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108 Positionen zum Wiederaufbau verlorener Bauten und Räume Forschungen Heft 143<br />

Wenngleich etwa mit dem Berliner Schloss<br />

nicht Preußen zu altem Glanz auferstehen<br />

wird, so ist in diesem Zusammenhang<br />

doch auf zwei Punkte hinzuweisen, die in<br />

abgeschwächter Weise eine Entsprechung<br />

der restaurativen Funktion darstellen.<br />

Zum einen wird innerhalb gesellschaftlicher<br />

Diskurse immer wieder das Fehlen<br />

oder auch – in einem stärker rückwärts gewandten<br />

Verständnis – der Verlust gesellschaftlicher<br />

Grundwerte bemängelt. Solche<br />

Grundwerte werden dann häufig in<br />

der Vergangenheit gesucht und bei einer<br />

entsprechenden Geschichtswahrnehmung<br />

auch gefunden: Je nach eigenem Werteverständnis<br />

werden darunter unter anderem<br />

der christliche Glaube und daraus abgeleitete<br />

Sozialpraktiken oder eine Orientierung<br />

anhand der so genannten Sekundärtugenden<br />

verstanden, die häufig zudem<br />

mit dem Preußentum verbunden werden.<br />

Für beide Wertkategorien bieten sich Gebäude<br />

(Kirchen und preußische Staatsbauten,<br />

die beide unter den Wiederaufbauvorhaben<br />

seit 1975 relativ häufig vertreten<br />

sind) an, die zwar nicht direkt die Durchsetzung<br />

entsprechender Werte fördern,<br />

aber ein Symbol für ihre Wiederkehr sein<br />

können. Eine solche Funktion wird dann<br />

teilweise auch von Rekonstruktionsbefürwortern<br />

als Argument angeführt (vgl. etwa<br />

die Potsdamer Debatten – insbesondere<br />

die um die Garnisonskirche). Die Dresherrscht<br />

die Vergangenheit.“ Somit ist die<br />

Debatte um die Wahrnehmung und „Produktion“<br />

von Geschichte auch eine Auseinandersetzung<br />

um Gegenwart und Zukunft.<br />

Interessant ist in diesem Zusammenhang<br />

auch die von Bürger (2008; in BMVBS<br />

2009: 22–29) geschilderte persönliche Verlusterfahrung,<br />

die er beim Besuch der wiederaufgebauten<br />

Dresdner Frauenkirche<br />

erlebte. Hierin zeigt sich, dass – zumindest<br />

je nach persönlicher Disposition – eine Rekonstruktion,<br />

der doch gemeinhin eher<br />

die Funktion eines Ausgleichs des Verlustes<br />

und damit letztlich einer Nivellierung<br />

der mit den Zerstörungen des Zweiten<br />

Weltkriegs eingetretenen kollektiven Verlusterfahrung<br />

zugeschrieben wird, auch<br />

in der Lage sein kann, eine gänzlich andere<br />

Erinnerung zu ermöglichen. Die Wiederherstellung<br />

würde dann nicht notwendigerweise<br />

an das Verlorene anknüpfen,<br />

sondern könnte vielmehr ein geschichtliches<br />

Zeugnis von Krieg und Zerstörung<br />

sein. Die wiederaufgebaute Frauenkirche<br />

scheint zumindest für Bürger eine entsprechende<br />

Wirkung zu entfalten, die womöglich<br />

sogar stärker ist als die ihrer zu eben<br />

diesem Mahnmal erklärten Ruine. Es ist<br />

allerdings zu vermuten, dass es für diese<br />

Wirkung zumindest einer hinreichenden<br />

Geschichtskenntnis und eines Wissen um<br />

die Rekonstruktion, wahrscheinlich aber<br />

auch einer eigenen Verlust- bzw. Kriegserfahrung<br />

bedarf.<br />

Restauration historischer<br />

Gesellschaftsmuster und Werte<br />

Während die Kritik an Wiederaufbauvorhaben<br />

in der Regel davon ausgeht, dass<br />

viele der bereits beschriebenen Funktionen<br />

zumal durch einzelne, innerhalb eines<br />

vollständig veränderten städtebaulichen<br />

und gesellschaftlichen Kontext<br />

errichtete Bauwerke nicht zu erzielen seien,<br />

erheben manche Kritiker den Vorwurf,<br />

die Wiederherstellungen würden errichtetet,<br />

um gleichsam auch die alten Zustände,<br />

insbesondere die frühere gesellschaftliche<br />

Ordnung der häufig aus dem<br />

Kaiserreich oder einer früheren monarchischen<br />

Epoche stammenden Gebäude<br />

wieder zu erlangen – ja, quasi mit dem<br />

Bauwerk zu rekonstruieren. In dieser Allgemeinheit<br />

und Umfänglichkeit erscheint<br />

ein entsprechendes Funktionieren aufgrund<br />

einer ausschließlich baulich-räumlichen<br />

Rekonstruktion allerdings unwahrscheinlich.<br />

Deshalb ist davon auszugehen,<br />

dass es in der Regel weniger ein Argument<br />

der Kritiker selber ist, als vielmehr eines,<br />

das ihnen von Befürwortern in den häufig<br />

mit erheblicher Schärfe geführten lokalen<br />

Debatten unterstellt wird, eben weil<br />

es sich einfach widerlegen lässt. Was die<br />

Kritiker jedoch vielfach tatsächlich anführen<br />

ist, dass im Wunsch nach Rekonstruktion<br />

der Wille zur Restauration, die<br />

Rückwärtsgewandtheit der Befürworter<br />

oder die Bereitschaft zum leichtfertigen<br />

Umgang mit einem Symbol für die zuletzt<br />

von Wilhelm II. verkörperte und damit<br />

auch mit deutlich negativen Assoziationen<br />

zu verbindende Hohenzollerndynastie<br />

zum Ausdruck kämen, obwohl beiden<br />

Gruppen die Unmöglichkeit einer tatsächlich<br />

restaurativen Funktion von Wiederaufbauvorhaben<br />

bewusst ist.

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