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158 Positionen zum Wiederaufbau verlorener Bauten und Räume Forschungen Heft 143<br />
Die wesentlichen Akteure, die sich für einen<br />
Wiederaufbau der Paulinerkirche und<br />
damit in der Regel auch für eine Wiederaufnahme<br />
der gemischten kirchlich-säkularen<br />
Nutzung aussprachen, waren zivilgesellschaftlich<br />
organisiert. Hauptorgan<br />
der Befürworter war der „Paulinerverein“<br />
(„Bürgerinitiative zum Wiederaufbau<br />
von Universitätskirche und Augusteum<br />
in Leipzig e.V.“), der – entstanden aus der<br />
gleichnamigen Bürgerinitiative (s.o.) – bereits<br />
ab 1992 in Erscheinung trat und der<br />
im Wesentlichen im Abschnitt über die<br />
Rolle lokaler Bürgerinitiativen untersucht<br />
werden wird. Der Paulinerverein war lange<br />
Zeit der einzige institutionalisierte Akteur,<br />
der sich neben verschiedenen Aktionen<br />
von (prominenten) Einzelaktionen<br />
für einen Wiederaufbau stark machte. Bemerkenswert<br />
ist, dass der Verein eine große<br />
Meinungspluralität besitzt und sich<br />
daher nie definitiv auf eine Form des Wiederaufbaus<br />
festgelegt hat – wenngleich<br />
bei einer Mitgliederbefragung eine Mehrheit<br />
für einen originalgetreuen Wiederaufbau<br />
votierte (Stötzner 28.8.2009). Dadurch<br />
gab es zumindest für den Vorstand<br />
stets einen gewissen Handlungsspielraum<br />
für eine Kompromissfindung, andererseits<br />
aber keine einfach vermittelbare Vision<br />
(vgl. Heymann 26.8.2009). Nach vereinsinternen,<br />
allerdings maßgeblich personellen<br />
Querelen entstand 2006 der Verein „Pro<br />
Universitätskirche e.V.“. Wenngleich sich<br />
aus dem Debattenverlauf vermuten ließe,<br />
dass sich hier vor allem jene „Pauliner“<br />
versammelten, denen die Linie des<br />
Pauliner ver eins nicht deutlich genug den<br />
Neubau als Kirche und als Gedenkstätte<br />
für die Opfer der sozialistischen Diktatur<br />
herausstellte, so erscheint dies als<br />
nicht zutreffend (vgl. Stötzner 28.8.2009).<br />
Auch weitere Initiativgründungen erfolgten<br />
erst nachdem die Hauptauseinandersetzung<br />
durch den Wettbewerb „befriedet“<br />
schien: Im Jahr 2008 wurde ein Aktionsinnerhalb<br />
der katholischen Gemeinde in<br />
Leipzig, anstelle eines notwendigen Neubaus<br />
andernorts die Universitätskirche zu<br />
ihrer Pfarrkirche zu machen.<br />
Zwei Dinge änderten dann die Haltung der<br />
Evangelisch-Lutherischen Landeskirche<br />
grundlegend: Zum einen fokussierte sich<br />
die Diskussion, wie sie vom Pauliner verein<br />
und zunehmend auch anderen zivilgesellschaftlichen<br />
Gruppen (s.u.) geführt<br />
wurde, nach dem Sieg van Egeraats und<br />
dem damit erzielten Konsens über die architektonische<br />
Hülle auf die Innenraumgestaltung<br />
und -nutzung. Zum anderen<br />
wurde ebenfalls 2004 ein neuer Landesbischof<br />
Jochen Bohl eingeführt und dieser<br />
vom ebenfalls neuen Paulinervorsitzenden<br />
Stötzner (28.8.2009) relativ bald für<br />
die verbliebenen Forderungen des Vereins<br />
gewonnen. Innerhalb des weiteren Streits<br />
um die Innenraumgestaltung und Nutzung<br />
formulierte er scharfe Kritik an der<br />
Universitätsleitung und der von ihr vorgesehenen<br />
Trennung in Aula und Andachtsraum.<br />
(www.evlks.de) Aktivster oder doch<br />
zumindest streitbarster Kirchenvertreter<br />
ist seitdem der Pfarrer der Thomaskirche<br />
Christian Wolff (10.9.2009), der mit<br />
bewusster Polemik und provokativen Aktionen<br />
für ein deutlicheres „Bekenntnis<br />
der Universität zu ihrer Geschichte“ durch<br />
Absicherung der „historischen Dreifachnutzung“<br />
aus Kirche, Aula und musikalischem<br />
Veranstaltungsraum eintritt (vgl.<br />
hierzu Häuser 10.9.2009, der diese nur für<br />
vierzig bis sechzig Jahre belegt sieht), allgemein<br />
aber auch für eine universitäre<br />
„Bildung, die ohne Wertvermittlung nicht<br />
auskommt“ (Wolff zit. In LVZ 30.8.2008).<br />
Anlass für sein Engagement ist dabei die<br />
Aussage der Universität, keine Kirche, sondern<br />
eine Aula zu bauen. Wolff gehört auch<br />
zu den Initiatoren des Aktionsbündnisses<br />
„Neue Universitätskirche St. Pauli“, dessen<br />
Forderungen Wolff zum Reformationstag<br />
2008 als „5 Leipziger Thesen“ an den Bauzaun<br />
des Paulinums geschlagen hat. Dabei<br />
geht es um die Dreifachnutzung, den Namen<br />
„Universitätskirche St. Pauli“, die Verhinderung<br />
der Glaswand und die Aufstellung<br />
von Altar und Kanzel der alten Kirche.<br />
Schließlich besteht seitens der Kirche das<br />
Angebot zur Restaurierung und Aufstellung<br />
der Barockkanzel und ist weiterhin<br />
der Verbleib des vor der Sprengung geretteten<br />
Altars der Paulinerkirche fraglich,<br />
der noch bis mindestens 2013 in der Thomaskirche<br />
steht. Mittlerweile wurde durch<br />
ein Rechtsgutachten festgestellt, dass die<br />
Kirche vor der Sprengung nicht entwidmet<br />
wurde und das neue Bauwerk als gewidmet<br />
gelten kann. Stötzner (28.8.2009) geht<br />
daher davon aus, dass es zu einem Staatsvertrag<br />
zwischen Freistaat und Landeskirche<br />
kommen wird, um die Nutzung zu regeln.