PDF-Download - Newsletter Urbane Transformationen
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60 Positionen zum Wiederaufbau verlorener Bauten und Räume Forschungen Heft 143<br />
herstellung der „Guten Stube“ und ihrer<br />
gebauten Geschichtlichkeit (vgl. Assmann<br />
2005) zu tun hat, ist zwar entscheidend<br />
für die ökonomische Tragfähigkeit eines<br />
Wiederaufbau-Projektes, wird allerdings<br />
in lokalen Debatten selten vordergründig<br />
behandelt. Damit kommt es zu einer Situation,<br />
in der die Artikulation von – zumindest<br />
nach Ansicht von Kritikern (vgl. Trimborn<br />
1995) – konservativ-restaurativen<br />
Gesellschaftsvorstel lungen zur Durchsetzung<br />
einer primär marktorientierten<br />
Stadtproduk tion dient.<br />
3.42 Auf der Suche nach Identität<br />
und Distinktion<br />
Das Thema der Identitätssuche taucht im<br />
Zusammenhang mit Rekonstruktion und<br />
der identitätsstiftenden Funktion von Orten<br />
immer wieder auf und verbindet auf<br />
gewisse Weise die verschiedenen Ansätze<br />
miteinander. Dabei hat die Frage nach<br />
persönlicher wie kollektiver Identität noch<br />
keine sehr lange Tradition, sondern beschäftigt<br />
besonders seit Beginn des 20.<br />
Jahrhunderts – als sich die Grenzen zwischen<br />
den sozialen Schichten immer mehr<br />
verwischten, der technologische Fortschritt<br />
zunehmend den Alltag bestimmte<br />
und ehemals universelle Werte mehr und<br />
mehr an Bedeutung verloren – weite Teile<br />
der Gesellschaft. Besonders in Zeiten des<br />
Umbruchs und der Unsicherheit wenden<br />
sich die Menschen der Erforschung der eigenen<br />
Innerlichkeit zu, die ihnen mehr<br />
Stabilität geben soll (vgl. Hettlage/Vogt<br />
2000). Die funktionale und weltanschauliche<br />
Ausdifferenzierung und Fragmentierung<br />
der Gesellschaft stellt in diesem Zusammenhang<br />
sowohl die Voraussetzung<br />
für eine Auseinandersetzung mit der eigenen<br />
Identität dar als auch für die Orientierungslosigkeit,<br />
die viele angesichts<br />
der ungeheuren neuen Vielfalt an Möglichkeiten<br />
der Selbstbeschreibung überfiel<br />
und heute noch überfällt. Orte, zumal<br />
nach eigenen Vorstellungen mitgestaltete,<br />
bieten sich aufgrund ihrer relativen Stabilität<br />
und Langfristigkeit als Orientierungspunkte<br />
an.<br />
Über eine genaue Definition des Begriffs<br />
Identität herrscht in den Sozialwissenschaften<br />
Uneinigkeit. In der Alltagssprache<br />
wird er häufig in Verbindung mit einem<br />
Verlust derselben gebraucht und steht<br />
in Verbindung mit Selbstentfremdung<br />
und ganz allgemein einer Krise des Individuums<br />
(vgl. Abels 2006: 243). Konsens<br />
herrscht immerhin darüber, dass Identität<br />
als kommunikativer Prozess nur „in<br />
irgendeiner Art von Sozialität“ (Koenen<br />
2000: 104) – also durch gegenseitige Anerkennung<br />
– entstehen kann. Beispielsweise<br />
wird in der Architektursoziologie wird gelegentlich<br />
die Meinung vertreten, die Objekte<br />
selbst besäßen eine eigene Identität.<br />
Unseres Erachtens konstituiert sich diese<br />
jedoch in Bezug auf Raum aus den personalen<br />
und kollektiven Identitäten derer,<br />
die den Raum nutzen und sich in ihm aufhalten.<br />
Sie schreiben ihm zunächst ein bestimmtes<br />
Image zu, mit dem sie sich wiederum<br />
identifizieren (oder eben nicht).<br />
Nach Berger/Luckmann ist Identität somit<br />
eine Verbindungsstelle zwischen Individuum<br />
und Gesellschaft (vgl. Christmann<br />
2003: 8). Gleichzeitig muss es aber auch<br />
ein „Außen“ geben, das den Gegensatz zur<br />
eigenen Identität bildet und diese durch<br />
Abgrenzung verfestigt. Denn erst wenn<br />
andere Optionen möglich sind, ergibt die<br />
Zuordnung zu einem Kollektiv überhaupt<br />
nur Sinn (vgl. Nassehi 2004: 31 f.). Das Individuum<br />
will sich also gleichzeitig einer<br />
Gruppe zuordnen, um eine positive soziale<br />
Identität aufzubauen, als auch gemeinsam<br />
mit dieser Gruppe von anderen absetzen.<br />
Durch Distinktion und den positiv<br />
ausfallenden Vergleich der eigenen mit einer<br />
anderen Gruppe (der sog. In-Group mit<br />
der Out-Group) wird die Identifikation mit<br />
der eigenen gefestigt (vgl. Zick 2008: 410).<br />
Nachdem in der Moderne noch ein Identitätsbegriff<br />
vorherrschte, der auf Kontinuität<br />
und Linearität ausgerichtet war, wird<br />
mit der postmodernen Gesellschaft vielfach<br />
eine „Dezentrierung von Identitäten“<br />
(Pott 2007: 28) assoziiert, im Zuge derer Eigen-<br />
und Fremdbilder aus mehreren Rollen<br />
und Fassetten der Persönlichkeit und<br />
Biographie zusammengesetzt und laufend<br />
verändert werden. Einige ehemals<br />
als unveränderlich und als stark prägend<br />
wahrgenommene Identitätsanker wie Beruf,<br />
nationale oder Geschlechtszugehörigkeit<br />
haben viel von ihrer Selbstverständlichkeit<br />
verloren. Identitäten werden nun<br />
zu einem instabilen, manchmal widersprüchlichen<br />
und selektiven Ganzen „zusammengebastelt“;<br />
je nach Situation und