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22 Positionen zum Wiederaufbau verlorener Bauten und Räume Forschungen Heft 143<br />

Im fünften Symposium setzte sie erneut<br />

an der „klassischen“ Diskussion der Denkmalpflege<br />

an und betrachtete hier vor allem<br />

die Person des Denkmalpflegers,<br />

Kunsthistorikers und auch Architekten<br />

Cornelius Gurlitt. Auch zu dessen Zeit sei<br />

die Frage der Ästhetik bereits ausführlich<br />

erörtert worden, wobei Gurlitt trotz seiner<br />

maßgeblichen Mitarbeit an den heute<br />

primär Dehio zugeschriebenen theoretischen<br />

Grundlagen und normativen Prinzipien<br />

in der Praxis eine weniger grundsätzliche<br />

Haltung vertreten habe und vielmehr<br />

stets auch seinem subjektiven Urteilsvermögen<br />

als Architekt vertraut habe. Entsprechend<br />

forderte sie, diese umfassende<br />

Suche nach Schönheit und Wahrheit trotz<br />

ihrer Subjektivität und Zeitgebundenheit<br />

auch im heutigen denkmalpflegerischen<br />

Diskurs als Möglichkeit ernst zu nehmen.<br />

Gleichwohl zeigte sie am Beispiel Gurlitts<br />

aber auch die subjektiven Grenzen der<br />

Auseinandersetzung mit Architektur und<br />

Ästhetik: Zur nach dem Ersten Weltkrieg<br />

aufkommenden modernen Architektur<br />

mit ihrer abstrakten Formensprache habe<br />

Gurlitt ebenso wenig einen Zugang gefunden<br />

wie zu den veränderten gesellschaftlichen<br />

Rahmenbedingungen der Weimarer<br />

Republik.<br />

Trotz dieser notwendigen Einordnung<br />

der damaligen Debatte in ihr Umfeld ist<br />

es kaum möglich, die Stabilität des fachlichen<br />

Rekonstruktionsverbots in Abrede<br />

zu stellen. Auch wenn man nicht wie<br />

Clemens Kieser in seinem Beitrag „Obszönität<br />

der Rekonstruktion“ („Nachdenken<br />

über Denkmalpflege“ Teil IV) ein Plädoyer<br />

gegen Rekonstruktionen hält, so ist<br />

doch anzuerkennen, dass die Dehios Leitsatz<br />

zugrunde liegenden Argumente nicht<br />

allein auf den historischen Kontext seines<br />

Wirkens reduziert werden dürfen. Ausgehend<br />

von der Praxis einer Schaffung von<br />

„Scheinaltertümern“, die mit ästhetischem<br />

Anspruch zur Vernichtung von Originalsubstanz<br />

von Kirchen, dem Wiederaufbau<br />

von Ruinen und einer schöpferischen<br />

Neugestaltung von Burgen führte, ging es<br />

dem Historiker Dehio darum, grobe Verfälschungen<br />

anzuprangern. Damit sollte<br />

eine grundsätzlich bewahrende Sicht<br />

im Umgang mit der historischen Überlieferung<br />

verfolgt werden, die angesichts der<br />

schwankenden historischen Urteile revidierbar<br />

sein müssten. Die Formulierung<br />

einer Grundsatzposition zu dem bereits<br />

seit Jahrzehnten schwelenden Streit um<br />

das Heidelberger Schloss traf auf eine sich<br />

fachlich allmählich konstituierende Denkmalpflege<br />

und fiel neben der Stringenz ihrer<br />

Begründung wohl auch deshalb auf<br />

fruchtbaren Boden. Durch ihre nicht zu<br />

verleugnende moralische Aufladung der<br />

denkmalpflegerischer Position als fortlaufende<br />

Vergewisserung der geistigen Werte<br />

der Menschheit hat sie den Boden für bis<br />

heute häufig auch aus der Sicht der Denkmalpflege<br />

emotional geführte Argumentationsweise<br />

gelegt (Scheurmann 2005a,<br />

2005b, 2005c, Hanselmann 2005, Falser<br />

2008). Interessant an der Auseinandersetzung<br />

um das Heidelberger Schloss und ihrem<br />

historischen Kontext ist weiter der politische<br />

Hintergrund der Debatte (auf die<br />

nationalistische Gesinnung Dehios soll<br />

hier nicht näher eingegangen werden, vgl.<br />

Falser 2008, Scheurmann 2005b). Die Wiederaufbau-Gegner<br />

profilierten sich auch<br />

als Kritiker von damals gängigen Instrumentalisierungen<br />

baulicher Symbole<br />

durch Preußen nach der Reichsgründung:<br />

„Die Erinnerung an ihn [Ott-Heinrich, u. a.]<br />

als heimatlich-regionaler Friedensfürst<br />

förderte auch die Erhaltung der schicksalträchtigen<br />

Ruine des Ott-Heinrichs-Baus<br />

entgegen einer preußisch geförderten Rekonstruktion<br />

als politische Vereinnahmung.<br />

Mit der letztendlichen Erhaltung<br />

der Ruine […] hatte sich auch das reichskritische<br />

Bewusstsein der pluralistischen<br />

Fachöffentlichkeit und … der Regionalisten<br />

ein ‚Denkmal gesetzt‘“ (Falser<br />

2008: 300).<br />

Betrachtet man Wirkung und Reichweite<br />

der Leitsätze von Dehio, darf nicht verkannt<br />

werden, dass die Grenzen zu denkmalpflegerischen<br />

Neuschöpfungen im<br />

Detail fließend sind. Das gilt für die Restaurierung<br />

von verlorenen Fresken wie für<br />

die Wiederherstellung von Gebäudedetails,<br />

bei denen im Kleinen häufig ähnliche<br />

Entscheidungen zu fällen sind wie bei<br />

der Frage nach der Legitimität von Rekonstruktionen<br />

ganzer Gebäude, die innere<br />

Stimmigkeit von Einzelkunstwerken aber<br />

bisweilen ganz zwanglos eine Ergänzung<br />

fordert, die neuschöpferische Elemente<br />

enthält.

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