ASPEKTE DES DEUTSCHEN WORTSCHATZES - MEK
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sowie stilistischen Einschränkungen folgen, wie Konjunktiv II/würde-Fügung (böte -<br />
würde bieten), wobei böte heute als archaisch betrachtet wird.<br />
Die Variation in der Wortbildung betrifft die Varianten einiger Suffixe, wie -heit/-<br />
keit/-igkeit/-e/-ität bei Adjektivabstrakta (Nomina qualitatis): Schönheit, Übelkeit,<br />
Schnelligkeit, Wärme, Banalität. Hierher gehört auch die Variation in der Fugensetzung<br />
bei Zusammensetzungen und gebildeten Wörtern, wie Fabrikarbeiter (Deutschland)<br />
und Fabriksarbeiter (Österreich), Schweinebraten (Deutschland) und<br />
Schweinsbraten (Österreich, Schweiz).<br />
Am verbreitetsten und bekanntesten ist die Variation in der Lexik (Wortvariation),<br />
denke man nur an Beispiele im Deutschen wie Fahrstuhl - Aufzug - Lift als gleichbedeutende<br />
Wörter. Bekannt ist im Deutschen auch eine regional bedingte Variation<br />
(norddeutsch-süddeutsch- typische Verteilung von Bezeichnungen) wie fegen - kehren,<br />
Sonnabend - Samstag, Fleischer - Metzger, Brötchen - Semmel, usw.<br />
So gibt es im österreichischen Standarddeutsch die Bezeichnung Landeshauptmann<br />
für den Regierungschef eines Bundeslandes, während das Lexem Bundespräsident<br />
in Deutschland das höchste Staatsamt bedeutet. Doch auch in der Schweiz gibt<br />
es die Bezeichnung Bundespräsident in der Bedeutung von Regierungschef, der jedoch<br />
in Österreich und in Deutschland Kanzler heißt (vgl. dazu Ammon 2004:10).<br />
Ebenfalls durch die Textsorte und den Stil bestimmt ist die syntaktische Variation,<br />
die z.B. zwischen dem Nominalstil und der verbalen Ausdrucksform durch einen<br />
Nebensatz variiert, wie wegen des Regens – weil es regnet oder auch die Variationen<br />
der passivischen Formen: Man übersetzt den Text. – Der Text wird übersetzt.<br />
Sehr breit ist die Textsorten-Variation, z.B. die Zeitungsannonce, das Plakat, der<br />
Anschlag, das Rundschreiben, das Flugblatt, die Lautsprecheransage als Varianten<br />
für eine Textsorte, die den gleichen Zweck verfolgt.<br />
Die Variation ist ein inhärentes Merkmal jeder natürlichen Sprache, die eine Heterogenität<br />
der Sprache repräsentiert. Sprachvarianten resultieren aus räumlichen, schichtenspezifischen,<br />
situativen Faktoren sowie aus den Umständen des Spracherwerbs<br />
der Sprecher und dem Sprachkontakt der beteiligten Sprachen. Die Variation erscheint<br />
sowohl auf der systemlinguistischen Ebene als auch auf der Gebrauchsebene<br />
der Sprache. Variation findet eben dadurch ihren Ausdruck, dass eine Abweichung<br />
von einer/der Norm erscheint bzw. dass im Sprachgebrauch gegen eine/die vermeintliche<br />
oder erlernte Norm verstoßen wird. Variation ist im Sprachnormverständnis<br />
eines Nicht-Muttersprachlers oft nicht vereinbar mit der Standardsprache, die durch<br />
ihre Überregionalität mit einer variationsfreien und einheitlichen sprachlichen Ausdrucksform<br />
als identisch betrachtet wird. Tatsache ist nun, dass von manchen Sprechern<br />
des Deutschen, auch von Experten, eine bestimmte Variante der Standardsprache<br />
bevorzugt wird und nur dieser einen der Status der korrekten Sprache zugeschrieben<br />
wird. Bei Lehrbuchautoren wäre dies vielleicht einzusehen, weil es dort<br />
bequemer ist, von einer bestimmten Variante des Deutschen auszugehen. Doch die<br />
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