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98 Positionen zum Wiederaufbau verlorener Bauten und Räume Forschungen Heft 143<br />

geschrieben wird, ist die, ein „schönes“<br />

Gebäude, einen visuell anregenden Stadtraum<br />

oder eine „gemütliche“ Atmosphäre<br />

zu erzeugen. „Schönheit“ und „Gemütlichkeit“<br />

besitzen dabei in der Regel auch<br />

eine vergleichende Dimension: Nicht nur<br />

„unser Dorf soll schöner werden“, auch die<br />

eigene Stadt, zumal ihre „gute Stube“ soll<br />

mindestens ebenso schön sein wie in der<br />

Nachbarstadt, in Urlaubsorten und Tourismusdestinationen<br />

(man beachte das<br />

insgesamt gestiegene Reiseverhalten und<br />

insbesondere die Zunahme des Städtetourismus)<br />

oder in sonstigen „Referenzstädten“<br />

–, vor allem aber soll es genauso schön<br />

werden, wie es entsprechend der heute<br />

fast nur noch medialen Vermittlung nach<br />

früher – also vor der Zerstörung – einmal<br />

war. Schließlich ist besondere Schönheit<br />

auch ein Auswahlkriterium für Wiederaufbauvorhaben.<br />

Dies kann mit einem Argument<br />

besonderer kunsthistorischer Bedeutung<br />

einhergehen – wie etwa in Wesel,<br />

wo es sich einst um das „schönste Rathaus<br />

am Niederrhein“ (Bürgerinitiative Historisches<br />

Rathaus Wesel 2008) gehandelt haben<br />

soll, oder bei verschiedenen, von der<br />

historischen Bedeutung zunächst gleichwertigen<br />

Gebäuden geschehen (vgl. die<br />

Leitbautenstrategie am Dresdner Neumarkt<br />

oder die Auswahl von zu rekonstruierenden<br />

Altstadthäusern im Frankfurter<br />

Dom-Römer-Areal).<br />

Seine Komplexität bezieht die Schönheitsfunktion<br />

einerseits durch die sozialpsychologische<br />

Erkenntnis, dass „Schönheit“<br />

von einzelnen Individuen und Gruppen<br />

stets in Abhängigkeit von psychogenetisch<br />

bzw. gesellschaftlich geprägten<br />

Wertvorstellungen definiert wird und somit<br />

niemals als absolute Kategorie begriffen<br />

werden kann. Andererseits führt<br />

die Überlagerung mit dem Begriff der Ästhetik<br />

als philosophische Disziplin dazu,<br />

dass Schönheit oftmals nicht als Eigenschaft<br />

der Objekte, sondern als rationale<br />

Wertung betrachtet und dabei wie etwa in<br />

Kants Kritik der Urteilskraft als „interesseloses<br />

Wohlgefallen“ jenseits dem Wohlgefallen<br />

am Guten oder Angenehmen besteht.<br />

Daraus entsteht schließlich auch<br />

eine kritische Haltung zu Schönheit durch<br />

die Kunst, die sich spätestens seit der<br />

Moderne vom „Schöngemachten“, „Geschmeichelten“<br />

und „Unwahren“ emanzipiert<br />

hat. In ähnlicher Weise könnte auch<br />

auf die Schwierigkeit des Begriffs der „Gemütlichkeit“<br />

eingegangen werden (vgl.<br />

etwa Akbar 16.10.2008 in BMVBS 2009).<br />

An dieser Stelle ist insofern eine Begrenzung<br />

erforderlich, als das Verlangen nach<br />

„Schönheit“ oder „Gemütlichkeit“, das im<br />

Zusammenhang mit Wiederaufbauvorhaben<br />

von einer Bevölkerungsgruppe geäußert<br />

wird und zu dessen Erfüllung die Rekonstruktion<br />

eines verlorenes Bauwerks<br />

beitragen soll, unabhängig von einer harten<br />

Definition dieser Begriffe besteht und<br />

entsprechend einer umgangssprachlichen<br />

Verwendung im Sinne von angenehm, ansprechend,<br />

anziehend oder dekorativ bzw.<br />

behaglich, heimelig und idyllisch zu verstehen<br />

ist. Gleichwohl bestehen innerhalb<br />

lokaler Debatten auch Versuche, dieses individuelle<br />

Schönheitsempfinden zu verallgemeinern<br />

oder durch objektive Bauwerkseigenschaft,<br />

etwa eine bessere Einfügung<br />

in den baulichen Bestand, eine größere<br />

Heterogenität und Komplexität der Fassadengestaltung<br />

oder die Verwendung wertvoller<br />

Materialien zu begründen.<br />

Damit stellt sich an dieser Stelle insbesondere<br />

die Frage, warum ausgerechnet Rekonstruktionen<br />

als rückwärts gewandte<br />

Bilder von einem Teil der Bevölkerung als<br />

„schön“ angesehen werden, obwohl sie gerade<br />

nicht dem „Glanz der Wahrheit“ entsprechen,<br />

als dessen Ausdruck in der klassischen<br />

Philosophie Schönheit galt. Mit<br />

Verweis auf die vorangegangenen gesellschaftlichen<br />

Rahmenbedingungen lassen<br />

sich dafür verschiedene, miteinander verknüpfte<br />

Erklärungen anführen:<br />

• Die durch den Individualisierungstrend<br />

voran getriebene Fragmentierung<br />

der Gesellschaft ermöglicht eine individuelle<br />

Entscheidung von Personen und<br />

Gruppen darüber, was sie als „schön“<br />

betrachten. Damit ist ganz grundsätzlich<br />

auch der Rückgriff auf vergangene<br />

Formen und Schönheitsvorstellungen<br />

möglich. Dabei gewinnt Rekonstruktion<br />

nicht nur aufgrund der visuellen Attraktivität<br />

für unterschiedliche Milieus<br />

bzw. Geschmacksgruppen an Bedeutung,<br />

sondern kann nicht zuletzt aufgrund<br />

des prozessualen Charakters zugleich<br />

auch als ein „Event schlechthin“<br />

(Kerkhoff 2008) innerhalb der Erlebnisgesellschaft<br />

angesehen werden. Hierin<br />

deutet sich bereits an, dass die ästhetische<br />

Funktion der „Schönheit“ auch

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