Geburten und Kinderwünsche in Deutschland
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<strong>Geburten</strong> <strong>und</strong> <strong>K<strong>in</strong>derwünsche</strong> <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong>:<br />
Bestandsaufnahme, E<strong>in</strong>flussfaktoren <strong>und</strong> Datenquellen<br />
Somit werden Partnerschaft, Ehe <strong>und</strong> Familie zunehmend zu e<strong>in</strong>em H<strong>in</strong>dernis<br />
für das <strong>in</strong>dividuelle Streben nach (wirtschaftlicher) Unabhängigkeit <strong>und</strong><br />
Selbstentfaltung sowie die Bewältigung der Anforderungen am Arbeitsmarkt.<br />
Tatsächlich kann für die westdeutsche B<strong>und</strong>esrepublik seit den 1980er Jahren<br />
e<strong>in</strong> Zuwachs postmaterialistischer Werte konstatiert werden, während zuvor<br />
materialistische Werte dom<strong>in</strong>ierten. Diese Zunahme der Bedeutung sozialer<br />
Werte, die auf Partizipation, Selbstverwirklichung <strong>und</strong> Lebensqualität ausgerichtet<br />
s<strong>in</strong>d, wird dabei auf den kulturellen Wertewandel zurückgeführt, der<br />
sich <strong>in</strong>nerhalb westlicher Gesellschaften seit Ende des Zweiten Weltkrieges<br />
vollzogen hat. Dabei kam es nach Inglehart zu e<strong>in</strong>em Aufstieg so genannter<br />
postmaterialistischer Werte, die das zuvor dom<strong>in</strong>ierende materialistische<br />
Wertesystem zunehmend verdrängen. Damit nimmt die Bedeutung sozialer<br />
Werte, die auf das physische Überleben <strong>und</strong> die physische Sicherheit ausgerichtet<br />
s<strong>in</strong>d, mehr <strong>und</strong> mehr ab. So s<strong>in</strong>d nach empirischen Ergebnissen<br />
Ingleharts postmaterialistisch orientierte Frauen deutlich seltener der Ansicht,<br />
dass Frauen K<strong>in</strong>der bekommen müssten, während gleichzeitig die nichteheliche<br />
Lebensgeme<strong>in</strong>schaft unter Postmaterialisten als Lebensform <strong>in</strong> höherem<br />
Maße Akzeptanz erfährt. Auch zeigen die Analysen Ingleharts e<strong>in</strong>e tendenziell<br />
ger<strong>in</strong>gere <strong>Geburten</strong>rate <strong>in</strong> Ländern mit e<strong>in</strong>em hohen Anteil postmaterialistisch<br />
orientierter E<strong>in</strong>wohner (Hu<strong>in</strong><strong>in</strong>k <strong>und</strong> Konietzka 2007: 110). Für die<br />
B<strong>und</strong>esrepublik machen Dorbritz et al. (2005) <strong>in</strong>zwischen e<strong>in</strong>e vollständige<br />
Polarisierung der beiden Werttypen aus, bei der 51 % der Bevölkerung e<strong>in</strong>e<br />
postmaterialistische <strong>und</strong> 49 % e<strong>in</strong>e materialistische Orientierung aufweisen.<br />
Dabei hat sich der Anteil der Postmaterialisten <strong>in</strong> den neuen B<strong>und</strong>esländern<br />
zwischen 1996 <strong>und</strong> 2006 be<strong>in</strong>ahe verdoppelt <strong>und</strong> ist von 22 auf 45 % gestiegen<br />
(Kroh 2008: 482). Kroh sieht <strong>in</strong> dieser rasanten Entwicklung des ostdeutschen<br />
Wertesystems allerd<strong>in</strong>gs – entgegen der Theorie des Wertewandels Ingleharts<br />
– e<strong>in</strong>en Periodeneffekt (ebd.).<br />
Die Postmaterialismustheorie Ingleharts wurde bereits <strong>in</strong> theoretischer als<br />
auch <strong>in</strong> empirischer H<strong>in</strong>sicht kritisch beurteilt (vgl. dazu zum Beispiel Hu<strong>in</strong><strong>in</strong>k<br />
<strong>und</strong> Konietzka 2007). Unbestritten bleibt dennoch ihr bedeutender E<strong>in</strong>fluss auf<br />
die Familiendemografie, vor allem da sie <strong>in</strong> direkter Verb<strong>in</strong>dung zur These des<br />
zweiten demografischen Übergangs steht. Die These des zweiten demografischen<br />
Übergangs gilt als e<strong>in</strong>es der e<strong>in</strong>flussreichsten Konzepte bei der Analyse<br />
des familiendemografischen Wandels <strong>in</strong> Europa. Sie bildet dabei die Erweite-<br />
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