PDF-Download - Newsletter Urbane Transformationen
PDF-Download - Newsletter Urbane Transformationen
PDF-Download - Newsletter Urbane Transformationen
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
1<br />
Zusammenfassung<br />
Die Rekonstruktionswelle<br />
Seit den 1980er Jahren entwickelt sich in<br />
Deutschland eine Rekonstruktionswelle,<br />
die vor allem nach der Wiedervereinigung<br />
einen besonderen Aufschwung in Ostdeutschland<br />
genommen hat, aber auch in<br />
der alten Bundesrepublik inzwischen viele<br />
Facetten aufweist. Ein innerer Zusammenhang<br />
besteht sowohl in den gemeinsamen<br />
Rahmenbedingungen als auch in der<br />
Art und Weise, wie die Vorhaben öffentlich<br />
diskutiert werden und sich gegenseitig<br />
und in der Folge sogar die rekonstruktionsskeptische<br />
Denkmalpflege-Profession<br />
beeinflussen. Insgesamt weist die Rekonstruktionswelle<br />
postmoderne Tendenzen<br />
auf. In ihrem Gefolge gehen die Positionsbestimmungen<br />
zum Thema weit auseinander,<br />
ohne dass dadurch eine Versöhnung<br />
von Positionen zu Einzelvorhaben möglich<br />
wäre, die jeweils in Entscheidungsverfahren<br />
vor Ort gefunden werden müssen.<br />
Gesellschaftliche Rahmenbedingungen<br />
und Hintergründe<br />
Der Wunsch nach Rekonstruktion speist<br />
sich aus vielen – teils sehr unterschiedlichen,<br />
teils eng verknüpften – gesellschaftlichen<br />
Tendenzen. Es wurden Erklärungsansätze<br />
aus den Politik-, den Sozial- und<br />
den Kulturwissenschaften zusammengetragen<br />
und zueinander in Beziehung gesetzt.<br />
Es wurde auf diese Weise versucht,<br />
der Vielfalt der Ursachen für ein Engagement<br />
im Rahmen von Wiederaufbauvorhaben<br />
Rechnung zu tragen und möglichst<br />
viele der unterliegenden gesellschaftlichen<br />
Strömungen zu erfassen. Dabei wurden<br />
gesellschaftliche Rahmenbedingungen<br />
und Hintergründe der deutschen Rekonstruktionswelle<br />
erläutert.<br />
Der Denkmalpflege in Wissenschaft und<br />
Praxis sowie dem Wiederaufbau nach dem<br />
Krieg bilden zwar über die Jahrzehnte vielschichtige,<br />
aber dennoch insgesamt mit<br />
der architektonisch-städtebaulichen Moderne<br />
verwandte Denktraditionen, die ihren<br />
Höhepunkt in der Charta von Venedig<br />
haben. Sie bestätigt eine rekonstruktionskritische<br />
Fachposition, die im Kern auf<br />
Dehio zurückgeht und sehr vorsichtig in<br />
der unmittelbaren Nachkriegszeit sowie<br />
intensiver im Rahmen der aktuellen Rekonstruktionswelle<br />
hinterfragt wird (vgl.<br />
Kap. 3.2).<br />
Im Weiteren werden grundsätzliche gesellschaftliche<br />
und sozialpsychologische<br />
Dispositionen (vgl. Kap. 3.3) von in der<br />
Nachmoderne bzw. im Spätkapitalismus<br />
aufgetretenen gesellschaftlichen Wandel<br />
unterschieden (vgl. Kap. 3.4).<br />
Als einer der grundsätzlichen Hintergründe<br />
wird ein spezifisch deutscher Umgang<br />
mit den Themen Kitsch und Nostalgie<br />
(vgl. Kap. 3.31) unterstellt, der auch das<br />
Verhältnis von Original und Fälschung berührt.<br />
Kitsch wird als ein Phänomen begriffen,<br />
das erst mit der Herausbildung des<br />
Bürgertums und noch stärker mit der Konsumgesellschaft<br />
überhaupt eine gesellschaftliche<br />
Wirkung entfalten konnte. Kitschgegenstände<br />
und -kunstwerke werden<br />
mit bereits erlebten Gefühlen verknüpft<br />
und dadurch wiederholbar gemacht. Je<br />
nüchterner und schnelllebiger eine Gesellschaft<br />
wird, desto stärker hat auch Kitsch<br />
Konjunktur: Kitsch erfüllt das Bedürfnis<br />
nach Geborgenheit, er gleicht emotionale<br />
Defizite aus, ermöglicht eine kurzzeitige<br />
Flucht aus der Realität und regt nicht<br />
zu sehr zu Reflexion an. Gerade nostalgische<br />
Kitschgegenstände erfreuen sich großer<br />
Beliebtheit, da ihre Formen bereits<br />
einmal kognitiv verarbeitet wurden und<br />
so der Rezipientenseite eine „Verschnaufpause“<br />
gönnen. In der Architektur werden<br />
für verschiedene Stile und Gebäudearten<br />
Kitschtendenzen ausgemacht. Auch Rekonstruktionen<br />
können unter bestimmten<br />
Umständen als Kitschobjekte gelten.<br />
Ausgehend von der Beobachtung, dass des<br />
Öfteren ein weitgehend unreflektierter Zusammenhang<br />
zwischen Rekonstruktivismus<br />
und einer romantischen Strömung<br />
(vgl. Kap. 3.32) beschrieben wird, wird dieser<br />
mögliche Zusammenhang maßgeblich<br />
anhand Safranskis (2007) „Romantik.<br />
Eine deutsche Affäre“ untersucht. Dabei<br />
zeigt sich, dass die Epoche der Romantik<br />
in ihrem individualistischen und passiven<br />
Kern eher der Haltung mancher Rekonstruktionskritikerinnen<br />
entspricht, während<br />
im späteren Fortleben und der Weiterentwicklung<br />
des „romantischen Gedankens“<br />
erhebliche Parallelen zur verschiedenen<br />
Aspekten der Rekonstruktionssehnsucht<br />
festzustellen sind. Auch die besondere Betonung<br />
des „Romantischen“ innerhalb der<br />
deutschen Kulturgeschichte findet eine<br />
baukulturelle Parallele in der besonders