PDF-Download - Newsletter Urbane Transformationen
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Gesellschaftliche Rahmenbedingungen und Hintergründe<br />
59<br />
Dort, wo der Wunsch nach Wiederaufbau<br />
verlorener historischer Gebäudesubstanz<br />
realisiert wird, steht er daher<br />
auch in Zusammenhang mit einer neuen<br />
Hinwendung zu traditionellen Zentren<br />
und insbesondere der Innenstadt als<br />
Orte der Repräsentanz und Selbstdarstellung<br />
der Stadtgesellschaft, wirtschaftlicher<br />
Leistungsfähigkeit und touristischer<br />
Städtekonkurrenz. So ist die „Renaissance<br />
der Mitte“ nicht nur ein Gegenmittel<br />
zu den durch Suburbanisierung entstehenden<br />
Zersiedlungsproblem, sondern<br />
die vielleicht einzige (Sigel 2006: 19) Möglichkeit,<br />
regionale Eigenheit zu vermitteln.<br />
Solche Vorhaben sind entsprechend<br />
Teil einer auf Nutzung und Erleben hin<br />
orientierten Inszenierung eines städtischen<br />
Teilraums (vgl. Wilhelm 2005). Diese<br />
auf Außenwirksamkeit und Verwertungsinteressen<br />
gerichtete Reproduktion<br />
von „Urbanität“, die zwar Bilder, Bauten<br />
und städtebauliche Formationen der verloren<br />
gegangen „Alten Stadt“ nutzt, im Ergebnis<br />
allerdings wenig mit der von vielen<br />
bürgerlichen Wiederaufbau-Initiativen<br />
propagierten Sehnsucht nach der Wiedernur<br />
in Städten mit starker Kriegszerstörung<br />
entstanden sind. Andererseits wurde<br />
im Rahmen der Modernisierung durch<br />
die Einrichtung neuer Verkehrstrassen,<br />
die weit gehende Funktionstrennung einschließlich<br />
fortschreitender City-Bildung<br />
und veränderte Nutzergewohnheiten das<br />
gesamte städtische Gefüge verändert. So<br />
sind es nicht nur die funktionalistischen<br />
Bauten der Nachkriegsmoderne, die häufig<br />
als Störstelle im Stadtbild wahrgenommen<br />
werden, sondern wird immer wieder<br />
auch die Qualität öffentlicher Räume kritisiert.<br />
Doch sind es lediglich einige Bauwerke<br />
und Ensembles, die mittlerweile Gegenstand<br />
eines eigenen – im Wesentlichen<br />
auf eine Fachöffentlichkeit beschränkten –<br />
Retro-Trends geworden sind.<br />
So wird auch der Wunsch nach Wiederherstellung<br />
traditioneller Stadtbildelemente<br />
in Teilen mit der Kritik an der durch Städtebau<br />
und Architektur der Nachkriegsmoderne<br />
eingetretenen „Unwirtlichkeit“<br />
(Mitscherlich 1965) der Städte begründet.<br />
(Vgl. etwa Nerdinger 2008: 19–20; Beyme<br />
1989: 36–38) Dabei wurde bereits in frühen<br />
Phasen dieser kritischen Auseinandersetzung<br />
mit den Modernisierungsfolgen die<br />
„alte Stadt“, die der „modernen“ hatte weichen<br />
müssen, als Maß angenommen und<br />
entwickelte sich daraus das erneuerte Leitbild<br />
einer „Europäischen Stadt“ (vgl. etwa<br />
Siebel 2004). Die Gleichsetzung städtebaulicher<br />
Struktur mit zum Teil auf die Wiederherstellung<br />
von Fassaden beschränkten<br />
Rekonstruktionen ist darin allerdings<br />
nicht vorgegeben, stellt jedoch eine gewissermaßen<br />
stimmige Fortsetzung dar – jedenfalls<br />
solange die Wiederherstellung<br />
schmucker Fassaden nicht die Rückkehr<br />
zu umfassenderen, städtebaulichen Strukturen<br />
ersetzt. Haubrich (2007; Zit. in Nerdinger<br />
2008: 20) geht soweit, von einer allgemeinen<br />
Sehnsucht nach Baukunst zu<br />
sprechen, die von Architektur und Stadtplanung<br />
der Moderne nur durch „kühle[...]<br />
Rationalität oder oberflächliche[...] Effekthascherei“<br />
beantwortet worden wäre. „Wären<br />
unsere wieder aufgebauten Innenstädte<br />
ein Wunder an Ästhetik und Sensibilität,<br />
würde sich kaum jemand für die einstigen<br />
Bauten der Feudalgesellschaft interessieren.“<br />
Dabei sieht Sigel (2006: 20) bereits im Europäischen<br />
Denkmalschutzjahr von 1975<br />
um Erhalt als auch Wiedergewinnung urbaner<br />
Identität, beförderte es doch einen<br />
breitenwirksamen Paradigmenwechsel,<br />
der nicht nur eine veränderte Sichtweise<br />
innerhalb der öffentlichen Auseinandersetzung<br />
um Stadt und Geschichte erbrachte,<br />
sondern ebenso zu einer veränderten<br />
Wertigkeit von Stadtgestaltung und<br />
-wahrnehmung gegenüber funktionellen<br />
Kriterien bedeutete. Sie hatten in der<br />
nun zu überwiegenden Teilen abgeschlossenen<br />
Phase des Nachkriegswiederaufbaus<br />
und der Stadtmodernisierung durch<br />
Schaffung leistungsfähiger Infrastrukturen<br />
hinten anstehen müssen. Die auf eine<br />
bestimmte Zeitschicht bezogen restaurierten<br />
Fassaden überdeckten die komplexe<br />
und vielschichtige historische Substanz<br />
(ebd.). Hier führte die Hinwendung<br />
zum geschichtlichen Erbe dabei bereits<br />
mit der Bedeutungszunahme des nun vermehrt<br />
auch städtebaulich ausgerichteten<br />
Denkmalschutz zu einer selektiven Geschichtsbetrachtung<br />
und Aufladung historischer<br />
Bauten als städtische Wahrzeichen,<br />
die nachfolgend zunehmend in moderner<br />
Imagepolitik vermarktet werden konnten<br />
(Vgl. von Saldern 2006: 32).