im Reprint enthaltenen Geschichten in einer PDF - Karl-May ...
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Sprach er die Wahrheit, oder log er, um mich <strong>in</strong>s Garn zu locken? Ich sah ihn<br />
forschend an. Ne<strong>in</strong>, dieses Gesicht konnte nicht lügen. Die Todesangst, welch <strong>in</strong><br />
demselben lag, war nicht gemacht. Da gab es ke<strong>in</strong> Mißtrauen und ke<strong>in</strong> Zaudern. Ich stieg<br />
auf me<strong>in</strong> Kamel. Zwar wollte das Mißtrauen mir wieder und wieder aufsteigen; aber „en’<br />
taijib, en’ taijib – Du bist gut, Du bist gut,“ so klang die St<strong>im</strong>me des Knaben noch lauter<br />
als die St<strong>im</strong>me des Zweifels und Verdachtes <strong>in</strong> me<strong>in</strong>em Herzen und wir flogen vorwärts,<br />
der Rettung des Verunglückten oder – – dem neuen Verderben entgegen. Bald erreichten<br />
wir die Stelle, wo die Felsen ause<strong>in</strong>andertraten. Da hielten die Tuareg. Ihre Kamele lagen<br />
<strong>im</strong> Sande, mit den Köpfen alle nach uns gewendet und der Gefahr, die sie kannten, die<br />
Rücken zugekehrt. Der erste Blick zeigte mir die ganze Lage.<br />
Vor mir sah ich die Ränder e<strong>in</strong>er fast zirkelrunden, riesigen Felsenschüssel, deren<br />
Durchmesser ungefähr zwei Kilometer betrug; ihre Tiefe war natürlich unbekannt, mußte<br />
aber sehr bedeutend se<strong>in</strong>, denn die Ste<strong>in</strong>ränder fielen fast genau senkrecht ab. Welche<br />
Flüssigkeit diese Schüssel enthielt, war jetzt nicht zu sagen; ihr Inhalt schien aus e<strong>in</strong>em<br />
nassen, außerordentlich fe<strong>in</strong>en und leichten Sande zu bestehen, der ke<strong>in</strong>e Last zu tragen<br />
vermochte, wenigstens nicht den Fuß e<strong>in</strong>es Menschen oder Tieres. Man denke sich, daß<br />
dieses Riesengefäß erst nur Wasser oder sonst e<strong>in</strong>e Flüssigkeit enthalten hatte. Dann war<br />
der Sand von den Wüsten- [183] stürmen [Wüstenstürmen] herbeigetrieben worden.<br />
Der schwere, also untere Teil e<strong>in</strong>er solchen Sandsturmmauer wie die heutige, war von<br />
den hohen Felsenrändern abgehalten worden; der hoch oben <strong>in</strong> den Lüften fliegende,<br />
leichte, fe<strong>in</strong>e, fast unwägbare Staub aber war über sie here<strong>in</strong>gedrungen und auf die<br />
Flüssigkeit niedergesunken, ohne unterzugehen, weil er nicht schwerer war als sie. So<br />
dachte ich mir das Entstehen dieses Sandsees, und ich glaube nicht, daß ich mich dabei<br />
irrte. Wehe dem, der h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>geriet! Ich sah, wohl vierzig Ellen vom „Ufer des Verderbens“<br />
entfernt, den Tachtirwan auf diesem Abgrunde des Todes liegen, e<strong>in</strong>e Folge se<strong>in</strong>er<br />
leichten Bauart, der dünnen Stoffe, aus denen er bestand, und der langen, phantastisch<br />
bew<strong>im</strong>pelten Stangen, die zu beiden Seiten weit h<strong>in</strong>ausragten, ihn trugen und so<br />
verh<strong>in</strong>derten, daß er unterg<strong>in</strong>g. Dr<strong>in</strong> saß Khaloba, der Tuaregknabe. Er war so klug, sich<br />
nicht zu bewegen, rief aber unausgesetzt um Hilfe. Kaum erblickte er mich, so jammerte<br />
er mir zu:<br />
„Ta’ al, ta’ al, ja Sihdi! Hallisni m<strong>in</strong> el mot; meded, meded – komm, komm, o Sihdi!<br />
Rette mich von Tode; zu Hilfe, zu Hilfe!“<br />
„Ich komme; ich komme!“ antwortete ich, <strong>in</strong>dem ich aus dem Sattel sprang. „Halte<br />
Dich nur ruhig, damit Du das Gleichgewicht nicht verlierst!“<br />
Die Tuareg standen stumm. Sie hielten ihre Augen erwartungsvoll auf mich gerichtet,<br />
f<strong>in</strong>stre Augen zwar, <strong>in</strong> denen aber jetzt nichts von Haß und Rachgier zu sehen war. Ihr<br />
Anführer hatte sich auch vom Kamele geschwungen. Als er me<strong>in</strong>e Worte hörte, faßte er<br />
me<strong>in</strong>e beiden Hände und rief entzückt aus:<br />
„Du willst zu ihm, Du willst? Du hältst es also für möglich, ihn zu retten?“<br />
„Bei Gott ist alles möglich,“ antwortete ich. „Die Gefahr ist allerd<strong>in</strong>gs groß; aber wenn<br />
der Allmächtige mir beisteht, br<strong>in</strong>ge ich Dir De<strong>in</strong>en Sohn herüber; sollte es jedoch <strong>in</strong><br />
se<strong>in</strong>em Ratschlusse anders beschlossen se<strong>in</strong>, so werde ich mit dem Knaben untergehen.“<br />
„Du wirst nicht untergehen, sondern Khaloba retten; Allah ist allmächtig, und<br />
Muhammed ist groß. Betet das, Ihr Männer, betet das mit mir!“<br />
Dieser Aufforderung Folge leistend, wendeten sich die Tuareg nach Osten, erhoben<br />
ihre Hände und riefen dre<strong>im</strong>al:<br />
„Allah ’l khudra el ilahija we Muhammed kebir – Allah ist die Allmacht, und Muhammed<br />
ist groß!“<br />
Ich hatte nichts, gar nichts sagen und die Gefahr, <strong>in</strong> welcher der Knabe schwebte, zu<br />
nichts ausnützen wollen; aber Muhammed anrufen und als groß preisen lassen, was fiel<br />
mir auch nicht e<strong>in</strong>; darum wendete ich mich, als die Tuareg nun schwiegen, mit lauter<br />
St<strong>im</strong>me, so daß alle es hörten zu dem Scheik:<br />
„Muhammed kebir? Er ist groß? So b<strong>in</strong> ich also umsonst herbeigekommen? Wohlan, so<br />
wollen wir warten und zusehen, wie Muhammed De<strong>in</strong>en Knaben herüberholen wird!“<br />
Ich setzte mich, als ob uns gar nichts dränge, gemächlich wieder <strong>in</strong> den weichen,<br />
tiefen Sand. Da ergriff er mich bei der Schulter, um mich aufzuziehen und schrie:<br />
„Ne’uhzu billa! Um Gottes willen, was thust Du da! Du setzest Dich nieder und hast<br />
doch vorh<strong>in</strong> selbst gesagt, daß ke<strong>in</strong> Augenblick zu verlieren sei!“