PDF-Download - Newsletter Urbane Transformationen
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294 Positionen zum Wiederaufbau verlorener Bauten und Räume Forschungen Heft 143<br />
und sich in dort bestehende räumliche<br />
Strukturen einfügen. Charakteristisch<br />
für die entstehenden homogenisierten<br />
Strukturen ist jedoch auch der hohe<br />
Wiedererkennungswert, vor allem durch<br />
die Markenimages, die mit dem Ort verschmelzen.<br />
Gepaart mit den beheimateten<br />
alltagsrelevanten Funktionen bietet<br />
die Adressierung einer breiten Nutzerschaft<br />
Identifikationspotentiale (vgl.<br />
Hauser 2007: 34).<br />
Kritisierte Akzeptanz<br />
Eine kritische Haltung, ob zur Gebäudenutzung<br />
oder Gestaltung, ist als identitätsstiftend<br />
auszulegen, selbst wenn die<br />
negative Bewertung trotz regelmäßiger<br />
Auseinandersetzung bestehen bleibt. So<br />
trifft bspw. die Architektur der Vorplatzüberdachung<br />
des Bahnhofs Wilhelmshöhe<br />
in Kassel vielfach auf begrenzte Begeisterung<br />
bei Bevölkerung und Reisenden, wirkt<br />
dennoch gleichzeitig als Lokalisierungsmerkmal.<br />
Ebenfalls anzuführen ist das<br />
Haus der Bürgerschaft in Bremen. Anstelle<br />
der im Zweiten Weltkrieg zerstörten Börse<br />
wurde es trotz andauernder Kontroversen<br />
in Bewohner- und Architektenschaft über<br />
Fassadengestaltung und Einbindung in<br />
das historische Ensemble realisiert. Auch<br />
durch die Nutzung als Sitz des Landtags<br />
der Freien Hansestadt Bremen ist die Ablehnung<br />
mittlerweile gesunken (vgl. Nerdinger/Tafel<br />
1996: 17). Folglich kann die<br />
Ablehnung mit der Zeit abschwächen oder<br />
gar in Akzeptanz umschlagen, eine Gewöhnung<br />
stattfinden oder die Ablehnung<br />
zum „Alltag“ werden. Dies ist etwa zu beobachten<br />
nach den kontroversen Diskussionen<br />
um den Bau des Stadthauses auf<br />
dem Domplatz in Ulm, oder – wenn auch<br />
nicht als primär identitätsstiftendes Merkmal<br />
zu identifizieren – beim Hansaviertel<br />
in Berlin und dem Ronald McDonald Hundertwasser<br />
Haus in Essen.<br />
Historische Relevanz<br />
Eine geschichtsträchtig bedeutsame Nutzung,<br />
Lokalität oder auch symbolische<br />
Funktionszuweisung ist in dem Prozess<br />
der Identitätsbildung ebenso von Relevanz<br />
wie die heutige Nutzung. Überlagern oder<br />
prägen die historischen Schichten die heutige<br />
Wahrnehmung, basiert die identitätsstiftende<br />
Wirkung primär auf der histo<br />
rischen Verknüpfung (vgl. Sigel 2006: 14).<br />
Dabei sind zwei Deutungsrichtungen zu<br />
unterscheiden:<br />
• Individuelle Relevanz: Sie umfasst biographische<br />
Bezüge zu einem Ort, einem<br />
Gebäude oder der Nutzung. Als Projektionsfläche<br />
der eigenen Lebensgeschichte<br />
oder von Teilepisoden besteht eine individuelle<br />
Verbindung (vgl. Keupp et. al.<br />
2008: 66 f.; Sigel 2006: 14). So sind bspw.<br />
das Parkstadion in Gelsenkirchen, die<br />
ehemalige und langjährige Spielstätte<br />
des FC Schalke 04 und die Spielbank<br />
Hohensyburg in Dortmund mit individuellen<br />
Erinnerungen an Siege und Niederlage<br />
verbunden. Zusätzliche Beispiele<br />
sind die Gridelhochäuser in Hamburg,<br />
die Karl-Marx-Allee in Berlin und die<br />
Ruhruniversität Bochum.<br />
• Anekdotische Relevanz: Die Verbundenheit<br />
basiert auf einem breiten gesellschaftlichen<br />
Fundament (vgl. Keupp<br />
et. al. 2008: 66 f.). Durch Teilhabe<br />
oder historische Bedeutsamkeit erfolgt<br />
die Synthese zu einem gemeinschaftlichen<br />
Symbol. Dabei kann es sich sowohl<br />
um die Wiederbelebung eines alten Erinnerungsbildes<br />
handeln als auch um<br />
eine Neuinterpretation auf historischer<br />
Grundlage (vgl. Sigel 2006: 15). Die im<br />
Alltag vorherrschende, auf der Historie<br />
beruhende Verbundenheit wird anhand<br />
des umgangssprachlich als „Langer Eugen“<br />
bezeichneten Abgeordneten-Hochhauses<br />
des Deutschen Bundestages – heute<br />
von der UN genutzt – in Bonn oder des<br />
VW-Werkes in Wolfsburg deutlich. Darüber<br />
hinaus anzuführen sind der Expo<br />
Park Hannover, das Messehochhaus<br />
(Leipzig) und der Fernsehturm in Berlin.<br />
Architektonische Exzellenz<br />
Eine herausragende Architektur und die<br />
verwendeten Bautechniken oder Materialien<br />
sprechen primär Fachkreise an, werden<br />
allerdings von der Bevölkerung zumindest<br />
als „schön“, „gelungen“ oder Symbol<br />
für die Weiterentwicklung und Aufwertung<br />
der eigenen Stadt wahrgenommen.<br />
Selten gelingt allerdings der ausschließliche<br />
Sprung als architektonisch herausragendes<br />
Gebäude in die gesellschaftliche<br />
Wahrnehmung – oder auch gesellschaftlicher<br />
Teilgruppen –, weshalb weiter zu differenzieren<br />
ist: