PDF-Download - Newsletter Urbane Transformationen
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244 Positionen zum Wiederaufbau verlorener Bauten und Räume Forschungen Heft 143<br />
Rekonstruktionsvorhaben zu ihrem Projekt<br />
machen, argumentativ die anderen<br />
Akteure vor sich her zu treiben. Im Wesentlichen<br />
sind drei Konstellationen denkbar,<br />
die bürgerschaftliche, die mäzenatische<br />
und die investorengetragene (eine<br />
vierte „stadtpolitische“ ist eher selten und<br />
tritt kaum autonom auf). Die erste setzt<br />
auf Kategorien wie Schönheit, Heilung<br />
und Erinnerung durch sichtbar wiederhergestellte<br />
Größe, die als notwendig für eine<br />
angemessene Erinnerungsfähigkeit postuliert<br />
wird (vgl. dazu die Ausführungen von<br />
Neidhardt 2007 zum Neumarkt Dresden).<br />
Bisweilen unterstützen derartige Projekte<br />
auch Kunsthistoriker, wenn sie sich selbst<br />
die Zulässigkeit des Einsatzes für einen<br />
Sonderfall gewähren. Das Vorhandensein<br />
bürgerschaftlicher Akteure und ihr ehrenamtliches,<br />
als gemeinnützig gedachtes<br />
und in der Regel als solches anerkanntes<br />
Engagement können darüber hinaus aber<br />
auch für sich Argumente darstellen, die in<br />
einer lokalen Auseinandersetzung bedeutsam<br />
werden. Sie können in Wesel möglicherweise<br />
sogar entscheidend für die Ratsentscheidung<br />
gewesen sein, da weder das<br />
Engagement missbilligt, noch die erfolgreiche<br />
Spenden- und Fördermitteleinwerbung<br />
ignoriert werden sollten und da auch<br />
vorherige Kritiker des Vorhabens aus Anerkennung<br />
auf weiteren Widerstand verzichteten.<br />
Die zweite wird wirkmächtig durch die<br />
Unabhängigkeit, mit der einflussreiche<br />
Persönlichkeiten mit ihren Ressourcen für<br />
Wiederaufbauvorhaben eintreten können,<br />
und die öffentliche Aufmerksamkeit, die<br />
den Plattners, Jauchs und Blobels gewiss<br />
ist. Interessanterweise macht der Fall der<br />
Paulinerkirche in Leipzig auch deutlich,<br />
dass die Einbettung mäzenatenhaften Engagements<br />
in eine Organisationsstruktur,<br />
das sich mit den Mühen der bürgerschaftlichen<br />
Ebene auseinandersetzen muss, der<br />
Durchschlagskraft des Mäzens nicht immer<br />
zuträglich sein muss und umgekehrt<br />
das bürgerschaftliche Engagement durch<br />
den Mäzen nicht ausschließlich verstärkt<br />
werden kann. Dennoch wirkt die mäzenatenhafte<br />
Konstellation vermutlich am besten,<br />
wenn sie sich einer breiten Unterstützung<br />
einer bürgerlichen Bewegung gewiss<br />
sein kann, die dem Vorhaben Legitimität<br />
durch die Intensität und Breite des Engagements<br />
verleiht, wo der Mäzen alleine<br />
zwar wesentliche Ressourcen und eine gewisse<br />
informelle Autorität, aber noch keine<br />
im Entscheidungsprozess stabile Argumentationsbasis<br />
liefern kann.<br />
Auch die investorengeleitete dritte Konstellation<br />
ist auf derartige Anschlussfähigkeit<br />
angewiesen, damit die kritische Masse an<br />
vielschichtigen Argumenten zusammenkommt,<br />
um in diesem Fall die zusätzliche<br />
Kritik überwinden zu können, die derartige<br />
Projekte praktisch schon reflexhaft als<br />
Kommerzarchitektur brandmarkt, für dessen<br />
Durchsetzung sich Lokalpolitiker von<br />
den Investoren „einwickeln“ lassen. Verschiedene<br />
Ansätze machen eine Durchsetzung<br />
vor diesem Hintergrund möglich, sei<br />
es die Begrenzung der öffentlichen Aufmerksamkeit<br />
wie im Fall des Thurn-und-<br />
Taxis-Palais mit ihrem Verweis auf die<br />
Sonderrolle des Gebäudetyps in der bürgerlichen<br />
Stadt, sei es die Kombination mit<br />
einer funktionalen Stadtreparatur einerseits<br />
und der hochkarätigen handwerklichen<br />
Ausführung andererseits, ohne die<br />
wohl das Braunschweiger Schloss kaum<br />
zum medialen Erfolg hätte werden können.<br />
Dabei zeigt das Thurn-und-Taxis-Palais<br />
aber auch, dass der Anstoß für ein inverstorengeleitetes<br />
Vorhaben oder die von<br />
ihm in der Regel damit verfolgte Gebäudenutzung<br />
keineswegs vom Investor selber<br />
ausgehen muss.<br />
Die hier analysierten Zusammenhänge fügen<br />
sich zwanglos auch dann noch in ein<br />
schlüssiges Bild, wenn man herausragende<br />
Wiederaufbauvorhaben wie das Berliner<br />
Schloss oder die Dresdener Frauenkirche<br />
mit einbezieht, bei denen auch nicht<br />
nur auf inhaltlich, sondern auch kommunikationsstrategisch<br />
hochkarätigem Niveau<br />
Gegenargumente vorgebracht werden.<br />
Die Bilanz von Florian Mausbach<br />
(24.09.2009), der an einflussreicher Stelle<br />
für den Bund Rekonstruktionsvorhaben<br />
wie das Berliner Schloss mit betrieben<br />
hat, ist hier aufschlussreich. Er habe an<br />
der Dresdener Frauenkirche Menschen in<br />
einer Schlange gesehen, die „gerührt, oft<br />
mit Tränen in den Augen“ die Kirche betrachtet<br />
hätten, und verweist auf die versöhnende<br />
Kraft, die im Wiederaufbauvorhaben<br />
angesichts des Beitrags von Walter<br />
Ulbricht zu Kirchensprengungen in der<br />
DDR zu sehen sei. In Städten, in denen<br />
nach dem Krieg zwanglos wiederaufge