PDF-Download - Newsletter Urbane Transformationen
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Gesellschaftliche Rahmenbedingungen und Hintergründe<br />
21<br />
Abbildung 3<br />
Briefmarkenserie der Deutschen Bundespost zum Europäischen Denkmalschutzjahr 1975<br />
Quelle: gemeinfrei<br />
Dehios dabei deutlich. Hellbrügge führte<br />
aus, dass bereits in der bis etwa 1910 geführten<br />
Grundsatzdebatte die Dehio-Rede<br />
zum Heidelberger Schloss von 1905 nicht<br />
das letzte Wort gewesen sei, bzw. nur stark<br />
beschränkt gültig war. Zum einen sei das<br />
„Rekonstruktionsverbot“ nur auf so genannte<br />
tote – also unbenutzte oder ruinöse<br />
– Denkmäler angewendet worden, zum<br />
anderen sei die Gleichwertigkeit von kreativen,<br />
zeitgenössischen Neuschöpfungen,<br />
die Cornelius Gurlitt noch stärker als<br />
Dehio vertreten habe, durch die Disziplin<br />
nie akzeptiert worden. Bei lebenden Denkmälern<br />
habe sich die Auffassung Paul Clemens’<br />
durchgesetzt, der sie als „lehrreiche<br />
Darstellungsmittel, die kulturpolitisch<br />
und volksmissionarisch einzusetzen waren“,<br />
ansah. Aus der hierin angelegten Verbindung<br />
mit der Heimatschutzbewegung<br />
folgte demnach einerseits die Ablehnung<br />
zeitgenössischer Kunsteinflüsse, andererseits<br />
auch eine gesteigerte – und durch die<br />
Denkmalpflege noch zu steigernde – Bedeutung<br />
des Symbolwerts eines Denkmals.<br />
So sei es bis 1945 üblich gewesen, „dass<br />
man beispielsweise ‚entstellenden Zierrat‘<br />
entfernte und den ‚monumentalen Kern‘<br />
des Denkmals herausschälte.“ Nur in der<br />
Periode zwischen 1945 und dem Denkmalschutzjahr<br />
1975 hätten „das schlechte<br />
Gewissen und eine neue Moral auch die<br />
Denkmalpflege bestimmt“, und es sei zu<br />
zeitgenössischen Ergänzungen, schlichten<br />
Raumfassungen und der generellen Ablehnung<br />
von Rekonstruktionen gekommen.<br />
Die Denkmalkonservierung habe das Ziel<br />
verfolgt, „die verbliebenen Originale als<br />
unzweideutig wahr und echt herauszustellen“,<br />
habe aber gleichzeitig auch dazu<br />
geführt, dass der Erhalt der vermeintlich<br />
unwahrhaftigen Ergebnisse des Historismus<br />
kaum Bedeutung hatte und es zu umfassenden<br />
Zerstörungen innerhalb dieser<br />
Bebauung kommen konnte. Ab 1975 habe<br />
sich die Disziplin zwar einerseits auf die<br />
Authentizität berufen, andererseits aber<br />
die wissenschaftliche Beforschung und<br />
Begleitung als Möglichkeit zur Rekonstruktion<br />
gebilligt. Seine Ausführungen, so<br />
stellte Hellbrügge abschließend fest, zeigten,<br />
dass die Erhaltungsmethoden der<br />
Denkmalpflege „nicht einem Grundsatz<br />
unterworfen waren, sondern meistens der<br />
den Denkmalobjekten jeweils zugewiesenen<br />
Bedeutung und Sinnfunktion nachgeordnet<br />
war.“<br />
Sigrid Brandt nutzte ihren Beitrag im zweiten<br />
Symposium dazu, auf den oftmals<br />
als Schimpfwort gebrauchten Begriff der<br />
„schöpferischen Denkmalpflege“ und seine<br />
Herkunft einzugehen. Während der Weimarer<br />
Republik sei innerhalb dieses Begriffes<br />
nicht nur das Bewahren, sondern<br />
auch die Vermittlung des Denkmals Aufgabe<br />
der Denkmalpflege gewesen. Sofern<br />
zur Darstellung des historischen Kontexts,<br />
der (zumeist nationalen) Symbolik oder<br />
der Verständlichkeit des ganzen Objekts<br />
eine Veränderung erforderlich gewesen sei,<br />
sei sie als legitimiert zu betrachten. Wenn<br />
also ab 1975 kritisiert wurde, die Reduktion<br />
des Denkmalwerts auf die Substanz sei<br />
einfältig (Willibald Sauerländer), so sieht<br />
Clemens Kieser (sechstes Symposium) darin<br />
letztlich ein Argument mit dem gleichen<br />
Ziel, nämlich dem Denkmalerhalt. Er macht<br />
deutlich, dass alle materiellen geschichtlichen<br />
Hinterlassenschaften Fragmente seien<br />
und entsprechend auch die Objekte der<br />
Denkmalpflege als solche zu begreifen seien,<br />
sowohl die dinglichen als auch die zu<br />
interpretierenden Zeichen. Daraus folgt für<br />
ihn aber noch lange kein Argument für den<br />
Wiederaufbau: Vielmehr sei in einem geistigen,<br />
nicht aber handwerklichen Prozess<br />
beständig zu (re-)konstruieren. Werde das<br />
Fragment nun aber durch materielle Rekonstruktion<br />
in ein Ganzes überführt, so<br />
werde das Objekt der Denkmalpflege zerstört.<br />
„Die Rekonstruktion wird zur obszönen<br />
Handlung, die alles zeigt und den Eros<br />
der Erkenntnis zerstört.“