PDF-Download - Newsletter Urbane Transformationen
PDF-Download - Newsletter Urbane Transformationen
PDF-Download - Newsletter Urbane Transformationen
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Fallstudien<br />
205<br />
Sowohl die Erstellung eines Identifikationsortes<br />
in der mit solchen Punkten relativ<br />
karg besetzten Weseler Innenstadt, als<br />
auch die Möglichkeit der touristischen<br />
Vermarktung waren fester Bestandteil der<br />
Argumentation. Gerade die bereits angesprochene<br />
Kausalität von Hansezeit und<br />
Kriegszerstörungen im 2. Weltkrieg und<br />
die Bedeutung für die Stadtidentität sind<br />
wesentliche Argumentationslinien für dieses<br />
eher ideell wichtige Vorhaben. Zudem<br />
besteht sowohl bei der Bürgerinitiative<br />
als auch bei der Stadt die Hoffnung – vermeintlich<br />
gestützt durch Erfahrungen in<br />
anderen Rekonstruktionsorten – eine kulturelle<br />
und touristische, aber auch fachgeführt,<br />
wenngleich nicht von den Engagierten<br />
der Bürgerinitiative selber, sondern<br />
insbesondere von politischen Vertretern.<br />
Es scheint auch das Argument, das am<br />
ehesten in der Lage ist, Gegnern einer Rekonstruktion<br />
davon zu überzeugen, den<br />
Weseler Befürwortern zumindest nicht im<br />
Wege zu stehen.<br />
(Angeführte) Argumente gegen einen<br />
Wiederaufbau<br />
Das wesentliche Gegenargument waren in<br />
der sozialpolitisch geprägten kommunalen<br />
Debatte die Kosten des Vorhabens, insbesondere<br />
der kommunale Anteil von über<br />
400 000 Euro. Wenngleich die Stadt nicht<br />
unter Finanzaufsicht steht, herrscht eine<br />
weit verbreitete Vorstellung, die Ausgaben<br />
auf wesentliche kommunale Aufgaben zu<br />
beschränken, und somit gehören – laut Rekonstruktionskritiker<br />
– Architektur und<br />
Städtebau gehören grundsätzlich nicht zu<br />
dieser Kategorie. Entsprechend wurde in<br />
der Diskussion auch angeführt, welche anderen<br />
(sozialen) Leistungen für die städtische<br />
Summe, aber auch die Spenden aus<br />
der Bürgerschaft erbracht werden könnten.<br />
Hier deutet sich eine gewisse Interessenüberschneidung<br />
zwischen dem rekonstruktionskritischen<br />
Stadtplanungsamt und<br />
den Wiederaufbaubefürwortern an.<br />
Aus dem Stadtplanungsamt und der örtlichen<br />
Architektenschaft wurden auch die<br />
üblichen Argumente für zeitgenössisches<br />
Bauen und gegen historische Rückgriffe<br />
vorgetragen, doch spielten sie in der lokalen<br />
Debatte eine deutlich untergeordnete<br />
Rolle. Wesentliche Teile der Argumentation<br />
sind zu finden bei Werner (2004).<br />
Die Diskussion um städtebauliche Qualitäten<br />
wird in Wesel zumeist als Luxusdiskussion<br />
abgetan, da städtebauliche<br />
Qualität mit einem Mehr an Kosten gleichgesetzt<br />
wird und somit wiederum – soziale<br />
– Projekte priorisiert werden. Anstelle dessen<br />
werden – auf das Rathaus-Projekt bezogen<br />
– kulturelle und touristische Argumente<br />
vorgeschoben, um eine funktionale,<br />
städtebauliche Diskussion auszublenden.<br />
(Angeführte) Argumente für vermittelnde<br />
Varianten<br />
Vermittelnde Varianten wurden zu keinem<br />
Zeitpunkt diskutiert. Allerdings scheint es<br />
innerhalb der Bürgerinitiative selbst noch<br />
eine Diskussion über die genaue Ausgestaltung<br />
der Fassade und der zum Umbau<br />
anstehenden Innenräumen zu bestehen.<br />
So ist zum Beispiel noch unklar, ob<br />
die Figuren in der Fassade, die ursprünglich<br />
Kirchenoberhäupter darstellten und<br />
im Zuge der Säkularisierung durch Landesherren<br />
ersetzt wurden, nicht wiederum<br />
durch eine zeitgenössische Interpretation<br />
ersetzt werden könnten. Ebenso sind<br />
für die Innenräume keine originalgetreuen<br />
Rekonstruktionen vorgesehen und ein<br />
Nutzungskonzept nur in Ansätzen und<br />
ohne Abstimmung mit der Stadt Wesel<br />
vorhanden.<br />
Bedeutung von Fachargumenten<br />
Fachargumente spielten im gesamten Verfahren<br />
eine geringe Rolle. In der Stadt Wesel<br />
bestimmte die letztlich haushaltspolitische<br />
Auseinandersetzung um die<br />
Mittelverwendung sowohl die öffentliche<br />
Diskussion als auch die Parlamentsdebatten.<br />
Letztere wurden zudem ganz wesentlich<br />
im Kulturausschuss geführt. Auch in<br />
der Einwerbung von Landesmitteln haben<br />
sie nur eine geringe Rolle gespielt: Der damalige<br />
Bauminister Vesper (Bündnis 90/<br />
Die Grünen) reagierte auf die Vorstellung<br />
der Bürgerinitiative offenbar in Kenntnis<br />
der Fachdebatte zwar zunächst zurückhaltend,<br />
ließ sich nach Prüfung durch die<br />
Ministerialverwaltung jedoch in seiner<br />
Entscheidung von dem beeindruckenden<br />
Bürgerengagement leiten.<br />
Bedeutung von Identifikation und<br />
Vermarktung