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36 Positionen zum Wiederaufbau verlorener Bauten und Räume Forschungen Heft 143<br />
(Klotz 1977: 14) und entsprängen dem Bedürfnis<br />
nach Individualität. Rückwärtsgewandtheit,<br />
das Sehnen nach vergangenen<br />
Zeiten sei – auch in der Architektur – eine<br />
Möglichkeit, Unzufriedenheit über die<br />
Gegenwart und vor allem mit der Gegenwartsarchitektur<br />
zum Ausdruck zu bringen<br />
(vgl. Jacobs 2001: 16–18). Wenn auch<br />
Klotz auf Rekonstruktionen keinen expliziten<br />
Bezug nimmt, so lassen sich doch<br />
Parallelen zum Historismus oder Eklektizismus<br />
des 19. Jahrhunderts aufzeigen (vgl.<br />
Klotz 1977: 57–75), die auch oft als trivial<br />
bezeichnet wurden und in der Nomenklatur<br />
Gelferts vielleicht in den Bereich des<br />
Monumentalkitsches fallen würden. Auch<br />
Moles (1971: 96–101) ordnet die baulichen<br />
Erzeugnisse des Historismus – und implizit<br />
alle Bauwerke, die Stile vergangener<br />
Epochen kopieren – eindeutig dem Kitsch<br />
zu. Explizit nennt er als Beispiele Kaufhäuser<br />
und amerikanische Wolkenkratzer des<br />
beginnenden 20. Jahrhunderts, schließt<br />
aber auch andere Bauwerke nicht aus, die<br />
nach dem „Prinzip des Neo-Irgendetwas“<br />
(Moles 1985: 99) gebaut sind, also ohne besonderen<br />
Bezug Stilelemente vergangener<br />
Epochen nachahmen. Fischer (1980: 209–<br />
219) führt einige Stilvorlieben von Nostalgikern<br />
an, die hier teilweise interessieren:<br />
Der Wilhelminismus bzw. die Gründerzeit,<br />
also das späte 19. Jahrhundert, verweise<br />
auf einen „vermeintlich ‚unschuldigeren‘<br />
Stand der Produktionsmittel“ und wird<br />
von daher als „gemütlich und überschaubar“<br />
(beide Zitate Fischer 1980: 209) erfahren.<br />
Gleichzeitig habe es sich aber auch um<br />
eine Zeit des Aufbruchs gehandelt, voller<br />
neu erwachtem Nationalstolz (bis hin zum<br />
Nationalpathos) und einem gestiegenen<br />
bürgerlichen Selbstbewusstsein, das „nach<br />
Phasen biedermeierlicher Bescheidenheit<br />
und vormärzlicher Unzufriedenheit<br />
endlich auch einmal an der Macht teilhaben<br />
will“ (Hermand 1977: 21, zit. n. Fischer<br />
1980: 209). Dabei sei aber schon damals<br />
nicht die Qualität oder der „gute Stil“ wichtig<br />
gewesen, sondern vor allem der schöne<br />
Schein. Fischer (1980: 210) überträgt diese<br />
Mentalität auf den heutigen Mittelstand,<br />
der sich – vermittelt durch die Massenmedien<br />
– immer noch an dem Geschmack<br />
der Oberschicht orientiert und das private<br />
Glück über die Mitarbeit an einer neuen<br />
Gesellschaft stellt. Das regressiv-kitschige<br />
Pendant zum monumental- oder<br />
pathetisch-kitschigen Wilhelminismus ist<br />
der Jugendstil. Er kommt frisch und spielerisch<br />
daher und regt durch seine ornamentreiche<br />
Sinnlichkeit die Phantasie und die<br />
Gefühlswelt der Rezipienten an. So stellt<br />
er eine Kompensation des Zweckrationalismus<br />
dar und verspricht durch seine<br />
der Natur nachempfundene, „weiche“ Formensprache<br />
eine Harmonisierung (vgl. Fischer<br />
1980: 210–212). Als weitere Stilvorlieben<br />
nennt Fischer (1980: 212–219) Art Déco,<br />
Faschismus, die 1950er Jahre und Pop Art.<br />
Aufgrund ihrer geringeren Relevanz für<br />
das Forschungsvorhaben werden die Hintergründe<br />
dieser Vorlieben an dieser Stelle<br />
jedoch nicht weiter beschrieben.<br />
Wurde der Kitsch bis in das 20. Jahrhundert<br />
hinein von den kulturellen Eliten noch<br />
als Provokation und „Symptom einer gesellschaftlichen<br />
Krise“ (Dettmar/Küpper<br />
2007: 156, vgl. z. B. die Werke von Hermann<br />
Broch) aufgefasst, ist er mittlerweile zu<br />
selbstverständlich in den Alltag und auch<br />
in die Kunst integriert, als dass er noch<br />
wirklich provokativ wirken könnte. Künstler<br />
nutzen kitschige Elemente mit einem<br />
ironischen Augenzwinkern oder bekennen<br />
sich offensiv zu ihren kitschigen Vorlieben.<br />
In der Postmoderne ist der Kitschstil einer<br />
von vielen, wird von Kunstschaffenden<br />
nicht länger als provokant und problematisch<br />
empfunden und hat somit das gleiche<br />
Existenzrecht wie alle anderen (vgl. Gelfert<br />
2000: 11–12). Dabei entfalten der Kitschstil<br />
und (nostalgische) Kitschgegenstände<br />
mittlerweile schichtenübergreifende Attraktivität.<br />
Vor allem der Regressionskitsch<br />
erfreut sich allenthalben großer Beliebtheit<br />
(vgl. Gelfert 2000: 129). Kitsch ist heutzutage<br />
nicht mehr als eine „belustigt-verniedlichende<br />
[Erinnerung] an eine versunkene<br />
Lebensform“ (Schreier 2002: 33), an der sich<br />
sowohl Intellektuelle als auch die „breite<br />
Masse“ erfreuen könne. Damit erfolge eine<br />
Annäherung der „ästhetischen Vokabulare,<br />
die den einzelnen Schichten Bedürfnisbefriedigung<br />
zu garantieren scheinen, auf<br />
der Objekt-Ebene an“ (Fischer 1980: 179),<br />
Unterschiede lägen jedoch in der Motivation<br />
sowie der Art des Genusses: Während<br />
der „breiten Masse“ nur scheinbar die Möglichkeit<br />
eröffnet würde, sich durch den Erwerb<br />
und den folgenden naiven, spannungslosen<br />
Genuss kitschig-nostalgischer<br />
Werke der nächsthöheren Schicht bzw. deren<br />
Statussymbolen anzunähern, „sonnen