PDF-Download - Newsletter Urbane Transformationen
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Fallstudien<br />
169<br />
zumindest die Position eines von sieben<br />
„sachverständigen Beratern“ gewährt, womit<br />
er formal etwa dem Denkmalschutzund<br />
Stadtplanungsamt gleichgestellt war.<br />
Auch lokale Architekten waren kaum in<br />
der Jury vertreten. Wesentliche Teile des<br />
Gebäudebestands, insbesondere der an<br />
den Augustusplatz angrenzende Gebäuderiegel,<br />
sollten im Wesentlichen erhalten<br />
werden, so dass der Schwerpunkt des<br />
Wettbewerbs an der jenseitigen, an die Innenstadt<br />
anschließenden Bebauung gesehen<br />
wurde. Gleichwohl war eine „Neugestaltung<br />
des Erscheinungsbildes des<br />
Hauptgebäudes zum Augustusplatz […]<br />
ausdrücklich erwünscht“ (Freistaat Sachsen<br />
2001) und sollte eine „Pauliner-Aula“<br />
am Standort der ehemaligen Universitätskirche<br />
vorgesehen werden. Die vollständige<br />
Größe konnte aber aufgrund des zu<br />
erhaltenden Teils des Universitätsgebäudes<br />
nicht wieder hergestellt werden. Unter<br />
den 130 eingereichten Arbeiten wurden im<br />
Dezember 2001 27 zur Weiterbearbeitung<br />
ausgewählt, im Mai 2002 wurde schließlich<br />
das Wettbewerbsergebnis präsentiert.<br />
Dabei wurden verschiedene „Kompromisse“<br />
zwischen zeitgenössischer Architektur<br />
und der Verwendung städtebaulicher oder<br />
architektonischer Elemente der zerstörten<br />
Paulinerkirche eingegangen. Sie bedienen<br />
sich dabei des klassischen Repertoires architektonischer<br />
Erinnerungskultur. So<br />
setzt der zweitplatzierte Entwurf – ein erster<br />
Preis wurde aufgrund wesentlicher Defizite<br />
in allen Beiträgen zur Lösung der äußerst<br />
komplexen Aufgabe nicht vergeben<br />
– von Behet und Bondzio (Münster) einen<br />
von der Jury als „überzeugender Beitrag“<br />
bezeichneten Nachfolgerbau ähnlichen<br />
Inhalts an die gleiche Stelle, der aufgrund<br />
seiner kubischen Form in Presse und Bevölkerung<br />
schnell den Spitznamen „Gasherd“<br />
bekam. Kowa (2009: 7) schreibt dem<br />
Entwurf von Behet und Bondzio aus dem<br />
Jahr 2002, der in einem „Aufschrei der Empörung“<br />
untergegangen sei, „durchaus<br />
poetische Kraft“ zu, da er „bei aller Abstraktion<br />
erkennbar als wachgerufene Erinnerung<br />
an das Verlorene“ bleibe, doch<br />
bemerkt er zugleich, dass „bei der unterschwelligen<br />
Stimmung in der Stadt“ der<br />
„sehr viel illustrativere[..]“ Vorschlag van<br />
Egeraats wesentlich durchsetzungsstärker<br />
war. An anderer Stelle wird auch darauf<br />
verwiesen, dass der Entwurf von Bewenig“<br />
(N.N. 1994), wie das Preisgericht<br />
bemerkte. Die wesentliche städtebauliche<br />
Veränderung des Campus bestand in<br />
einem hervorgeschobenen Würfel an der<br />
Stelle des ehemaligen Café Felsche. Auch<br />
in den Arbeiten auf den Plätzen zwei bis<br />
vier waren keine wesentlichen Beiträge zu<br />
einer geschichtsbezogenen Gestaltung des<br />
Universitätsgeländes enthalten, der fünfte<br />
Preis von Burgstaller und Kluska (München)<br />
hingegen bezog sich baulich sowohl<br />
auf das Augusteum als auch auf die Paulinerkirche.<br />
Der Entwurf sah ein Gebäude in<br />
der Kubatur und mit einer deutlichen gestalterischen<br />
Reminiszenz an die ehemalige<br />
Universitätskirche an ihrem früheren<br />
Standort vor, wofür erhebliche Eingriffe<br />
in das bestehende Gebäude notwendig geworden<br />
wären, das zudem an der Ecke neben<br />
dem Henselmann-Bau zu einem weiteren<br />
Hochhaus aufgestockt werden und<br />
einen wieder errichteten Teil des Schinkelportal<br />
als Eingang erhalten sollte – noch<br />
heute wird auf der Homepage des Paulinervereins<br />
prominent darauf verwiesen<br />
(www.paulinerverein.de). Ein weiterer, im<br />
ersten Rundgang ausgeschiedener Entwurf<br />
des Büros Formella (Hamburg) sah<br />
vor, einem Neubau auf dem Grundstück<br />
des ehemaligen Cafés Felsche die Roßbach-Fassade<br />
der Kirche vorzustellen und<br />
den Spitzgiebel mit einem Glockenturm<br />
zu versehen. Zudem sollte das vollständige<br />
Schinkelportal vor einer in geschwungener<br />
Geste neu errichteten und dem alten<br />
Gebäude vorgeblendeten Fassade errichtetet<br />
werden. Gormsen (10.9.2009) berichtet<br />
zudem von einem Entwurf, der dem bestehenden<br />
Gebäude eine bedruckte Glasfassade<br />
als Schaukasten für Reste der früheren<br />
Gebäude und einen zeitgenössisch<br />
gestalteten Spitzgiebel vorsetzen wollte<br />
(Gerber Architekten, Dortmund).<br />
Im September 2001 wurde nach einigem<br />
Vorlauf vom Freistaat Sachsen (2001) ein<br />
„einstufige[r], EU-offene[r] Realisierungswettbewerb<br />
in zwei Phasen zur Neu- und<br />
Umgestaltung des innerstädtischen Universitätskomplexes<br />
am Augustusplatz der<br />
Universität Leipzig“ ausgelobt, wobei Engmann<br />
(2008: 64–65; vgl. insg. 64–71) bemängelt,<br />
dass weder Paulinerverein noch<br />
Öffentlichkeit in das Verfahren nach den<br />
Grundsätzen und Richtlinien für Architekturwettbewerbe<br />
angemessen beteiligt<br />
wurden. Dem Verein wurde allerdings