PDF-Download - Newsletter Urbane Transformationen
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Wiederaufbauprozesse: Zentrale Einflussfaktoren<br />
91<br />
lierten Populismusbegriff, der den Liberalismus<br />
einbezieht und von einem erweiterten<br />
Volksbegriff der besitzenden,<br />
unabhängigen „Mitte“ ausgeht, so könnte<br />
in der Verteidigung der „Freiheit zu bauen,<br />
was man will“, tatsächlich ein populistisches<br />
Argument gesehen werden. Diese<br />
Freiheit bestünde dann auch darin, sich<br />
gegen alle Argumente von Denkmalschützer,<br />
Historiker, Architekten und sonstigen<br />
Experten das gewollte „Schmuckstück“,<br />
etwa ein zu rekonstruierendes Gebäude,<br />
leisten zu dürfen.<br />
Allerdings wendet sich diese Argumentation<br />
in der Regel weniger gegen ein unkonkretes<br />
„die da oben“, sondern ganz wesentlich<br />
gegen Architekten und Planern<br />
als maßgebliche Vertreter der „vorherrschenden“<br />
Meinung. Den Politikern, die<br />
häufig ebenfalls der früheren Stadtzerstörung<br />
oder heutigen -verschandelung beschuldigt<br />
werden, wird hingegen weniger<br />
eine Absicht unterstellt. Vielmehr werden<br />
sie als den Architekten und Planeren hörig<br />
dargestellt oder ihnen ein Unterlassen ihrer<br />
Sorgfaltspflicht gegenüber der gebauten<br />
Umwelt und den darin lebenden Menschen<br />
vorgeworfen. Damit fehlt zumindest<br />
auf den ersten Blick eine verschwörungstheoretische<br />
Vermengung von Akteuren<br />
und undifferenzierter Elitenbegriff, wie<br />
er für populistische Argumentationen typisch<br />
ist. Deutlich wird dies auch in manchen<br />
ostdeutschen Diskussionen über die<br />
Schuld für die mutwillige Zerstörung von<br />
relativ gering beschädigte Baudenkmalen<br />
innerhalb des SED-Regimes, die eine sehr<br />
differenzierte Aufarbeitung der „Schuldfrage“<br />
versuchen (vgl. dazu Kap. 5). Dies<br />
würde dafür sprechen, dass es sich hier<br />
nicht um eine generell populistische Argumentation<br />
handelt, sondern eine, die<br />
sich auf einen bestimmten Themenbereich<br />
beschränkt – nämlich die Architektur,<br />
ggf. die Stadtentwicklung oder Kultur.<br />
Es würde sich somit um eine architektur-,<br />
ggf. auch allgemein kulturpopulistische<br />
Tendenz handeln, die innerhalb der Rekonstruktionsbewegung<br />
besteht und die<br />
entsprechend innerhalb ihrer Argumentation<br />
für den Wiederaufbau verlorener Bauten<br />
formuliert oder wiedergegeben wird.<br />
Die anti-modernen, gegen eine Elitenarchitektur<br />
gerichteten Argumente der Rekonstruktionswelle<br />
stünden dann in direkter<br />
Beziehung zu populären Einflüssen<br />
auf die Architektur, wie sie etwa de Bruyn<br />
(2003) recht unkritisch beschreibt: Die<br />
Architekten/-innen sollen sich in ihren<br />
Werken verstärkt am Modebewusstsein<br />
der Allgemeinheit orientieren und deren<br />
Wünsche als Konsumenten im Sinne einer<br />
stärker partizipativen – also letztlich stärker<br />
plebiszitären – Architekturauffassung<br />
berücksichtigen. Allerdings würde diese<br />
Einschätzung zum einen davon ausgehen,<br />
dass Architekturschaffende tatsächlich<br />
über hinreichende Möglichkeiten verfügen,<br />
die Gestaltung der baulichen Realität<br />
alleine zu bestimmen. Tatsächlich kann<br />
man davon ausgehen, dass „der Architekt“<br />
oder „der Planer“ bzw. ihre Berufsstände,<br />
gegen die von den Befürwortern traditioneller<br />
Architektur wie baulicher Rekonstruktion<br />
argumentiert wird, häufig auch<br />
als Stellvertreter oder gar als Sündenböcke<br />
für eine komplexe Gruppe von unterschiedlichen<br />
Personen dienen, die an der<br />
konkreten, auch gestalterisch-architektonischen<br />
Ausprägung des Baugeschehens<br />
beteiligt sind und insgesamt einer gesellschaftlichen<br />
Elite zuzuordnen sind. Diese<br />
– möglicherweise auch unbewusste – Verkürzung<br />
stellt wiederum ein Indiz für die<br />
Übernahme weiterer Teile einer populistischen<br />
Ideologie dar. Zum anderen ist auf<br />
die gesellschaftliche Einbettung des Baugeschehens<br />
zu verweisen, Kern einer Kritik<br />
an postmodernen Architekten und der<br />
von de Bruyn (2003) geforderten partizipativen<br />
Architektur (vgl. Lootsma 2008). Im<br />
Sinne eines gesellschaftspolitischen Verständnisses<br />
von Architektur ist ein geplanter<br />
Bau in zeitgenössischem Gewand immer<br />
auch Ausdruck der gesellschaftlichen<br />
Verhältnisse. Er repräsentiert – zumal im<br />
Falle der in der Regel besonderen Bauten,<br />
an denen sich solche Debatten entspinnen<br />
– Macht und Einfluss, die, folgt man populistischen<br />
Argumenten, exklusiv einer Elite<br />
zur Verfügung stünden und gegen den<br />
Mehrheitswillen eingesetzt würden. Insofern<br />
sind Rekonstruktionsdebatten häufig<br />
auch Diskussionen, die stellvertretend für<br />
stadtentwicklungspolitische Auseinandersetzungen<br />
(oder auch parallel zu ihnen)<br />
geführt werden.<br />
Für die Gesamtheit der unterschiedlichen<br />
Wiederaufbauvorhaben lässt sich somit der<br />
These einer generell populistischen Argumentation<br />
nicht notwendigerweise folgen.<br />
Für einzelne Beispiele wahrscheinliche