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im Reprint enthaltenen Geschichten in einer PDF - Karl-May ...

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„Ich danke, Ehrwürdiger,“ antwortete ich. Es ist der Viérnes santo, an welchem<br />

Christus starb; da essen und tr<strong>in</strong>ken wir nicht.“<br />

Er neigte billigend den weißen Kopf, und ich fuhr fort:<br />

„Darf ich, um Sie nicht später zu stören, Ihnen etwas Wichtiges mitteilen?“<br />

„Ja, Sennor Rastreador.“<br />

„Es werden drei Comerciantes kommen, welche ich belauscht habe. Sie sche<strong>in</strong>en es<br />

auf den alten Gambus<strong>in</strong>o abgesehen zu haben, von dem sie glauben, daß er sehr viel<br />

Gold bei sich habe.“<br />

Es g<strong>in</strong>g e<strong>in</strong> trübes Lächeln über se<strong>in</strong> greises Angesicht, als er antwortete:<br />

„Gold und <strong>im</strong>mer Gold! Das ist der Teufel, dem so viele Tausende von Seelen<br />

verfallen. Der Gambus<strong>in</strong>o hat nicht so viel Gold, daß er sich e<strong>in</strong>e Stecknadel dafür kaufen<br />

könnte.“<br />

„Dennoch bitte ich, Ihre Vorbereitungen zu treffen. Diese Menschen glauben, daß er<br />

welches hat. Es ist auf se<strong>in</strong> und wohl auch auf Ihr Leben abgesehen.“<br />

„Me<strong>in</strong> Leben ist <strong>in</strong> Gottes Hand noch weniger als e<strong>in</strong> Sonnenstäubchen, welches <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em Augenblick kommt und verschw<strong>in</strong>det. Beruhigen Sie sich! Es kommt ohne unsern<br />

Willen ke<strong>in</strong> Fremder so weit an uns heran, daß er uns schaden könnte. S<strong>in</strong>d Sie müde,<br />

Sennor?“<br />

„Ja,“ sagte ich mehr aus Rücksicht für ihn als der Wirklichkeit gemäß.<br />

„So werden sie mir leichter verzeihen, daß ich Sie bitte, zur Ruhe zu gehen. Die<br />

Gesetze dieser Felsenzelle s<strong>in</strong>d sehr streng.“<br />

Er deutete nach der Schilfmatte, welche die zweite von der ersten Abteilung trennte.<br />

Wir schlugen sie zurück und traten h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>. Es gab da vier Lager, aus trockenem Gras<br />

bereitet, und e<strong>in</strong>e pr<strong>im</strong>itive Kürbislampe, weiter nichts. Der Gambus<strong>in</strong>o, welcher diese<br />

Lampe angebrannt hatte, wünschte uns „buenas noches“ und g<strong>in</strong>g dann fort. Wir waren<br />

alle<strong>in</strong> und legten uns nieder.<br />

Ich habe mich <strong>in</strong> vielen, vielen außergewöhnlichen Situationen befunden, aber die<br />

heutige kam mir doppelt ungewöhnlich vor. Wir waren als Gäste, und zwar ganz<br />

freundliche aufgenommen und doch gleich be<strong>im</strong> E<strong>in</strong>tritte zur Ruhe verwiesen worden.<br />

Doch das war e<strong>in</strong>e Folge der Klausur. Das Fremdartige lag weniger <strong>in</strong> der Situation als <strong>in</strong><br />

den Personen. Wer waren diese beiden Männer? An dem Weißen kam mir e<strong>in</strong>iges wie<br />

bekannt vor, die St<strong>im</strong>me, die Augen und die eigentümlich tief e<strong>in</strong>gesenkte Nasenwurzel.<br />

Bei wem hatte ich das nur schon gesehen? Am nächsten Tage sollte ich auf die Frage die<br />

Antwort bekommen. Der Alte sollte mir se<strong>in</strong>e Gastfreundschaft nicht umsonst angeboten<br />

haben.<br />

[157a] Wir hatten die Lampe ausgelöscht. Die Tobas schliefen. Ich lag schlaflos,<br />

s<strong>in</strong>nend und grübelnd auf dem Lager. Der Gambus<strong>in</strong>o hatte sich, wie ich am nächsten<br />

Morgen erfuhr, h<strong>in</strong>unter zu unsern Pferden gelegt; der Alte war oben alle<strong>in</strong>. Ich hörte<br />

se<strong>in</strong>e halblaute St<strong>im</strong>me; er betete ohne Unterlaß; oft erklang e<strong>in</strong> tiefer Seufzer, zuweilen<br />

e<strong>in</strong> schwer unterdrückter Schrei. Was quälte diesen ehrwürdigen Greis <strong>in</strong> solcher Weise?<br />

Lastete e<strong>in</strong>e schwere Schuld auf ihm? War er vielleicht e<strong>in</strong> Sünder wie Perdido gewesen?<br />

Ich hörte ihn die sieben Worte am Kreuze beten. Das letzte veränderte er <strong>in</strong>: „Wann ists<br />

vollbracht, wann ists vollbracht?“ Der Todestag des Herrn war auch für ihn e<strong>in</strong> schwerer<br />

Tag. Hätte er geahnt, daß der, für den er litt, heut e<strong>in</strong>en ebenso schweren Viérnes santo,<br />

ja, e<strong>in</strong>en noch viel, viel schwerern Karfreitag hatte! – – –

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