PDF-Download - Newsletter Urbane Transformationen
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Fallstudien<br />
241<br />
5.51 Rekonstruktionsbewegungen<br />
als Ausdruck zugeschriebener<br />
Bedeutung<br />
Zunächst ist deutlich geworden, dass Rekonstruktionsvorhaben<br />
nicht an jeder<br />
Stelle durchsetzbar sind oder auch nur<br />
mit realen Chancen ins Gespräch gebracht<br />
werden können. Die fachlichen Positionen<br />
von Architekten, Denkmalpflegern und<br />
teilweise auch Stadtverwaltungen sind<br />
grundsätzlich – bei allem Eingehen auf die<br />
Kritik an der städtebaulich-architektonischen<br />
Moderne – darauf ausgerichtet, zeitgenössischer<br />
Architektur über Wettbewerbe<br />
oder ähnliche Auswahlverfahren zum<br />
Durchbruch zu verhelfen. Dahinter verbergen<br />
sich unterschiedliche Motive, die<br />
von einer Unterstützung bzw. den Glauben<br />
an die kreativen Möglichkeiten der Architekten<br />
über ein implizites oder explizites<br />
Bekenntnis zur Charta von Venedig bis hin<br />
zu einer Einschätzung reichen, die Probleme<br />
der architektonisch-städtebaulichen<br />
Moderne seien im Wesentlichen struktureller<br />
Art und könnten nicht über Stilvorgaben<br />
geregelt werden.<br />
Gegen diese dominante Position, die sogar<br />
im sehr rekonstruktionsfreundlichen<br />
Klima am Neumarkt Dresden vorgefunden<br />
werden konnte, können Rekonstruktionsbefürworter<br />
nur schwer ankommen, da sie<br />
die besondere Ausnahmesituation des jeweiligen<br />
Projekts deutlich machen müssen.<br />
Dies gelingt im Einzelfall, aber schon<br />
nicht mehr so leicht am Ensemble, dessen<br />
Wiederherstellung sich in Gesamtheit<br />
auch als kritische Rekonstruktion mit zeitgenössischer<br />
Architektur und einzelnen<br />
Leitbauten plausibel machen lässt, was angesichts<br />
der Notwendigkeit, Investoren zu<br />
finden, die bereit sind, die Kosten für Wiederaufbauvorhaben<br />
zu tragen und mit den<br />
historischen Strukturen der betreffenden<br />
Gebäude auch umzugehen, eher Umsetzungserfolg<br />
für die öffentliche Hand verspricht<br />
als eine Komplettrekonstruktion.<br />
Bezogen auf Einzelgebäude wird die besondere<br />
Situation mit der Bedeutung des<br />
verlorenen Gebäudes gerechtfertigt, die jedoch<br />
unterschiedlich groß ist, je nachdem,<br />
in welcher Stadt man sich befindet und<br />
um welchen Gebäudetyp es sich handelt.<br />
Nichtsdestoweniger wird in der Argumentation<br />
für einen Wiederaufbau eine „zugeschriebene<br />
Bedeutung“ in den Mittelpunkt<br />
gestellt, die keineswegs von vornherein<br />
feststeht. Katalytische Faktoren sind ein<br />
besonderer Standort, der einer Akzentuierung<br />
durch ein historisches Gebäude<br />
zu bedürfen scheint, die Bezugnahme auf<br />
einen Mythos, der der Stadt, dem Ort in<br />
der Stadt oder dem Einzelgebäude anhaftet,<br />
und die Vermittelbarkeit eines solchen<br />
Mythos’. Die unterschiedliche Aufnahme<br />
derartiger Argumentationsfiguren zeigt<br />
sich beispielsweise im Vergleich der Paulinerkirche<br />
mit der Frauenkirche in Dresden,<br />
aber auch zu den Leitbauten am Neumarkt.<br />
Das Rathaus Wesel wird in ähnlicher Weise,<br />
wenn auch im kleineren Maßstab, als<br />
herausragender Bau diskutiert. Einen Sonderfall<br />
stellt das Thurn-und-Taxis-Palais<br />
dar, für das sich gar keine ernst zu nehmende<br />
Bewegung formiert, das aber dennoch<br />
in der Diskussion als Stadtschloss<br />
in der bürgerlichen Stadt bzw. als historisches<br />
Gegenstück zur Paulskirche, deren<br />
Bedeutung unbestritten ist, zum Ausnahmetatbestand<br />
stilisiert werden kann.<br />
Wenngleich die Ursache für den Rekonstruktionswunsch<br />
und dessen Verbreitung<br />
in Teilen der Bevölkerung nicht von einer<br />
kunsthistorischen Bedeutung des Gebäudes<br />
oder Ensembles allein ausgeht (vgl.<br />
dazu insbesondere Kap. 4.3), spielen doch<br />
besondere Zerstörung des Orts, die überhaupt<br />
eine Chance zur Stadtreparatur zu<br />
lassen scheint, Bedeutung des Standorts<br />
im Stadtgefüge und als Identifikationsort<br />
für die Stadtbevölkerung (Marktplatz, Altstadt<br />
usw.) sowie die zugeschriebene stadtgeschichtlich-kunsthistorische<br />
Bedeutung<br />
des zu rekonstruierenden Bauwerks<br />
eine Rolle. Die Eignung für eine Argumentationsfigur,<br />
die es zur Ausnahme macht,<br />
wird von Rekonstruktionsbefürwortern<br />
erfolgreich aufgegriffen. Sie lässt etwa<br />
auch alternative Einschätzungen zur Paulinerkirche<br />
zu (die schließlich nicht originalgetreu<br />
rekonstruiert wird), während in<br />
Wesel das Rathaus zum eindeutigen Fokus<br />
der Rekonstruktionsbefürworter wird,<br />
es in Dresden nur darum geht, wie viele<br />
Leitbauten am hochrangigen Umfeld der<br />
Frauenkirche rekonstruiert werden sollen,<br />
und der Pellerhof in Nürnberg (hier<br />
nicht näher untersucht) als eine der letzten<br />
erhaltenen vergleichbaren Hofanlagen<br />
an Bedeutung gewinnt. Die Chance<br />
auf Bewahrung, die in der Denkmalpflege<br />
an den Seltenheitswert noch verfügba