PDF-Download - Newsletter Urbane Transformationen
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174 Positionen zum Wiederaufbau verlorener Bauten und Räume Forschungen Heft 143<br />
• Schließlich wird die Notwendigkeit eines<br />
Kirchenbaus innerhalb einer Stadt<br />
mit einem christlichen Bevölkerungsanteil<br />
von unter zwanzig Prozent und an<br />
einer Universität, an der nur fünf Proentstehenden<br />
Unübersichtlichkeit soll im<br />
Folgenden wesentlich auf die Darstellung<br />
„gegnerischer“ Argumente von Koch/Koch<br />
(2006: 127–172) zurückgegriffen werden,<br />
die dort der Widerrede gilt. Auf diese „Kritik<br />
an der Kritik“ soll hier allerdings kaum<br />
eingegangen werden. Zusätzliche Punkte<br />
werden hingegen insbesondere aus den<br />
Interviews mit Schroth/Tesch (26.8.2009)<br />
und Häuser (10.9.2009) zusammengetragen.<br />
Insgesamt bestehen dabei wesentliche<br />
Überschneidungen mit den Argumenten<br />
für vermittelnde Varianten, da mit der<br />
Opposition zur Rekonstruktion nie eine<br />
Ablehnung eines auch baulichen Erinnerns<br />
an die gesprengte Paulinerkirche<br />
einherging (vgl. Quester 25.8.2009). Dabei<br />
erscheint zumindest im Rückblick ein Teil<br />
der Argumentation weniger von einer dezidierten<br />
Auseinandersetzung oder fundierten<br />
Kritik getragen, als vielmehr beständig<br />
eine Rekonstruktion per se und<br />
weitgehend unbegründet abgelehnt wurde.<br />
Damit scheinen die Wiederaufbaugegner<br />
aus den Verwaltungsspitzen von Universität<br />
und Stadt zumindest in der frühen<br />
Phase davon ausgegangen zu sein, dass<br />
ein Wiederaufbau ein Tabu sei, dessen<br />
Bruch sozusagen unter Aufgeklärten ausgeschlossen<br />
sei, womit die Ablehnung keiner<br />
Begründung bedürfe (vgl. Gormsen<br />
10.9.2009, Häuser 10.9.2009).<br />
Als wesentliche Punkte der Argumenta tion<br />
gegen einen originalgetreuen Wiederaufbau<br />
führen Koch/Koch 2006: 127–172) an –<br />
größtenteils auch aus anderen lokalen Rekonstruktionsdebatten<br />
bekannt:<br />
• Die allgemeine Kritik am Umgang mit<br />
den vorhandenen baulich-räumlichen<br />
Zeugnissen der Geschichte wird erwähnt,<br />
wenngleich die konkreten Universitätsbauten<br />
– mit Ausnahme des<br />
Karl-Marx-Reliefs (vgl. LVZ 20.2.2009) –<br />
offenbar niemals zum Gegenstand von<br />
Erhaltungswünschen wurden. Den Rekonstruktionsbefürworter<br />
wurde dabei<br />
ein ähnlicher Umgang mit der Geschichte<br />
– nämlich das „Ungeschehen machen“<br />
oder auch der Restauration – vorgeworfen<br />
wie den einstigen Sprengern. (Marek<br />
2003, vgl. Koch/Koch 2006: 136). Es<br />
entstehe bewusst „kein Sühnebau, der<br />
die schmerzliche Wunde der Sprengung<br />
von 1968 wettmachen will.“ (Universität<br />
Leipzig 2008: 1)<br />
• Mit dem Wiederaufbau würde eine<br />
wichtige Trauerarbeit über den historischen<br />
Verlust der Kirche verhindert und<br />
zeige sich damit zugleich eine „Unfähigkeit<br />
zu trauern“ (Marek 2003, vgl. Koch/<br />
Koch 2006: 137).<br />
• Das gewünschte Ergebnis aber sei selbst<br />
bei technisch perfekter Ausführung<br />
nicht zu erreichen, zumal sich der städtebauliche<br />
Kontext verändert habe, damit<br />
werde letztlich nur die zeitgenössische<br />
Befindlichkeit dokumentiert und<br />
verstärkt (Marek 2003, vgl. Koch/Koch<br />
2006: 137).<br />
• Anstelle einer rückwärtsgewandten Architektur<br />
müsse in den Bauten die Zeitgenossenschaft<br />
des Bauwerks abzulesen<br />
sein (vgl. Koch/Koch 2006: 144–154).<br />
• Damit verbunden sind auch Vorstellungen<br />
der Universität, sich als fortschrittliche<br />
Reformuniversität zu profilieren. „In<br />
der architektonischen Außendarstellung<br />
zeigt sich immer auch, wie der ideelle<br />
Kern der Universität verstanden wird“<br />
(Stekeler-Weithofer 2003: 46, vgl. Koch/<br />
Koch 2006: 144–155), und dieser habe<br />
sich seit dem Kirchenbau mehrfach gewandelt.<br />
„Maßstab für die Entscheidung<br />
der Universität muss ihre Rolle und<br />
Funk tion in Gegenwart und Zukunft<br />
sein, nicht die Erinnerung an eine böse<br />
Vergangenheit. […] In Gegenwart und<br />
Zukunft ist die Universität eine durchaus<br />
weltliche Institution […]. Das sollte<br />
auch in […] der Aula ausgedrückt werden.“<br />
(Hinrich Lehmann-Grube; zit. in<br />
Universität Leipzig 2008: 2)<br />
• Die fehlende materielle Authentizität des<br />
Bauwerk, die mit „aggressiven“ (Koch/<br />
Koch 2006: 127) Begrifflichkeiten wie<br />
„Fälschung“, „Fake“, „Disneyland“ oder<br />
„Fetisch“ zum Ausdruck gebracht wird,<br />
begründen die Gegner mit denkmalpflegerischen<br />
Kriterien.<br />
• Ebenso wird das Fehlen ruinöser Reste<br />
der Originalbausubstanz am Ort angeführt,<br />
die als Anknüpfungspunkt für einen<br />
Wiederaufbau dienen könnten (vgl.<br />
Koch/Koch 2006: 130–131).