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Grundlagen für eine Qualifizierung der Debatten über „Identität durch Rekonstruktion“<br />

291<br />

heren Rathaus in Wesel lediglich die Fassade<br />

rekonstruiert und diese ein wenig<br />

zum ehemaligen Standort versetzt, um einerseits<br />

nicht umfassend in die bestehende<br />

Bebauung eingreifen zu müssen und<br />

andererseits auf die stadträumlichen Veränderungen<br />

– vor allem die Verlagerung<br />

und Verbreiterung einer rückwärtigen<br />

Straße zu reagieren. In ähnlicher Form<br />

wurde in Halberstadt ebenfalls nur eine<br />

Rathausfassade rekonstruiert, und man<br />

beschränkte sich ansonsten auf den Wiederaufbau<br />

der vorgelagerten Ratslaube.<br />

Ebenso soll in Halle a. d. Saale zwar noch<br />

das Alte Rathaus vollständig, die angrenzende<br />

Ratswaage, deren Standort mittlerweile<br />

verbaut ist, nur als Fassade wiederaufgebaut<br />

werden Schließlich sei auch auf<br />

den Pellerhof verwiesen, bei dem bereits<br />

im Nachkriegswiederaufbau eine solche<br />

Strategie verfolgt wurde, in dem lediglich<br />

Teile des Innenhofes in einen Neubau integriert<br />

wurden. Dieser Neubau bleibt auch<br />

bei der nun geplanten vollständigen und<br />

originalgetreuen Rekonstruktion des Hofes<br />

bestehen. Es wird davon ausgegangen,<br />

dass alle diese Rekonstruktionen – wenn<br />

auch in unterschiedlichem Maße – dem<br />

Gebäudebestand und der Fortentwicklung<br />

der räumlichen Situation relativ stark<br />

Rechnung tragen. Etwas anders ist dies sicher<br />

bei der Mainzer Marktplatzfassade zu<br />

bewerten, die nicht nur zweifach wiederaufgebaut<br />

wurde, sondern wo auch in der<br />

Gesamtansicht die zunächst moderne und<br />

jetzt zeitgenössische Bebauung nicht erkennbar<br />

wird (vgl. Glatz 2008).<br />

In zwei der untersuchten Fälle wurde auf<br />

einen Wiederaufbau am gleichen Ort verzichtet,<br />

um die dortige Bebauung nicht<br />

zerstören zu müssen. Das Ephraim-Palais<br />

in Berlin wurde rund zwölf Meter vom ursprünglichen<br />

Standort entfernt wiederaufgebaut,<br />

das Leibnizhaus in eine Straßenzeile<br />

der nach dem Krieg zu einer<br />

„Traditionsinsel“ translozierten Altstadtbebauung<br />

integriert.<br />

(Fachliche) Auseinandersetzung mit<br />

der Ausgangssituation im Rahmen des<br />

Wiederaufbauvorhabens<br />

Die Analyse der direkten baulich-räumlichen<br />

Bezugnahmen zu Zerstörung und<br />

der durch den Wiederaufbau zur Interimslösung<br />

werdenden baulich-räumlichen<br />

Entwicklung des Ortes erscheint recht er­<br />

nüchternd: Nur an wenigen Orten wurde<br />

innerhalb des Wiederaufbaus offensichtlich<br />

eine Möglichkeit gesucht, an die<br />

Ausgangssituation und ihr Entstehen zu<br />

erinnern und damit auch die Zeitgenossenschaft<br />

der Rekonstruktion zu dokumentieren.<br />

Gleichwohl ist allerdings festzustellen,<br />

dass dies auf viele lokale Diskurse um den<br />

Wiederaufbau zerstörter Bauwerke nicht<br />

zutrifft. Innerhalb der Debatten, zumal<br />

der besonders kontrovers geführten, findet<br />

– soweit sie hier bekannt sind – fast immer<br />

auch eine Auseinandersetzung um die<br />

Ortsgeschichte statt. Die Argumentation<br />

für eine Rekonstruktion bemüht sich zumeist<br />

auch um eine kritische Reflexion der<br />

Ausgangssituation und versucht dabei gerade<br />

herauszuarbeiten, warum der Raum<br />

ggf. trotz einer Umgestaltung und Umnutzung<br />

eine „Leerstelle“ geblieben ist. Kritiker<br />

des Rekonstruk tionsverfahrens werden<br />

hingegen seine Geschichte und Qualitäten<br />

würdigen oder im historischen Kontext zu<br />

erklären versuchen, zum Teil formulieren<br />

sie allerdings auch eigene Vorstellungen<br />

für eine zeitgenössische Fortentwicklung.<br />

Unterstützung und Vertiefung finden diese<br />

nicht selten zur wenig reflektierten Verknappung<br />

neigenden Debatten in den zum<br />

Teil erstellten heimatgeschichtlichen oder<br />

wissenschaftlichen Veröffentlichungen,<br />

die viele der untersuchten Wiederaufbauvorhaben<br />

begleiten. Damit stellt der Prozess<br />

selber eine erhebliche erinnerungskulturelle<br />

Leistung dar, zumal dabei auch<br />

teilweise erhebliche Kontextualisierungen<br />

innerhalb der Stadt-, National- und Kulturgeschichte<br />

unternommen werden.<br />

7.2 Zeitgenössische identitätsstiftende<br />

Architektur<br />

Im Folgenden sollen zunächst die wesentlichen<br />

Rollen beschrieben werden, die<br />

zeitgenössische Architektur im positiven<br />

Sinne im städtischen Kontext einnimmt.<br />

Daran anschließend werden einige Fallstudien<br />

dargestellt, die deutlich machen<br />

sollen, welche wesentlichen Elemente<br />

dazu beitragen, dass zeitgenössische Architektur<br />

identitätsstiftend ist, auch wenn<br />

sie keine nennenswerten Anleihen an historischen<br />

Strukturen aufweist oder sich<br />

diesen sogar bewusst verschließt. Aufbauend<br />

auf diesen Erwägungen sind bewusster<br />

strukturierte Entscheidungsprozesse

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