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100 Positionen zum Wiederaufbau verlorener Bauten und Räume Forschungen Heft 143<br />

In verstärktem Maße muss hier auf die<br />

gleichsam homöopathische Wirkung des<br />

Wiederaufbauvorhabens gegenüber dem<br />

umfangreichen modernen Gebäudebestand<br />

und der umfassenden zeitgenössischen<br />

Bautätigkeit sowie der Prägung der gesamten<br />

Stadtgestalt durch die Modernisierungsanstrengungen<br />

des 20. Jahrhunderts<br />

(insbesondere die dominierende Wirkung<br />

von Verkehrs- und sonstigen Infrastrukturbauten)<br />

hingewiesen werden. Allerdings eröffnet<br />

sich auch eine weitere Möglichkeit,<br />

wie die ästhetische Funktion bei Akzeptanz<br />

einer begrenzten Wirksamkeit erfüllt<br />

werden kann: Ähnlich der im Nachkriegswiederaufbau<br />

teilweise auch durch Rekonstruktionen<br />

und Translokationen entstandenen<br />

„Geschichtsinseln“ dienen räumlich<br />

relativ stark begrenzte Orte als Projektionsdem<br />

Geschmacksurteil anschließen, bzw.<br />

dass sich ihr Schönheitsempfinden in einer<br />

Weise ändert, dass das wiederhergestellte<br />

Bauwerk nunmehr auch für sie als<br />

Beitrag zur Stadtverschönerung funktioniert.<br />

Neben einer nicht erwartungsgemäßen<br />

Ausführung des Vorhabens kann auch<br />

die Wirkung innerhalb des umgebenden<br />

Stadtraums dazu führen, dass das rekonstruierte<br />

Einzelgebäude oder Ensemble<br />

seine Funktion als „Schönheitslieferant“<br />

nicht erfüllen kann. So ist die Wirkung<br />

des Bauwerks in der Regel räumlich stark<br />

beschränkt und kann die Nebenwirkung<br />

hervorbringen, dass die dem im Rekonstruktionswunsch<br />

zum Ausdruck gebrachten<br />

Schönheitsideal nicht entsprechende<br />

weitere Umgebung in noch verstärktem<br />

Maße als „hässlich“ wahrgenommen wird.<br />

Damit wäre es auch möglich, dass der erhoffte<br />

Effekt für das Wohlbefinden gänzlich<br />

aufgehoben wird. Wesentlicher Faktor<br />

für eine erfolgreiche Stadtverschönerung<br />

scheint insofern, mit der Rekonstruk tion<br />

nicht Einzelbauwerke, sondern Räume<br />

zu schaffen, die ein gruppenspezifisches<br />

Schönheitsempfinden ermöglichen. Dies<br />

muss nicht zwingend durch weitere Rekonstruktionen<br />

oder den Bau historisierender<br />

Gebäude im direkten Umfeld eines<br />

Wiederaufbaus unterstützt werden, sondern<br />

kann in der Regel durch angemessene<br />

Proportionen und Gestaltung sowie<br />

eine herausragende Stellung des rekonstruierten<br />

Gebäudes gegenüber der Umgebung<br />

insbesondere hinsichtlich der gestalterischen<br />

Ausformung erreicht werden.<br />

Abwehr zeitgenössischen Bauens/Revision<br />

der Nachkriegsmoderne<br />

Entsprechend der angedeuteten vergleichenden<br />

Dimension des Schönheitsbegriffs<br />

ist häufig festzustellen, dass sich das<br />

Argument der Schönheit von Rekonstruktionen<br />

ganz wesentlich als eine Ablehnung<br />

eines als „hässlich“ empfundenen Bestandes<br />

oder eines entsprechenden Vorschlages<br />

für eine Neubebauung darstellt. Dann<br />

steht weniger die Schönheit des alten Gebäudes<br />

im Vordergrund, sondern das verlorene<br />

Bauwerk wird von den entsprechenden<br />

Individuen vor allem als bessere – weil<br />

„schönere“ – Alternative wahrgenommen.<br />

Für viele Laien ist dabei der Unterschied<br />

zwischen einer modernen Architektur und<br />

einem zeitgenössischen, möglicherweise<br />

nicht einem modernen Stil entsprechenden<br />

Gebäude allenfalls graduell. Der wesentliche<br />

Unterschied zwischen der Abwehr<br />

eines Neubaus und der Revision<br />

einer bestehenden Situation ist die Bewertungsgrundlage.<br />

Die Bewertung des zerstörten<br />

und ggf. zu rekonstruierenden Gebäudes<br />

fußt stets auf einer eigenen oder<br />

(medial) vermittelten Erfahrung. Die Ablehnung<br />

einer vorhandenen Bebauung<br />

geht stets von der eigenen Erfahrung aus,<br />

wobei Veränderungsmöglichkeiten häufig<br />

nicht berücksichtigt werden. Für einen<br />

Neubau liegen solche Erfahrungen<br />

nicht vor, wodurch die Bewertung lediglich<br />

auf aus Entwurfszeichnungen gewonnenen<br />

Erwartungen beruht. Darin wird<br />

auch noch einmal deutlich, wie stark ästhetische<br />

Urteile einerseits von individuellen<br />

Erfahrungen, andererseits aber auch<br />

von intellektuellen Fähigkeiten wie etwa<br />

gesellschaftlicher Kontextualisierung oder<br />

kunsthistorischer Einordnung abhängen.<br />

Dies gilt nicht nur für elitäre Kunstvorstellungen,<br />

sondern mindestens ebenso stark<br />

für populäre Geschmacksurteile, wenn<br />

etwa selbst herausragende architektonische<br />

Leistungen der Nachkriegsmoderne<br />

als schlichte Hinterlassenschaften einer<br />

Notzeit (z. B. Fernmeldehochhaus an<br />

der Stelle des Thurn-und-Taxis-Palais in<br />

Frankfurt a. M.; vgl. Kap. 5.3) verstanden<br />

werden oder sich die Ablehnung zeitgenössischen<br />

Bauens mit einer Kritik an Investorenarchitektur<br />

paart (BMVBS 2009: 46–51,<br />

vgl. hierzu auch den Fall des Braunschweiger<br />

Residenzschlosses).

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