PDF-Download - Newsletter Urbane Transformationen
PDF-Download - Newsletter Urbane Transformationen
PDF-Download - Newsletter Urbane Transformationen
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Gesellschaftliche Rahmenbedingungen und Hintergründe<br />
43<br />
Da die Vergleiche überwiegend auf phänomenologischer<br />
Ebene gezogen werden, erscheinen<br />
theologische oder religiös motivierte<br />
Einwendungen, die gegen eine<br />
weiter gefasste, säkulare Verwendung primär<br />
religiöser Begriffe wie des Heiligen<br />
und der Reliquie im Weiteren unerheblich.<br />
Eine feinere Unterscheidung zwischen<br />
verschiedenen im allgemeinen oder journalistischen<br />
Sprachgebrauch gleichgesetzten<br />
Phänomenen und die Überprüfung ihrer<br />
tatsächlichen Übereinstimmung mit<br />
dem sakralen Begriffsinhalt sind an dieser<br />
Stelle nicht möglich. Wesentliche Quelle<br />
der nachfolgenden Darstellungen ist<br />
Arnold Angenendts umfassende und zwischen<br />
verschiedenen disziplinären Zugängen<br />
ausgewogene Abhandlung über „Heilige<br />
und Reliquien“. Zusätzliche Quellen<br />
wurden im Wesentlichen zur stellenweisen<br />
Vertiefung und Aktualisierung herangezogen.<br />
Reliquienkult<br />
Der Begriff Reliquienkult bezieht sich zunächst<br />
ausschließlich auf die religiöse<br />
Verehrung von Heiligen, die in der rituellen<br />
Aufbewahrung und Verwendung ihrer<br />
sterblichen Überreste bzw. einzelner<br />
Teile davon zum Ausdruck kommt. Entsprechende<br />
Riten sind in vielen Religionen,<br />
darunter sämtlichen Weltreligionen,<br />
nachgewiesen: Nachfolgend soll fast ausschließlich<br />
auf den christlichen Reliquienkult<br />
eingegangen werden, da nur dieser<br />
für den hier diskutierten Kontext – die<br />
Parallelität zu bestimmten Aspekten der<br />
Rekonstruktionswelle innerhalb einer jüdisch-christlich<br />
geprägten Gesellschaft<br />
– von Bedeutung ist. Innerhalb des – katholischen<br />
Christentums kann von einer<br />
besonders stark ausgeprägten Heiligenverehrung<br />
mittels Reliquien ausgegangen<br />
werden, innerhalb derer gar eine Systematik<br />
von Reliquienklassen entstand. So werden<br />
erstens Körperteile, zweitens so genannte<br />
„echte“ Berührungsreliquien (von<br />
den Heiligen genutzte Objekte, insbesondere<br />
solche mit biografischer Bedeutung<br />
wie etwa Gewänder oder Waffen; vgl. Angenendt<br />
1994: 156) und drittens mittelbare<br />
Berührungsreliquien (Objekte, die Reliquien<br />
erster Klasse berührt haben bzw. absichtlich<br />
in Kontakt gebracht wurden) verehrt,<br />
wobei sich eine besondere Stellung<br />
biblischer Reliquien ergibt und mittler<br />
weile Christus- und Marienreliquien erster<br />
Klasse aufgrund der katechistischen Deutung<br />
ihrer Himmelfahrt ausgeschlossen<br />
werden (Angenendt 1994: 214–229; vgl. Erret<br />
2003). Nach der katholischen Lehre ergibt<br />
sich eine Ausschließlichkeit der Begriffsverwendung:<br />
„Reliquien sind keinesfalls als religiöse<br />
Souvenirs zu betrachten wie museale<br />
Andenken etwa von der Kleidung großer<br />
Dichter. Wahrer Reliquienkult dient<br />
ausschließlich der Heiligenverehrung und<br />
keinem magischem Selbstzweck. Der Kult<br />
orientiert sich von der Vergangenheit des<br />
vorbildlichen Lebens des Heiligen ausgehend<br />
her auf die religiöse Gegenwart und<br />
Zukunft. Wenn sich der Reliquienkult von<br />
der Heiligenverehrung wirklich verselbständigt,<br />
wie dies aus der Vergangenheit<br />
vereinzelt bekannt ist, verderben gefährliche<br />
Strömungen der Magie und des Fetischismus<br />
die echte Frömmigkeit.“ (Erret<br />
2003: 11–12)<br />
Heiligenverehrung<br />
Reliquienkulte sind stets eine Form der<br />
Heiligenverehrung. Angenendt (1994: 9–10)<br />
geht mit Eliade (1954: 19) davon aus, dass<br />
die Trennung von etwas Heiligem vom<br />
Profanen bzw. von religiösem und weltlichem<br />
Leben das Gemeinsame jeder „bisher<br />
gegebenen Definition des Phänomens<br />
Religion“ (Hervorhebung bei Angenendt<br />
1994: 9) sei, zugleich aber eine allgemeingültige<br />
Abgrenzung daran scheitere, dass<br />
in den unterschiedlichen Religionen – so<br />
Angenendt – wohl jedes Objekt oder Wesen<br />
schon einmal als heilig angesehen<br />
bzw. dazu erklärt wurde. Deutlicher werde<br />
allerdings die Abgrenzung, sofern es<br />
um „den Heiligen“ als „religiösen Ausnahmemenschen“<br />
(Angenendt 1994: 10)<br />
gehe. Der „Heilige“ verfügt stark verkürzt<br />
nach Speyer (1990: 49, zit. in Angenendt<br />
1994: 10) über eine besondere spirituelle<br />
Kraft, Macht oder Befähigung. Im Christentum<br />
als „ethischer Erlösungsreligion“<br />
(Max Weber) zeigte sich dieses Charisma<br />
zumindest ab dem 12. Jahrhundert in einem<br />
„herausragende[n] Ethos“ (Angenendt<br />
1994: 11, vgl. ebd.: 11–12) und entsprechenden<br />
Devotions- und Sozialpraktiken des<br />
Heiligen, die auf Heiligenbildern entsprechend<br />
dargestellt wurden und später, insbesondere<br />
im Protestantismus, zum we