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Fallstudien<br />

191<br />

tusplatz ging (Stötzner 28.8.2009), wurde<br />

etwa von Koch/Koch (2006: 173–176) selbst<br />

bei der Fassadengestaltung nur noch die<br />

Roßbachfront der Paulinerkirche gefordert.<br />

Zumindest in der Außenwirkung ist davon<br />

auszugehen, dass das Universitätsgebäude<br />

nicht mehr als Gegenstand der Debatte<br />

wahrgenommen wurde (vgl. Heymann<br />

26.8.2009). Obwohl man hierin einen Kompromiss<br />

sehen kann oder eine Aufgabe einer<br />

Position, um das Ziel des Kirchenaufbaus<br />

zu erreichen, was „offiziell“ erst nach<br />

dem Wettbewerbsergebnis 2004 geschehen<br />

ist (Stötzner 28.8.2009), so ist doch<br />

auch darauf zu verweisen, dass zumindest<br />

von den nunmehr verbliebenen Vereinsmitgliedern<br />

kaum eines noch aktive Erinnerungen<br />

mit dem unzerstörten, nutzbaren<br />

Augusteum verbinden dürfte, da es<br />

– anders als die Kirche – im Krieg erheblich<br />

zerstört und zwischen 1944 und 1968 nicht<br />

genutzt wurde (Stötzner 28.8.2009). Heute<br />

gibt es weiterhin Bestrebungen, den Trümmerberg<br />

zu öffnen und nach den dort vermuteten<br />

erheblichen Kunstschätzen des<br />

Augusteums zu suchen.<br />

Es ist davon auszugehen, dass der Paulinerverein<br />

zumindest ab 2004 zunehmend<br />

von der Vorstellung eines originalgetreuen<br />

Wiederaufbaus abrückte, wenngleich sich<br />

eine erheblich Zahl der Mitglieder von Anfang<br />

an mit einer anderen Form des „Wiederaufbaus“<br />

begnügt hat, die Satzung dies<br />

offen lässt und dies auch öffentlich nur<br />

selten präzisiert wurde (vgl. Heymann<br />

26.8.2009). Dadurch, dass von den Gegnern<br />

eines originalgetreuen Wiederaufbaus immer<br />

wieder architektonische Vorschläge<br />

unterbreitet wurden, die zunehmend dem<br />

Bedürfnis nach Erinnerung und Repräsentanz<br />

des verlorenen Bauwerks gerecht<br />

wurden, konnten mehrfach auch prominente<br />

Vereins- bzw. Vorstandsmitglieder<br />

davon überzeugt werden, dass wesentliche<br />

Ziele des Vereins auch durch zeitgenössische<br />

Architektur erreicht werden können<br />

bzw. dass dies ein letztlich befriedigendes<br />

Ergebnis der eigenen Bemühungen sein<br />

könne. Während sich entsprechende Äußerungen<br />

des Vereinsvorsitzenden 2000<br />

(LVZ 20.10.2000, 23.11.2000) noch entweder<br />

als „feindliche Übernahme“ (Koch/<br />

Koch 2006: 11) ansehen oder mit einer unzureichenden<br />

Zielformulierung in der Anfangsphase<br />

erklären lassen, ist die Begeisterung<br />

Günter Blobels für den Entwurf von<br />

van Egeraat ein überaus bemerkenswertes<br />

Beispiel für einen Wertewandel oder eine<br />

strategische Neuorientierung. Blobel hatte<br />

zunächst die Motorfunktion und dann<br />

den Vereinsvorsitz gerade in dem Moment<br />

übernommen, nachdem es vor dem ersten<br />

Realisierungswettbewerb zum Eklat innerhalb<br />

des Vereins gekommen war. So ist<br />

seine Formulierung des Aufrufs vom 9. Juli<br />

2001 durchaus deutlich, wenn eine „wiederaufgebaute<br />

Paulinerkirche in der architektonischen<br />

Gestalt vor der Zerstörung“<br />

gefordert wird. Zu beachten ist hier zudem<br />

seine scharfe Ablehnung von Gormsens<br />

(10.9.2009) zuerst 2002 geäußertem Vorschlag<br />

eines zeitgenössischen „Giebels mit<br />

Steildach“ (LVZ 30.12.2002, Gormsen 2003).<br />

Interessant ist weiterhin das Verhalten im<br />

Umfeld des zweiten Realisierungswettbewerbs:<br />

Wurde zunächst versucht, die Entwürfe<br />

gegen das Bild des Originals zu stellen<br />

(Aktion der Bild-Zeitung am 13.2.2004),<br />

legte man sich noch kurz vor der Jury-Entscheidung<br />

auf den Kollhoff-Entwurf fest<br />

(Pressemitteilung vom 6.3.2004), um dann<br />

relativ schnell den Egeraat-Entwurf als eigenen<br />

Erfolg anzusehen (vgl. undatiertes<br />

Statement zur Juryentscheidung) und<br />

schließlich den Wettbewerbsbeitrag gegen<br />

nachträgliche Veränderungen zu verteidigen<br />

und ihn dabei gar im eigenen Sinne<br />

hinsichtlich eines angeblich originalgetreuen<br />

Innenraums umzuinterpretieren<br />

(vgl. Stötzner 28.8.2009).<br />

Offenbar war dieser Lernprozess – auch<br />

wenn er womöglich nur strategisch begründet<br />

ist – jeweils nur einigen Mitgliedern<br />

vorbehalten, während andere den<br />

Verein mit jeder entsprechenden Entscheidung<br />

verlassen haben. Es scheint, dass einerseits<br />

diejenigen stärker daran partizipierten,<br />

die aufgrund ihrer Vorstandsarbeit<br />

intensiver in Information und Diskussion<br />

der Gegenvorschläge eingebunden waren,<br />

und andererseits starke biografische Verknüpfungen<br />

oder religiöse Bindungen eine<br />

Annahme zeitgenössischer Entwürfe erschwerten.<br />

In besonderem Maße mag dies<br />

für die Brüder Koch gelten, für die das zentrale<br />

Argument für den Wiederaufbau eine<br />

„Wiedergutmachung“ des – auch persönlich<br />

erfahrenen – Unrechts der Kirchensprengung<br />

war: Dietrich Koch war 1968<br />

als einziger Beteiligter an der Plakatak tion<br />

verurteilt und nach vierjähriger Haft in die<br />

BRD ausgebürgert worden. In ihrer schon

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