PDF-Download - Newsletter Urbane Transformationen
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16 Positionen zum Wiederaufbau verlorener Bauten und Räume Forschungen Heft 143<br />
Ein kurzer Abriss der primär denkmalpflegerischen<br />
Debatte seit dem „klassischen“<br />
Streit, der ausgehend von der lokalen<br />
Debatte um einen Wiederaufbau des<br />
über eine lange Zeitspanne ruinösen Heidelberger<br />
Schlosses über die Aufgabe der<br />
Denkmalpflege geführt wurde und der mit<br />
Dehios beständig zitiertem Leitsatz und<br />
Machtwort „Konservieren, nicht Restaurieren“<br />
endete, soll im Folgenden die Grundlage<br />
für eine Entfaltung der gesellschaftlichen<br />
Hintergründe und Ausprägungen der<br />
aktuellen Rekonstruktionswelle bilden.<br />
Für eine ausführlichere Darstellung der<br />
hier nur knapp skizzierten Entwicklung sei<br />
insbesondere auf Scheurmann (2005), Falser<br />
(2008) und Seidenspinner (2007) sowie<br />
auf die von Hanselmann (2006) zusammengestellten<br />
Originaldokumente verwiesen.<br />
3.13 Gesellschaftliche Disposition<br />
In diesem Abschnitt werden im Wesentlichen<br />
kulturwissenschaftliche Erklärungsansätze<br />
dafür zusammengetragen, warum<br />
in Deutschland derzeit Rekonstruktionsvorhaben<br />
auf fruchtbaren Boden zu fallen<br />
scheinen. Dabei geht es um Phänomene,<br />
die in einem größeren zeitlichen Zusammenhang<br />
wirkmächtig sind.<br />
Interessant ist in diesem Zusammenhang<br />
die Bewertung des Verhältnisses von Original<br />
und Fälschung bzw. von Realität und<br />
Fiktion zu sehen. So wird in der Heritage-<br />
Forschung zunehmend die Meinung vertreten,<br />
dass alles authentisch sei, was als<br />
solches rezipiert werde – also auch rekonstruierte<br />
Denkmale und Gebäude. Es ist allerdings<br />
zu analysieren, ob Rekonstruktionen<br />
nicht viel mehr als „Kitschphänomen“<br />
anzusehen wären.<br />
Auch um der Frage nachzugehen, warum<br />
in Deutschland zumindest im Gegensatz<br />
zu anderen westeuropäischen Staaten<br />
derzeit eine „Rekonstruktionswelle“ festzustellen<br />
ist und warum diese innerhalb<br />
der Bundesrepublik räumlich konzentriert<br />
stattfindet, sollen zudem zwei spezifische<br />
kulturgeschichtliche Annäherungen verfolgt<br />
werden. Dabei werden zunächst die<br />
deutsche Romantik und dann der katholische<br />
Reliquienkult und seine Auswirkungen<br />
auf den Protestantismus untersucht.<br />
Im Laufe der Zeit verändern sich Geschichtsbilder;<br />
das kollektive Gedächtnis<br />
einer Gesellschaft interpretiert weiter zurück<br />
liegende Epochen heute anders als<br />
noch vor einigen Jahrzehnten. Deshalb<br />
soll auch auf Veränderungen der Erinnerungskultur<br />
und den Umgang mit kulturellem<br />
Erbe eingegangen werden.<br />
3.14 Gesellschaftlicher Wandel<br />
Der Abschnitt „Gesellschaftlicher Wandel“<br />
behandelt aktuellere Veränderungstendenzen,<br />
die eine unterstützende Wirkung<br />
für die aktuelle Rekonstruktionsdebatte<br />
besitzen. Es beginnt mit einer Einordnung<br />
der Welle in Zeit der ausgehenden<br />
städtebaulich-architektonischen Moderne.<br />
Offensichtlich bieten moderne Gebäude<br />
in ihrer oftmals empfundenen Rationalität<br />
den Menschen nicht immer das, was<br />
sie suchen – sei es nun Gemütlichkeit oder<br />
eine bestimmte Aufenthaltsqualität oder<br />
schlicht das Bedürfnis nach einer subjektiv<br />
schönen Umgebung. Dieses Unvermögen<br />
ist Teil dessen, was in vielen Publikationen<br />
zum Thema mit dem Schlagwort<br />
„Das Scheitern der Moderne“ betitelt wird<br />
(vgl. z. B. Stimmann 2006).<br />
Orte spielen eine wichtige Rolle für eine<br />
Suche nach Identität und Distinktion, die<br />
in Zeiten des globalen Wettbewerbs, der<br />
ökonomischen wie sozialen Unsicherheit,<br />
des Wertewandels, der kulturellen Nivellierung<br />
– die Liste wäre beliebig fortzusetzen<br />
– auf individueller wie auf kollektiver<br />
(und damit auch städtischer) Ebene an Bedeutung<br />
gewinnt. Sie dienen im Rahmen<br />
dieser Suche als Medien, die durch aktives<br />
Aneignen mit symbolischer Bedeutung<br />
aufgeladen werden und so Identitäten<br />
sichtbar machen (vgl. Pott 2007: 30, Korfkamp<br />
2006: 129 ff.).<br />
Eng verknüpft sowohl mit der Sehnsucht<br />
nach Heimat als auch mit der Suche nach<br />
Identität ist der Prozess der fortschreitenden<br />
Individualisierung, der nicht nur in<br />
Deutschland, sondern in allen westlichen<br />
Industrieländern schon lange ein zentrales<br />
Thema der Sozialwissenschaften ist<br />
(vgl. Nollmann/Strasser 2004). Die Pluralisierung<br />
der Lebensstile, die Ausdifferenzierung<br />
von Milieus und die Verringerung<br />
der Selbstverständlichkeiten in der jeweiligen<br />
Lebenswelt führen zu Verunsicherung<br />
und der Notwendigkeit zur Identifika tion