PDF-Download - Newsletter Urbane Transformationen
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Fallstudien<br />
149<br />
Die Paulinerkirche scheint dabei zunächst<br />
wenig beachtet worden zu sein, stand doch<br />
das Augusteum als Hauptgebäude der Universität<br />
im Zentrum der Überlegungen.<br />
Nachdem es zunächst notdürftig hergerichtet<br />
worden war, wurde Mitte der 1950er Jahre<br />
über eine vollständige Verlagerung des<br />
Universitätsstandorts nachgedacht. Entsprechende<br />
Überlegungen hatten in Leipzig<br />
bereits seit 1910 bestanden, als die Universität<br />
fünfzig Hektar Land in Probstheida<br />
zum Bau einer Universitätsstadt erworben<br />
hatte. Nun wurden stattdessen ab spätestens<br />
1950 Pläne für eine Universitätsviertel<br />
zwischen Bayerischem Bahnhof und Technischer<br />
Messe aufgestellt, so dass der Verde<br />
um neogotische Ausmalungen ergänzt.<br />
Bereits zu Anfang des 19. Jahrhundert war<br />
eine barocke Kanzel und doppelgeschossige<br />
Empore eingefügt worden. In dieser<br />
Form blieb die Kirche bis zu den Kriegseinwirkungen<br />
ab 1943 nahezu unverändert.<br />
(vgl. insg. Richter 2009, Koch/Koch<br />
2006: 15–17)<br />
Entsprechend ist von einem erheblichen<br />
Denkmalwert der Universitätskirche St.<br />
Pauli vor ihrer Zerstörung auszugehen, der<br />
letztlich auch als Argument für die Wiederherstellung<br />
angeführt wird. Einerseits<br />
besaß sie historischen Zeugniswert als<br />
letztes erhaltenes Gebäude aus der Gründungszeit<br />
der Universität (selbst, wenn<br />
man erst den Neubau von 1521 heranziehen<br />
wollte) und Wirkungsstätte Luthers,<br />
aber auch anderer deutscher Geistesgrößen<br />
wie Bach, Leibniz, Goethe, Schumann,<br />
Mendelssohn-Bartholdy, Wagner und Heisenberg<br />
(vgl. Koch/Koch 2006: 17). Andererseits<br />
war auch der baukünstlerische<br />
Wert insbesondere der reichen Innenausstattung<br />
(zahlreiche Grabmale, Epitaphe,<br />
Skulpturen, des Schnitzaltars und der Orgel)<br />
als hoch einzuschätzen, wenngleich<br />
die letzte Fassade als Bauwerk des Historismus<br />
sicher erst ab den 1970er Jahren<br />
eine denkmalpflegerische Wertschätzung<br />
erreicht hätte.<br />
Zerstörung<br />
Durch die Kriegshandlungen des Zweiten<br />
Weltkriegs wurde die Paulinerkirche nur<br />
kaum beschädigt, was wesentlich mit dem<br />
Einsatz eines Theologieprofessors und seinen<br />
Helfern begründet wird, die in Bombennächten<br />
Brandwache hielten. Das benachbarte<br />
Augusteum hingegen wurde<br />
wie viele weitere Gebäude am Augustusplatz<br />
schwer beschädigt und brannte teilweise<br />
aus. Dennoch wurde es direkt nach<br />
dem Krieg in Teilen instand gesetzt, damit<br />
die Universität ihren Lehrbetrieb wieder<br />
aufnehmen konnte. Ziel war zunächst<br />
die vollständige Wiederherstellung. Die<br />
Universitätskirche diente ab 1943 als Ausweichquartier<br />
für die katholische Propsteigemeinde,<br />
was 1946 durch einen Mietvertrag<br />
noch einmal bestätigt wurde. (Koch/<br />
Koch 2006: 17–18; Vgl. Richter 2009) Die<br />
Entwicklungen, die 23 Jahre nach Kriegsende<br />
dennoch zur Sprengung der Kirche<br />
führten, sind zwar in einer Reihe von<br />
Abbildung 14<br />
Augusteum und Universitätskirche St. Pauli um 1890<br />
Quelle: gemeinfrei<br />
Veröffentlichungen beschrieben worden,<br />
doch sind sie zum Teil widersprüchlich<br />
und überlagern sich historische Fakten<br />
mit mündlichen Überlieferungen, die<br />
eher eine Legendenbildung vermuten lassen.<br />
Dabei ist allerdings auch zu vermuten,<br />
dass die Reduktion historischer Beziehungen<br />
auch in der noch immer nicht abgeschlossenen<br />
Auseinandersetzung um die<br />
Schuldfrage dienlich erscheint und dass es<br />
verschiedentlich darum geht, die Sprengung<br />
als anti-christlichen Akt des sozialistischen<br />
Regimes darzustellen. Dabei<br />
weist bereits Löffler (1993) auf die frühzeitigen<br />
Impulse hin, die aus der Universität<br />
heraus auf einen Abriss abzielten. Bis heute<br />
findet eine ausführliche Auseinandersetzung<br />
um die Schuldfrage statt (Richter<br />
2009), die insbesondere für die verbliebenen<br />
„Widerständler“ bzw. die Beteiligten<br />
an der nachträglichen Protestaktion weiterhin<br />
von zentraler Bedeutung ist. (Vgl.<br />
Koch/Koch 2006: 9)