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176 Positionen zum Wiederaufbau verlorener Bauten und Räume Forschungen Heft 143<br />

Bedeutung von Fachargumenten<br />

Im gesamten Wiederaufbauverfahren haben<br />

Fachargumente nahezu keine Rolle<br />

gespielt. In der Regel wird dies auf die<br />

emotio nal geführte Diskussion zurückgeführt<br />

(etwa Lars-Christian Horn; zit.<br />

in Universität Leipzig 2008: 2, Heymann<br />

26.8.2009). Quester (25.8.2009) verweist<br />

allerdings zu Recht auch darauf, dass das<br />

Vorhaben nie Teil eines öffentlichen Verfahrens<br />

gewesen sei, in dem dann eine Beteiligung<br />

von Experten zumindest in der<br />

Form von Trägern öffentlicher Belange erforderlich<br />

gewesen wäre.<br />

Zudem sind Akteure aus wesentlichen<br />

Fachgruppen kaum eigenständig aktiv geworden.<br />

So hat sich der in Leipzig ohnehin<br />

relativ schwach vertretene Denkmalschutz<br />

auf die Position zurückgezogen, dass er<br />

nicht betroffen sei, da das Denkmal 1968<br />

zerstört worden sei (Gormsen 10.9.2009),<br />

und hat der mittlerweile pensionierte<br />

Landeskonservator Margirius in einigen<br />

Punkten eher den Paulinerverein unterstützt<br />

(Stötzner 28.8.2009). Der verbandliche<br />

Denkmalschutz sah seine Aufgabe<br />

insbesondere in der finanziellen Unterstützung<br />

der Restaurierung der erhaltenen<br />

Originale (Gormsen 10.9.2009). Noch weniger<br />

in Erscheinung getreten sind Architekten<br />

bzw. ihre verfassten Vereine und Verbände.<br />

Selbst die erheblichen Eingriffe in<br />

die Regeln des Wettbewerbswesens durch<br />

Veröffentlichung von Wettbewerbsbeiträgen<br />

aus dem laufenden Verfahren führten<br />

lediglich zum Ausstieg zweier Architekten<br />

aus der Jury (vgl. Quester 25.8.2009), während<br />

der erwartungsgemäße „Aufschrei“<br />

ausblieb.<br />

Verschiedentlich haben allerdings Historiker<br />

und Kunsthistoriker zu unterschiedlichen<br />

Aspekten der Rekonstruktionsdebatte<br />

Stellung genommen. Ihre<br />

Beiträge dienten aber im Wesentlichen<br />

als Argumentationspool für die konträren<br />

Positionen, die historische Fakten immer<br />

wieder zu Anforderungen für gegenwärtige<br />

Handlungen uminterpretierten. Bemerkenswert<br />

ist insgesamt, wie stark die<br />

Diskussion dennoch auf die Frage eines<br />

„richtigen“ Umgangs mit dem Ort und seiner<br />

Geschichte fokussierte und dabei zum<br />

Teil pseudo-wissenschaftliche Züge annahm<br />

(vgl. hierzu insbesondere die „Wi­<br />

derlegung“ von Gegnerargumenten durch<br />

Koch/Koch 2006: 125–171).<br />

Im Rahmen der nachgelagerten Auseinandersetzung<br />

um die Glaswand zwischen<br />

Chor und Aula wurde ein Zielkonflikt zwischen<br />

unterschiedlichen fachplanerischen<br />

Ansprüchen deutlich: Während der Universitätskustos<br />

Rudolf Hiller die Trennwand<br />

als einzige Möglichkeit ansah, im<br />

Chor ein kontrolliertes Raumklima für die<br />

dort präsentierten Originalfragmente zu<br />

schaffen, kritisiert der Musikdirektor David<br />

Timm die Beeinträchtigung der Akustik.<br />

(Kowa 2009: 8)<br />

Bedeutung von Identifikation und<br />

Vermarktung<br />

Identifikations- und Vermarktungsaspekte<br />

standen zunächst nicht im Fokus der Argumentation<br />

der Wiederaufbaubefürworter,<br />

gewannen aber über den Prozessverlauf<br />

deutlich an Bedeutung. So wurde etwa im<br />

Rahmen der Olympiabewerbung Leipzigs<br />

auf die „große Anziehungskraft für das begleitende<br />

Kulturprogramm“ verwiesen, die<br />

von der Paulinerkirche ausgehe (www.paulinerkirche.de/archiv03.htm).<br />

Gleichwohl<br />

ist davon auszugehen, dass es den Mitgliedern<br />

des Paulinervereins lediglich in soweit<br />

um ein Identifikationspotenzial einer<br />

rekonstruierten Universitätskirche ging,<br />

als ihre persönliche Identifikation mit<br />

dem Original betroffen war. Entsprechende<br />

Argumente, die innerhalb der Debatte<br />

angeführt wurden, können also eher als<br />

(zusätzliche) Legitimation eines zumeist<br />

recht individuellen, biografisch bedingten<br />

Wunsches angesehen werden. Insofern erscheinen<br />

viele Argumente hinsichtlich der<br />

Identifika tionsleistung eines Wiederaufbaus<br />

als ein Verallgemeinerungsanspruch<br />

der persönlichen Beziehung zum Original.<br />

So wird der Universitätskirche eine erhebliche<br />

stadt-, universitäts- und kulturhistorische<br />

sowie zeitgeschichtliche Bedeutung<br />

zugeschrieben, die ein Identifikationspotenzial<br />

für die gesamte Bevölkerung bedeuten<br />

sollen (vgl. Quester 25.8.2009), obwohl<br />

etwa Richter (2009) davon ausgeht,<br />

dass eine Kirche in Leipzig nicht als Identifikationsort<br />

geeignet ist (s.u.). Ebenso<br />

wurden die (touristischen) Vermarktungspotenziale<br />

eines (zumindest in Teilen<br />

bzw. im Inneren) rekonstruierten Gebäudes<br />

erst spät in die Diskussion eingeführt.

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