PDF-Download - Newsletter Urbane Transformationen
PDF-Download - Newsletter Urbane Transformationen
PDF-Download - Newsletter Urbane Transformationen
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Fallstudien<br />
185<br />
Wenngleich diese Auseinandersetzungen<br />
jeweils als personell bezeichnet werden<br />
können, so ist dennoch festzustellen, dass<br />
innerhalb des Paulinervereins von Anfang<br />
an heterogene Zielvorstellungen bestanden,<br />
die dazu führten, dass Konfliktlinien,<br />
die zunächst außerhalb des Vereins verliefen,<br />
quasi inkorporiert wurden. So mag<br />
der Kern des zweiten beschriebenen Konflikts<br />
in der persönlichen Kränkung durch<br />
die Nichtwahl begründet sein. Festzuhalten<br />
ist aber auch, dass Dietrich und Eckhard<br />
Koch, letzterer zu diesem Zeitpunkt<br />
stellvertretender Vorsitzender, auch eigene<br />
Vorstellungen über die Fortführung der<br />
Vereinsziele und dazu schon vor der Gründung<br />
„ihres“ Vereins eine Denkschrift verfasst<br />
hatten, die „keine offizielle Publikation“<br />
(Koch/Koch 2006: 10) war und den<br />
Anspruch formulierte, „die divergierenden<br />
Vorstellungen“ – originalgetreuer Wiederaufbau<br />
und Akzeptanz des Siegerentwurfs<br />
– zu „versöhnen“. Gelingen sollte dies einerseits<br />
durch Beibehaltung des ursprünglichen<br />
Entwurfs für den Innenraum und<br />
andererseits durch die Integration eines<br />
originalgetreuen Nachbaus der Roßbach-<br />
Fassade. (Koch/Koch 2006: 10) Damit stellt<br />
sich die Veröffentlichung, die sich ansonsten<br />
sehr intensiv auch mit Argumenten der<br />
Wiederaufbaugegner auseinandersetzt,<br />
vor allem in Vorwort und Einleitung zunächst<br />
als eine Abrechnung mit internen<br />
Widersachern bzw. einen eindringlichen<br />
Appell an den Vorstand dar, weiterhin die<br />
in ihren Augen satzungsgemäßen Ziele zu<br />
verfolgen. Der relativ schnelle Schwenk<br />
weg von Rekonstruktionsforderungen hin<br />
zur Unterstützung und Verteidigung des<br />
van-Egeraat-Entwurfs wurde noch von<br />
Blobel als Vorsitzendem gemeinsam mit<br />
dem Vorstand vollführt (vgl. insbesondere<br />
das Statement des Verein zur Juryentscheidung<br />
vom 24.03.2004; www.paulinerverein.de).<br />
Hatte sich die Mitgliederversammlung<br />
gut zwei Wochen vor der Wahl noch<br />
für den ausgeschiedenen Kollhoff-Entwurf<br />
mit wiederaufgebauter Kirche entschieden<br />
(Pressemitteilung des Paulinerversowohl<br />
im Verein als auch in Universität<br />
und Stadtgesellschaft insofern eine fragwürdige<br />
Vertreterin, als sie als zumindest<br />
ehemals stramme Verfechterin des DDR-<br />
Regimes galt und insofern etwa von der<br />
Theologischen Fakultät eher als Vertreterin<br />
der Sprenger der Universitätskirche<br />
denn der Wiederaufbaubefürworter wahrgenommen<br />
wurde.<br />
Mit ihrer Person ist auch der erste von zwei<br />
wesentlichen Konflikten innerhalb des Vereins<br />
verbunden, die den Verein nach innen<br />
und außen schwächten. Der Konflikt um<br />
Schrödl trat kurz vor dem Ende des Wettbewerbsverfahrens<br />
am 23. März 2004 im<br />
Verein offen zu Tage. Bereits am 6. März<br />
tagte die Mitgliederversammlung, um den<br />
Vorstand neu zu wählen. Blobel wurde<br />
wiedergewählt und auch Schrödl erhielt in<br />
der Abstimmung laut Auszählungsergebnis<br />
eine Stimme Mehrheit. Dietrich und<br />
Eckhard Koch sowie ein weiteres Vereinsmitglied<br />
fochten die Wahl als Fälschung<br />
an und erhielten schließlich Mitte August<br />
2004 recht (LVZ 18.8.2004). Das Amtsgericht<br />
Leipzig verfügte eine Neuwahl des<br />
gesamten Vorstands, was den Verein letztlich<br />
für ein halbes Jahr handlungsunfähig<br />
machte. Zudem stand Blobel nach dieser<br />
Zeit nicht mehr als Vorsitzender zur Verfügung,<br />
auch Schrödl verzichtete auf eine<br />
erneute Kandidatur. Auch der zweite Konflikt<br />
wurde letztlich juristisch entschieden<br />
und maßgeblich durch die Gebrüder Koch<br />
bestimmt. Dietrich Koch hatte nach Blobel<br />
Vorsitzender des Vereins werden wollen,<br />
unterlag in der Wahl allerdings gegen<br />
Stötzner. Dies führte zu einer von letzterem<br />
als „Demontage“ und „öffentliche Diffamierung“<br />
bezeichneten Kampagne gegen<br />
den gewählten Vereinsvorsitzenden,<br />
die schließlich durch den Ausschluss von<br />
sowohl Dietrich als auch Eckhard Koch<br />
beendet werden sollte, wogegen diese wiederum<br />
klagten und recht bekamen. Nach<br />
dem Gerichtsurteil blieben sie im Verein,<br />
verhalten sich seitdem allerdings ruhig.<br />
Allerdings wurde von ihnen auch der<br />
Verein Pro Universitätskirche gegründet.<br />
Beide Konflikte haben erhebliches öffentliches<br />
Aufsehen erzeugt und dem Vereinsimage<br />
dauerhaft geschadet, wenngleich<br />
sich der Vorstand seitdem um Schadensbegrenzung<br />
bemüht (Stötzner 28.8.2009). Die<br />
internen Kontroversen haben zudem jeweils<br />
zu absoluten Unzeiten stattgefunden,<br />
zu denen der Verein seine Aufmerksamkeit<br />
auf andere Dinge hätte richten müssen.<br />
Auch bedeuteten diese Zerreißproben<br />
letztlich auch häufige personelle Veränderungen<br />
im Vorstand, was die Wirkung des<br />
Vereins zusätzlich hemmte (vgl. Heymann<br />
26.8.2009).