PDF-Download - Newsletter Urbane Transformationen
PDF-Download - Newsletter Urbane Transformationen
PDF-Download - Newsletter Urbane Transformationen
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Gesellschaftliche Rahmenbedingungen und Hintergründe<br />
61<br />
individueller Präferenz werden unterschiedliche<br />
Aspekte in den Vordergrund<br />
gestellt. Biographische Ereignisse werden<br />
sogar in der Erinnerung oftmals so interpretiert,<br />
dass sie an den jeweils aktuellen<br />
Identitätsentwurf angepasst werden können<br />
(vgl. Abels 2006: 245, Bückmann 2007,<br />
Koenen 2000: 109, Nassehi 2004: 30, Pott<br />
2007). In diesem Sinne ist die Bildung von<br />
Identität als eine soziale Entwurfsleistung<br />
zu betrachten, die eine aktive Herstellung<br />
und Aneignung – die bewusste oder unbewusste<br />
Identifizierung mit etwas oder jemandem<br />
– voraussetzt.<br />
In diesem Konstruktionsprozess bedingen<br />
sich personale und kollektive Identität<br />
gegenseitig. Auch die Identität von Kollektiven<br />
entsteht erst dadurch, dass ihnen<br />
bestimmte Eigenschaften zugeschrieben<br />
werden und ändert sich dementsprechend<br />
auch je nach ihrer Zusammensetzung aus<br />
unterschiedlichen Individuen (vgl. Korfkamp<br />
2006: 129 ff.). Werden die zugeschriebenen<br />
Eigenschaften des Kollektivs<br />
von den Subjekten als positiv und vorbildlich<br />
empfunden, erbringen sie eine solche<br />
Identifizierungsleistung und konstruieren<br />
damit erst das Kollektiv sowie<br />
dessen und die persönliche Identität. In<br />
ihnen kann sich das verunsicherte Individuum<br />
„unberührt von den Wechselfällen<br />
des modernen Lebens aufgehoben<br />
fühlen“ (Korfkamp 2006: 71). Ausprägungen<br />
identitätsstiftender Kollektive können<br />
zum Beispiel Parteien Nationen oder Vereine<br />
sein. Aber auch verschiedene räumliche<br />
Ebenen können kollektiver Identifizierung<br />
dienen. Auf die Raumbezogenheit<br />
von Identitäten wird im Zuge des spatial<br />
turns in den vergangenen Jahrzehnten<br />
– zum Beispiel von Vertretern der Kulturgeographie<br />
– verstärkt hingewiesen.<br />
Der regionalen und lokalen (und damit<br />
auch der städtischen) Ebene wird besondere<br />
Bedeutung zugeschrieben. Orte werden<br />
dabei als Identitätsanker, „als wichtige<br />
Medien zur Herstellung, Verfestigung<br />
und Kontrolle, aber auch zur Veränderung<br />
von Identitäten“ (Pott 2007: 30, Hervorhebung<br />
im Original) interpretiert. Materielle<br />
und immaterielle Objektivierungen ergänzen<br />
sich zu einer spezifischen identitätsbildenden<br />
Stadtkultur, deren „Ursprung<br />
und Fundament“ (Assmann/Ass mann<br />
1993: 267, zitiert nach Christmann 2003)<br />
im gemeinsamen Erinnern liegt. Mit dem<br />
Begriff materielle Objektivierungen ist<br />
hier die gestaltete Umwelt, also Bauwerke,<br />
Denkmäler und Infrastruktur, aber auch<br />
Gebrauchs- und Kunstgegenstände gemeint;<br />
immaterielle Objektivierungen beziehen<br />
sich auf kommunikatives Handeln<br />
innerhalb eines stadtbezogenen Diskurses.<br />
Institutionen des politischen, religiösen,<br />
wirtschaftlichen und sozialen Lebens<br />
sind Hybridformen, die sowohl materielle<br />
als auch immaterielle Elemente beinhalten.<br />
Die verschiedenen Teile beziehen sich<br />
aufeinander und beeinflussen sich gegenseitig.<br />
Stadtkultur entsteht somit als kollektives<br />
Gedächtnis im Sinne von auf die Vergangenheit<br />
bezogenen Wirklichkeitsdeutungen.<br />
Als solche entwickelt sie sich zwar historisch<br />
relativ stabil, ist aber immer auch<br />
abhängig davon, was die jeweiligen Stadtbewohnern<br />
für erinnerungs- oder überlieferungswürdig<br />
halten und was nicht und<br />
dementsprechend selektiv.<br />
Auch zum Raum muss der Bezug also aktiv<br />
hergestellt werden, d.h. Identität entsteht<br />
erst durch den Willen zur Aneignung eines<br />
Ortes und der Identifizierung mit selbigem.<br />
Gerade die Bedeutung von stark symbolbehafteten<br />
Orten als Medium der Distinktion<br />
von anderen wie kulturellen Gedächtnisorten<br />
oder Repräsentationszentralen<br />
von Organisationen und Konzernen wird<br />
hervorgehoben (vgl. Pott 2007). Sie bilden<br />
als „Kerne des lokalen gesellschaftlichen<br />
Wissensvorrats“ (Christmann 2003: 13)<br />
die materielle Grundlage für die Herausbildung<br />
einer gemeinsamen städtischen<br />
Identität, der die Bewohner von ihnen positiv<br />
belegte Eigenschaften zuschreiben.<br />
Die Aspekte, die nicht dem aktuellen bzw.<br />
dem gewünschten Selbstbild entsprechen,<br />
werden (durch Abriss oder eben Nicht-Rekonstruktion)<br />
aus dem gemeinsamen Gedächtnis<br />
ausgeblendet.<br />
Architektur und Design werden also wieder<br />
vermehrt als Mittel zur Selbststilisierung<br />
und damit auch Identitätsbildung<br />
wahrgenommen. Die Rekonstruktion historisch<br />
bedeutsamer Gebäude ermöglicht<br />
es nach dieser Argumentation, lokale Geschichte<br />
und damit einen Teil der lokalen<br />
Identität selektiv sichtbar zu machen und<br />
die städtischen Besonderheiten zu betonen.<br />
Dementsprechend ist auch die historische<br />
Authentizität nachrangig gegenüber