Plattdeutsches Wörterbuch des kurkölnischen Sauerlandes
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Eigentümlich ist in einigen Regionen ebenfalls die Verwendung <strong>des</strong> Reflexivpronomens „sich".<br />
Im Altkreis Meschede und angrenzenden Teilen der ehemaligen Kreise Amsberg, Olpe und<br />
Brilon heißt es im Plural <strong>des</strong> Dativs und <strong>des</strong> Akkusativs iärk, eark oder erk. In emigen sudhchen<br />
Bereichen wird im Singular sogar zwischen einem femininen, einem maskulinem und emem<br />
Plural-Reflexivum unterschieden: So heißt es z.B. in Oberveischede (Olp): Hey waschketsi, aber<br />
Sey kämmet siek, dagegen im Plural: Sey stritt ierk, sey bugget ierk en Hius („er wäscht sich; sie<br />
kämmt sich; sie zanken sich, sie bauen sich ein Haus"). In Heckenberg (Mes) begegnen m<br />
gleicher Reihenfolge die Reflexivformen sei - siek - erk, in Helmermghausen (Bn) sick - lark -<br />
iärk während im Altkreis Amsberg zumeist in allen drei Fällen siek bzw. mancherorts sick<br />
gesprochen wird. Karte 12 zeigt die Verbreitung von iärklerk als Reflexivum <strong>des</strong> Plurals.<br />
In vieler Hinsicht haben die Mundarten <strong>des</strong> Kreises Olpe eine Sonderstellung innerhalb <strong>des</strong><br />
<strong>kurkölnischen</strong> Sauerlan<strong>des</strong>. Besonders der südliche Zipfel, das „Wendsche", hat eine Reihe von<br />
Erscheinungen die aus dem Einfluß <strong>des</strong> niederfränkischen Raumes zu erklären smd. Aus dem<br />
Bereich der Formengeographie sei ein Beispiel gegeben: Der größte Teil <strong>des</strong> Untersuchungsge-<br />
bietes bildet - gemeinsam mit dem Westniederdeutschen - den Plural der Verben einheithch auf<br />
-er (wir ihr üe)mäket, /öprf usw., im Niederfränkischen wird der Einheitsplural auf-engebUdet,<br />
während das Siegerländische in hochdeutscher Weise -en, -et, -en unterscheidet. Der südliche<br />
Olper Raum bildet hier eine interessante Übergangszone, die zwischen dem „Wendschen<br />
en-Gebiet und dem nördlichen -er-Gebiet eine Form verwendet, die Elemente aus beiden Zonen<br />
vereinigt in einer Mischform -ent: löpent, mäkent usw. (vgl. in Karte 7).<br />
Aus der Fülle der möglichen Darstellungen zur Wortgeographie sollen zwei Beispiele diese<br />
kleine Übersicht beenden, das Adverb bzw. die Präposition „hinter" und die adverbiale<br />
Ergänzung „nach Hause". .. • -u^t,- A<br />
Zur Abfrage der bereits angeführten Lautentwicklung nn > ng ist das Wort „hinter nicht für den<br />
gesamten Raum geeignet; im nördlichen Randbereich dieser Entwicklung geben die Mundart-<br />
sprecher in den Fragebogen die Antwort ächter, ein Wort, das das nördhche Sauerland mit dem<br />
übrigen Niederdeutschen verbindet. Im südlichen Bereich zeigen hinner und hinger deuthch den<br />
sprachlichen Einfluß <strong>des</strong> mitteldeutschen Raumes auf das südliche Saueriändische (vgl. Karte<br />
13) Ebenfalls im Zusammenhang mit diesem Mundartraum ist der wortgeographische L nter-<br />
schied im Satzbeispiel „ich gehe nach Hause" zu sehen: ein etwas anders gestalteter nordbcher<br />
Raum gebraucht, entsprechend dem niederdeutschen Norden, die präpositionale Verbmdung no<br />
Hiuse, no Hüse oder ähnlich, während man im südlichen Bereich nö häime bzw. haime geht<br />
(Karte 9)<br />
Selbstverständlich könnte hier noch eine Fülle weiterer das Saueriändische charakterisierender<br />
Mundarterscheinungen angeführt werden; die eingangs genannten wissenschaftlichen Abhand-<br />
lungen Kartenwerke und Institutionen bieten dazu reichlich Informationen und Belegmatenal,<br />
und vieles müßte noch näher erforscht werden. Das hier kurz Eriäuterte und veremfacht<br />
kartographisch Dargestellte zeigt jedoch zur Genüge, daß die saueriändischen Mundarten in sich<br />
reich gegliedert, jedoch auch eng verzahnt sind mit den sie umgebenden Dialektlandschaften.<br />
Das gilt insbesondere auch für die Lexik dieses Raumes: Neben vielerlei Uberemstimmungen mit<br />
dem Wortschatz der angrenzenden westfäUschen, rheinländischen und hessischen Mundarten<br />
steht manches Altertümliche, nur noch hier Erhaltene. Das vorliegende <strong>Wörterbuch</strong> wird eimges<br />
davon dokumentieren. Wie lange jedoch das in bedrohlicher Weise schwindende Plattdeutsche<br />
im Saueriand noch als gesprochene Sprache existieren wird, wird von denen abhangen, die es<br />
heute noch beherrschen und vor allem auch im täglichen Umgang verwenden.<br />
© Copyright SauerJänder Heimatbund<br />
Hans Taubken