PDF-Download - Newsletter Urbane Transformationen
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Gesellschaftliche Rahmenbedingungen und Hintergründe<br />
25<br />
oder gar feindlich gegenüber standen. So<br />
wurde etwa in einer Diskussion um die<br />
Wiederherstellung des Neuen Schlosses<br />
in Stuttgart von Richard Döcker (1954; in:<br />
Hanselmann 2005) die bauliche Rekonstruktion<br />
mit gesellschaftlicher Restauration<br />
gleichgesetzt.<br />
Sofern Baudenkmale, die an sich erhaltenswert<br />
erschienen, so schwer beschädigt<br />
waren, dass nur ein Wiederaufbau<br />
den entsprechenden Raumeindruck wiederherstellen<br />
könnte, bestanden ebenfalls<br />
erhebliche Auseinandersetzungen,<br />
sowohl um die grundsätzliche Durchführung<br />
einer Rekonstruktion wie auch über<br />
die angemessene Strategie. So wurde etwa<br />
um die Wiedererrichtung des Frankfurter<br />
Goethehauses heftig gerungen, letztlich<br />
eine der nicht allzu zahlreichen Versuche<br />
einer möglichst originalgetreuen Rekonstruktion<br />
aus jener Zeit – ermöglicht durch<br />
eine genaue Dokumentation, die auch die<br />
wandfeste Innenausstattung einschloss.<br />
Während etwa Walter Dirks (1947; in: Hanselmann<br />
2005) in der Zerstörung einen logische<br />
Konsequenz einer schuldhaften<br />
Verantwortung sah und demnach forderte,<br />
auch sie zu akzeptieren, wurde von Befürwortern<br />
des Wiederaufbaus zumal eines<br />
solch „unschuldigen“ Gebäudes wie<br />
das des Dichterfürsten das positive Symbol<br />
betont. Während Otto Bartning (1948;<br />
in: Hanselmann 2005) eine „Entscheidung<br />
zwischen Wahrheit und Lüge“ sah, betonte<br />
Bundespräsident Theodor Heuss bei der<br />
Einweihung 1951, dass das gerettete Originalinventar<br />
eines angemessenen Ortes bedurft<br />
hätte und dass die „polemische Diskussion“<br />
mit der Wiederherstellung bereits<br />
Vergessenheit geworden sei.<br />
Diese Diskussion allerdings war eingebunden<br />
in einen breiteren Diskurs zur Neudefinition<br />
nationaler Identität und kultureller<br />
Authentizität nach zwölf Jahren<br />
nationalsozialistischer Herrschaft, die<br />
sich um „Begriffe [...] wie Schuld und Gewissen,<br />
Tradition und Fortschritt, Staatsform,<br />
abendländische Kultur, Glauben und<br />
Humanismus“ (Falser: 2008: 301) rankte.<br />
Gleichzeitig sieht Falser (2008: 302) auch<br />
einen daraus hervorgehenden Wandel des<br />
Denkmalschutzbegriffs von der Dehioschen<br />
„ideellen Mitbesitzerschaft des Volkes“<br />
hin zu einer individualistischen und<br />
humanistisch-universellen Hinwendung<br />
zum Denkmal. So sei etwa die wieder aufgebaute<br />
Frankfurter Paulskirche nicht als<br />
Rekonstruktion als vielmehr als nachkriegsmoderne<br />
Aneignung zu verstehen.<br />
Insgesamt wurde innerhalb der Nachkriegszeit<br />
das gesamte Spektrum der<br />
Strategien zum Umgang mit Wiederherstellungen<br />
vom exakten Nachbau bis zu<br />
entschiedenen Gegenlösungen angewendet.<br />
Auch bei teilzerstörten Gebäuden<br />
wurde die Reparatur verschiedentlich<br />
nicht nur vereinfacht vorgenommen, sondern<br />
in ihrem Charakter betont, etwa bei<br />
der Alte Pinakothek in München oder der<br />
noch einmal zerstörten Dresdner Kreuzkirche.<br />
Auch wurden vielfach Ruinen erhalten,<br />
teils zur Bewahrung für einen späteren<br />
Wiederaufbau, teils als dauerhafte<br />
Lösung mit mehr oder weniger artikulierter<br />
Mahnmalfunktion. Diese Bandbreite<br />
gilt gleichermaßen auch für das Gebiet<br />
der DDR, wo jedoch zu der erheblichen<br />
Zahl von Abrissen noch verschiedene Formen<br />
der Vernachlässigung hinzukamen.<br />
Auch konnte die die Maßnahmen in Westdeutschland<br />
häufig begleitende fachliche<br />
und öffentliche Diskussion hier häufig<br />
nicht in gleichem Maße und vor allem<br />
nicht mit der gleichen Offenheit ausgetragen<br />
werden. Die Entscheidung über das<br />
Schicksal der kriegszerstörten Baudenkmale<br />
oblag dabei häufig letztlich dem<br />
Staatsrat und nicht den Vertretern der<br />
städtischen Gesellschaft, was dennoch zu<br />
einer großen Unstetigkeit führte (Kirchner<br />
2005: 151).<br />
Dort, wo man sich für eine originalgetreue<br />
oder vereinfachte Rekonstruktion entschied,<br />
entstand das Erfordernis, einen<br />
zu rekonstruierenden Zeitpunkt der Baugeschichte<br />
zu wählen. Trotz des in der Rekonstruktionsentscheidungen<br />
liegenden<br />
„Bekenntnis[ses] zur Kontinuität von Geschichte“<br />
(Huse; zit. in Hanselmann 2005)<br />
wurde dabei trotz schwierigerer Quellenlage<br />
längst nicht immer der Vorkriegszustand<br />
gewählt, insbesondere dort, wo dieser<br />
aus der nunmehr wenig angesehenen<br />
Zeit des Historismus stammte – so etwa<br />
bei einem Teil der Kölner Kirchen, obwohl<br />
hier zunächst innerhalb einer Vortragsreihe<br />
„Was wird aus den Kölner Kirchen“ vor<br />
allem rekonstruktionskritische Stimmen<br />
zu Wort gekommen waren. St. Maria im<br />
Kapitol wurde etwa in Teilen im Stil des 11.