosen,<br />

selbstgenügsamen „Vergangenheitssehnsucht“<br />

(Greiner 2007) und dem Individualismus<br />

(Safranski 2007: 25, Oschmann<br />

2008: 3) der frühen Romantiker, wie sie<br />

etwa in der „Erfindung“ des geschichtlichen<br />

Denkens durch Herder (Safranski<br />

2007: 23, vgl. Oschmann 2008: 3) zum Ausdruck<br />

kommen.<br />

Hinzu kommt, dass seit der Epoche der Romantik<br />

stets Anhänger des romantischen<br />

Gedankens – bzw. ihrer Interpreta tion eines<br />

solchen – existieren, die „das Romantische“<br />

zugleich gegen Übergriffigkeit und<br />

Vulgarisierung zu schützen versuchten.<br />

Safranski (2007: 292–294) schildert dies<br />

deutlich für Nietzsche, der das Romantische<br />

mit dem Dionysischen gleichsetzte<br />

und es gleichzeitig gegen christliche Vereinnahmung<br />

sowie den Realismus und<br />

Materialismus der Zeit zu verteidigen versuchte.<br />

Nietzsche sah seine Zeitgenossen<br />

demnach als der Wirklichkeit unterwürfig<br />

an: Die biedermeierliche, kleinmütige<br />

Ehrfurcht vor dem Tatsächlichen, vor dem<br />

wissenschaftlichen und technischen Fortschritt<br />

steht im Kern seiner Kritik. „Dieser<br />

Realismus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts<br />

wird das Kunststück fertig bringen,<br />

klein vom Menschen zu denken und<br />

doch Großes [, die moderne, wissenschaftliche<br />

Zivilisation,] mit ihm anzufangen.“<br />

(Safranski 2007: 279; vgl. 278–280) Alles<br />

Phantastische war der Zeit hingegen zuwider.<br />

So lehnte Nietzsche eben aus seiner<br />

der Romantik entlehnten absoluten Ästhetik<br />

und Ablehnung jeglicher „Vergemütlichung“<br />

heraus auch den die Epoche zunehmend<br />

dominierenden Historismus ab.<br />

„Der Historismus blickte auf die Geschichte<br />

zurück, um sich ins Bewusstsein [sic!]<br />

zu holen, wie herrlich weit man es doch<br />

gebracht habe. Zugleich aber galt es, eine<br />

Unsicherheit im Lebensgefühl und im Stil<br />

zu kompensieren. Man wusste [sic!] doch<br />

nicht so genau, wer man war und worauf<br />

man hinauswollte. Und so verband sich<br />

dieser Historismus auch mit der Lust am

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