PDF-Download - Newsletter Urbane Transformationen
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Fallstudien<br />
197<br />
es der Vermarktung Leipzigs als Stadt der<br />
Bildung, Forschung, Musik und des Geistes<br />
für diejenigen, die als Gäste nach Leipzig<br />
kommen. Es ermöglicht einen weiteren<br />
Zugang zur Geschichtsvermittlung vom<br />
Zweiten Weltkrieg über die DDR-Zeit bis<br />
hin zur friedlichen Revolution, aber auch<br />
der Entwicklung der Universität über die<br />
Gesamtdauer ihres 600-jährigen Bestehens.<br />
Trotz der populären, den Massengeschmack<br />
bedienenden, durchaus spektakulären<br />
Architektur (Gormsen 10.9.2009)<br />
bleibt abzuwarten, ob das Gebäude als solches<br />
jedoch ausreicht, um entsprechend<br />
mancher Star-Architekturen eigenständig<br />
Besucher anzuziehen. Aufgrund der<br />
durchaus kritischen Einschätzung in der<br />
Architekturszene ist dies jedoch zu bezweifeln<br />
(vgl. Quester 25.8.2009).<br />
Für die Vermarktung weniger förderlich<br />
ist, dass der Bau zumindest im Inneren<br />
nicht rechtzeitig für die Feierlichkeiten<br />
zum Universitätsjubiläum fertig gestellt<br />
wird und damit den dann erwarteten Gästen<br />
aus aller Welt nicht im erhofften Umfang<br />
präsentiert werden kann, obwohl<br />
weiterhin davon ausgegangen wird, dass<br />
der Festakt in der unfertigen Aula stattfinden<br />
wird. Dies bietet allerdings auch<br />
die Möglichkeit, mehrfach zu feiern und<br />
das Gebäude so häufiger zu präsentieren<br />
(Gormsen 10.9.2009). Schon heute tut die<br />
Universität dies medial. Viele der zum Jubiläum<br />
hergestellten Werbematerialien<br />
ziert die Außenansicht des neuen Paulinums.<br />
Auch auf der Gedenkmünze ist es<br />
als zusätzliches grafisches Element in vereinfachter<br />
Form abgebildet, während die<br />
Post eine alte Ansicht von 1845 als Motiv<br />
auswählte (Leipziger Internet Zeitung<br />
2.7.2009). Schließlich erhält die Universität<br />
mit dem Gebäude auch eine repräsentative<br />
Aula und wird damit zusätzliche Möglichkeiten<br />
haben, Kongresse und andere<br />
wissenschaftliche wie kulturelle Veranstaltungen<br />
abzuhalten, was indirekt wiederum<br />
der Vermarktung von Stadt und<br />
Universität dient (vgl. Häuser 10.9.2009).<br />
5.3 Historisches Rathaus Wesel<br />
Einst als Hansestadt von erheblicher Bedeutung<br />
für die Region, ist Wesel heute<br />
Verwaltungssitz des gleichnamigen Krei<br />
ses. Die 61 000-Einwohner-Stadt am Niederrhein<br />
ist eine der kleinsten deutschen<br />
Städte, in denen ein Wiederaufbauvorhaben<br />
bekannt ist, was ein wesentliches Auswahlkriterium<br />
für die Fallstudie darstellte.<br />
Mit dem Wiederaufbau der Fassade des<br />
Ende des Zweiten Weltkriegs zusammen<br />
mit weiten Teilen der Bebauung (als gesamtstädtischer<br />
Zerstörungsgrad wurden<br />
bis zu 97 Prozent angegeben) zerstörten<br />
Rathauses aus der kurzen Epoche der flämischen<br />
Spätgotik soll an die historische<br />
Größe der Stadt angeknüpft werden und<br />
gleichzeitig die Innenstadtentwicklung<br />
der Mittelstadt gefördert werden. Während<br />
Einzelhandelskennziffern für ein relativ<br />
gut funktionierendes Zentrum sprechen,<br />
fehlt es in der von schlichter Nachkriegsbebauung<br />
geprägten Stadtmitte vor allem<br />
für zugezogene Weseler eines bürgerlichen<br />
Milieus an Bereichen mit Aufenthaltsqualität<br />
sowie betont städtischer Prägung.<br />
Dies gilt besonders für das so genannte<br />
Domviertel mit dem Großen Markt, an<br />
dem einst auch das Rathaus stand, da dieser<br />
älteste Teil Wesels im Zuge der Citybildung<br />
an Bedeutung verloren hat.<br />
Individuelle Wünsche nach Wiederaufbau<br />
bestanden zumindest bei einer kleinen<br />
Anzahl von Personen über einen langen<br />
Zeitraum, mindestens ab den 1970er<br />
Jahren. Zunächst fanden sie keine gesellschaftlich<br />
breite Unterstützung, zumal<br />
auch in der Nachkriegszeit mit Ausnahme<br />
des Willibrordi-„Doms“ keine Rekonstruktionen<br />
durchgeführt wurden und innerhalb<br />
der Stadtgesellschaft aus einem sozial<br />
bestimmten Kostenbewusstsein heraus<br />
insgesamt ein Sinn für pragmatische Lösungen<br />
besteht. Jedoch muss davon ausgegangen<br />
werden, dass besonders in älteren<br />
Bevölkerungsschichten der Weseler Stadtgesellschaft<br />
gewisse Verlustempfindungen<br />
gegenüber der kriegszerstörten, historischen<br />
Bebauung vorzufinden sind, ohne<br />
dass diese öffentlich artikuliert werden.<br />
1986 kam es dann zur Gründung einer<br />
bald als Verein organisierten Bürgerinitiative,<br />
die zunächst als „Freundeskreis“ aus<br />
elf älteren Bürgern bestand. Dem Anlass<br />
entsprechend, nämlich der „drohenden“<br />
Bebauung des seit dem Krieg unbebauten<br />
Rathausgrundstückes und der gesamten<br />
südlichen Seite des Großen Marktes, wurde<br />
die Rekonstruktion zunächst als Fernziel<br />
betrachtet. Man bemühte sich darum,