PDF-Download - Newsletter Urbane Transformationen
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Wiederaufbauprozesse: Zentrale Einflussfaktoren<br />
85<br />
„einfache Volk“ im Gegensatz zu einer „korrupten<br />
Elite“ definieren lassen. Dabei wird<br />
mittlerweile des Öfteren davon ausgegangen,<br />
dass es sich beim Populismus um eine<br />
eigenständige, gleichwohl „dünne“ Ideologie<br />
(Rensmann 2006: 76) handelt und wird<br />
vermehrt auch auf wenn nicht positive, so<br />
doch auf das gesamte politische System<br />
bezogene Aspekte dieser Tendenzen verwiesen<br />
– hierauf soll später noch dezidiert<br />
eingegangen werden. So schwierig sich der<br />
Begriff für die wissenschaftliche Analyse<br />
zumal zeitgenössischer Phänomene darstellt,<br />
so wenig hilfreich erscheint es, ihn<br />
zu vermeiden oder als nicht operationalisierbar<br />
zu erachten (vgl. Dézé 2004, Minkenberg<br />
2000), da auch in demokratischen<br />
Systemen vermehrt Tendenzen und Akteure<br />
etwa innerhalb des Parteiensystems<br />
zu verzeichnen sind, „die nicht einfach<br />
der ‚extremen‘ oder ‚radikale‘ Rechten zuzuordnen<br />
sind oder sich dieser Zuordnung<br />
zum klar verfassungs- und demokratiefeindlichen<br />
Extremismus sogar deutlich<br />
entziehen“ (Rensmann 2006: 59–60), wohl<br />
aber unter einen – zumindest erweiterten<br />
– Begriff des Populismus greifbar erscheinen.<br />
Mit der Zunahme populistischer Tendenzen<br />
in Europa und vor allem durch anhaltende<br />
Wahlerfolge populistischer Parteien<br />
kam es zu einer erheblich verstärkten Beforschung<br />
von Phänomen und Ursachen ab<br />
Ende der 1990er Jahre. Innerhalb der Politikwissenschaften<br />
wurde dies häufig im<br />
Rahmen von länderbezogenen Fallstudien<br />
in Zusammenhang mit bzw. unter dem<br />
Begriff der Extremismusforschung betrieben.<br />
Dabei konnte auf bewährte Konzepte<br />
der Parteisystemforschung zurückgegriffen<br />
werden. Dadurch, dass extremistische<br />
Parteien in einigen Ländern (insbesondere<br />
Italien, Österreich, Niederlande) keine<br />
Randerscheinungen blieben und teilweise<br />
sogar in Regierungsverantwortung<br />
kamen, wurde die Forschungsperspektive<br />
vielerorts erweitert. So wurden nun einerseits<br />
ideologische Inhalte, andererseits<br />
aber auch das Verhältnis von Populismus<br />
und Demokratie (Taguieff 2002, Mény/Surel<br />
2002, Hermet 2001, Taggart 2000) untersucht.<br />
Dabei fand eine Ergänzung um Befunde<br />
etwa aus der Sozialpsychologie und<br />
den Sprachwissenschaften statt. Durch<br />
die Analyse der Beziehung zu Grundlagen<br />
demokratischer Systeme (Mény/Surel<br />
2002) wurde die Vorstellung eines schleichend<br />
populistischen Systemwandels des<br />
Parteienstaates deutlich (vgl. insg. Decker<br />
2006: 10–11,25). In den neuesten Untersuchungen<br />
wird zudem erkannt, dass populistische<br />
Tendenzen auch ohne eine allzu<br />
starke Verbindung zu manifesten oder latenten<br />
Einstellungssyndromen wie Fremdenfeindlichkeit,<br />
Rassismus etc. oder<br />
einen „populistischen Politikstil“ funktioniere<br />
(Priester 2007: 9). Bei Priester (2007)<br />
geht dies im Widerspruch zur bisherigen<br />
Populismusforschung soweit, den Populismusbegriff<br />
ein stückweit von der wortgeschichtlichen<br />
Fixierung auf das „Volk“<br />
zu lösen: Im Sinne Lipsets (1967) Analyse<br />
eines „Extremismus der Mitte“ geht sie<br />
davon aus, dass sich durch postmoderne<br />
Zeitströmungen und die (neo-)liberalen<br />
Vorstellungen der jüngeren Vergangenheit<br />
auch populistische Agitation verstärkt an<br />
die gesellschaftliche Mitte und nicht länger<br />
an die unteren Schichten richte.<br />
Begriffsbestimmung<br />
Die meisten Autorinnen und Autoren<br />
scheuen vor einer Definition des Begriffs<br />
Populismus zurück, da er als zu komplex,<br />
kontextabhängig und veränderlich für eine<br />
knappe Definition gilt (Meyer 2006: 81).<br />
Mudde (2004: 543; Hervorhebung im Original)<br />
bietet folgende Definition an: „I define<br />
populism as an ideology that considers<br />
society to be ultimately separated into two<br />
homogeneous and antagonistic groups, ‚the<br />
pure people’ versus ‚the corrupt elite’, and<br />
which argues that politics should be an expression<br />
of the volonté général (general will)<br />
of the people.“ Wenngleich selten explizit<br />
als Definition angeführt, verbindet der von<br />
Mudde hervorgehobene Kern verschiedene<br />
Teilphänomene unter dem gemeinsamen<br />
Oberbegriff Populismus. Ein wesentlicher<br />
Teil ist für Priester (2007: 8) auf die Polarisierung<br />
zwischen Volk und Elite als Grundmerkmal<br />
des Populismus, während Decker<br />
(2006: 12) in der Begriffsverwendung einen<br />
Fokus auf dem Bezug zum einfachen<br />
„Volk“ und eine Kritik am „Establishment“<br />
sieht, die damit in klarer Opposition zueinander<br />
stehen. Er verweist zudem darauf,<br />
dass mit dem „Volk“ die „kleinen Leute“<br />
gemeint sind, deren Wohl zugunsten<br />
einer Elite eingeschränkt wird, und dass<br />
diese Elite sowohl politisch als auch sozial<br />
oder ökonomisch bestimmt sein kann.